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Goethe und Geldpolitik

Zhang Danhong1. Oktober 2012

Was hat Goethe mit der Europäischen Zentralbank zu tun? Jede Menge, finden die Teilnehmer einer öffentlichen Debatte bei der Bundesbank heraus. Mit seinem "Faust II" traf Goethe gar ein Kernproblem der Geldpolitik.

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Gemälde in der Bundesbank (Foto: DW)
Gemälde in der BundesbankBild: DW

Es ist kurz vor Karneval. Den Kaiser, der gerne feiern will, plagt Geldnot. Da kommt der Teufel in Gestalt von Mephisto und rät dem Kaiser, Geld zu drucken. Der Herrscher lässt sich überreden. Von der wundersamen Wirkung des Papiergeldes sind alle begeistert. Der Staat kann sich seiner Schulden entledigen. Das Volk verfällt in Kaufrausch. Der Kanzler verkündet voller Stolz: "So hört und schaut das schicksalsschwere Blatt (Papiergeld), das alles Weh in Wohl verwandelt hat."

Gemälde in der Bundesbank (Foto: DW)
Im Geld kann man sich berauschen - aus der Sammlung der BundesbankBild: DW

So hat sich Johann Wolfgang von Goethe in seinem "Faust II" mit Papiergeld und Staatsfinanzierung auseinandergesetzt. Was der Dichter nicht ahnen konnte, ist, dass das Thema 180 Jahre nach dem Erscheinen seines Lebenswerkes aktueller denn je geworden ist. So weist die Entwicklung der Euro-Schuldenkrise immer mehr Parallele zu Goethes "Faust" auf. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) scheint gerade alles Weh in Wohl verwandelt zu haben, indem sie mehr oder weniger ankündigte, kriselnden Staaten mit der Notenpresse zu helfen.

Bundesbank in Opposition zur EZB

Diese Gratwanderung der EZB hat vor allem unter den deutschen Ökonomen heftige Kritik ausgelöst. Besonders hervorgetan hat sich der oberste Währungshüter Deutschlands: Jens Weidmann. Der Bundesbankpräsident erzählte von Goethes "Faust" und jeder wusste den Adressaten seiner Anspielung: "Die Beteiligten sind so beglückt über die vermeintliche Wohltat, dass sie gar nicht ahnen, dass ihnen die Entwicklung aus den Händen gleiten wird."

Auch die EZB wird zum Gefangenen ihrer Politik, davon ist Ottmar Issing, ehemaliger Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, überzeugt. Es sei problematisch, all die Liquidität wieder zurückzunehmen. Zwar sei das technisch gar keine Frage. "Aber ob ein Rat, der vorher die Liquidität in dieser Form ausgedehnt hat, dann zu einem Zeitpunkt, den die Wirtschaft und die Politik für verfrüht hält, der aber geldpolitisch notwendig ist, zu sagen, jetzt geht es in die andere Richtung, da mache ich doch einige Fragezeichen."

Inflation wird kommen

Gelingt es nicht, die Geldschleusen rechtzeitig zu schließen, verliert das Geld an Wert. Inflation ist die Folge. Die Geschichte des Papiergeldes ist auch eine Geschichte der ständigen Versuchung der Staatsfinanzierung durch Notenpresse und der damit verbundenen Geldentwertung. Für Jens Weidmann ist daher die Unabhängigkeit der Notenbank von essentieller Bedeutung, um die Kaufkraft des Geldes und damit das Vertrauen der Menschen zu bewahren: "Für das Vertrauen ist aber wichtig, dass sich Notenbanker, die ein öffentliches Gut verwalten - stabiles Geld - auch öffentlich rechtfertigen." Das wiederum ist an seine eigenen Kritiker gerichtet, die in seiner offenen Opposition zur EZB eine Schwächung der Institution befürchten.

Bundesbankpräsident Jens Weidmann (Foto: DW)
Jens Weidmann kritisiert den EZB-Kurs öffentlichBild: DW

Für Ottmar Issing sind nicht nur die Institutionen wichtig, sondern vor allem die Personen, die darin arbeiten: "Institutionen sind wie Festungen, sie müssen wohl geplant und wohl bemannt sein." Meint er etwa, dass die EZB im Moment nicht richtig bemannt ist?

Während seine Kritik an Europas Währungshütern indirekt und subtil ausfällt, wird er in der Beurteilung der EZB-Politik deutlich: "Je mehr die Notenbank den Eindruck erweckt, dass sie im Notfall da ist, desto schwieriger wird es für die Politik, den eigenen Landsleuten zu erklären: Wir müssen durch dieses Tal der Tränen durch." Mit anderen Worten: Die Rechnung der EZB, Problemländern Zeit zu kaufen, damit sie notwendige Reformen durchführen, wird nicht aufgehen.

Ottmar Issing (ehemaliger Chefvolkswirt der EZB) und Thomas Mayer (Berater der Deutschen Bank) (Foto: DW)
Ottmar Issing und Thomas MayerBild: DW

Nährboden für die nächste Krise

Zudem birgt die Politik des lockeren Geldes enorme Risiken. So habe die Niedrigzinspolitik der amerikanischen Notenbank mit zu den verschiedenen Blasen geführt, deren Platzen die Finanz- und Wirtschaftskrise verursacht hätte, meint Thomas Mayer, Berater der Deutschen Bank: "Es sind die gleichen Leute, die praktisch nichts aus ihren Fehlern gelernt haben und heute weiter so machen. Wer weiß, wo wir enden?"

Was die EZB macht, ist nach Meinung von Bundesbank-Vorstand Joachim Nagel weitaus riskanter als das Anleihekaufprogramm der amerikanischen Fed, denn "die amerikanische Notenbank kauft keine Anleihen ihrer Bundesstaaten. Sie kauft Staatsanleihen der USA". Und diese Anleihen genießen im Gegensatz zu spanischen und italienischen Anleihen immer noch die Top-Bonität.

Joachim Nagel (Vorstand der Bundesbank) (Foto: DW)
Joachim Nagel, Vorstand der BundesbankBild: DW

Wohin die EZB die Eurozone mit ihrer lockeren Geldpolitik führt, darüber lässt sich streiten. In Goethes "Faust" nahm das Experiment mit dem Papiergeld ein tragisches Ende. Jens Weidmann fasst es aus ökonomischer Sicht so zusammen: "Im weiteren Verlauf artet das lustige Treiben jedoch in Inflation aus und das Geldwesen wird infolge der rapiden Geldentwertung zerstört."