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Aus der Favela in den Olymp

9. August 2016

Vom Straßenkind aus einer der übelsten Favelas am Zuckerhut zur Olympiasiegerin - Judoka Rafaela Silva hat ein modernes Märchen geschrieben und dem Gastgeber das erste Gold bei den Olympischen Spielen in Rio beschert.

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Die Judoka Rafaela Silva (Foto: Getty Images/AFP/J. Guez)
Bild: Getty Images/AFP/J. Guez

Rafaela Silva sank auf die Knie, und ein ganzes Land jubelte mit ihr: Brasiliens Star-Judoka hat ihre Mission mit Bravour erfüllt. "Möge die Medaille den Kindern in der 'Cidade de Deus' als Ansporn dienen. Von dort komme ich, jetzt bin ich Weltmeisterin und Olympiasiegerin", sagte die 24-Jährige im Moment des großen Triumphes. Die "Cidade de Deus", die "Stadt Gottes", war einst die Hölle auf Erden - Silvas Weg führte von dort aus bis in den sportlichen Himmel.

Um 17.08 Uhr Ortszeit machte Silva am Montagnachmittag ihren Finalcoup gegen die mongolische Weltranglistenerste Sumiya Dorjsuren perfekt. Alle Anspannung, aller Druck, der ihr in den vergangenen Monaten aufgebürdet worden war, fiel ab: Das so taffe Kraftpaket stürmte unter Freudentränen auf die Tribüne, wurde von Familien und Freunden fast erdrückt.

Judo als Lebensretter

"Keiner hat mehr trainiert als ich. Ich will allen danken, die mich unterstützt haben. Den Leuten, die mein Leiden miterlebt haben", sagte Silva, die in Runde eins die Deutsche Miryam Roper demontiert hatte. Ihre Mutter sagte: "Sie ist eine Kriegerin, eine goldene Kriegerin!"

Für Silva, die 2013 ebenfalls in Rio Weltmeisterin geworden war, ist Judo ein Lebensretter gewesen. "Eine meiner Cousins ist in der "Cidade de Deus" Dealer geworden", sagte sie einmal: "Ich habe die Traurigkeit und Gewalt seines Lebens gesehen und erkannt, dass Judo mein einziger Ausweg ist."

"Wenn du hier nicht zuschlägst, dann schlägt dich jemand anders"

Der Olympiapark von Barra da Tijuca liegt keine zehn Kilometer westlich der "Stadt Gottes", die noch vor einem Jahrzehnt eine der übelsten Favelas der Metropole war. Und in der Rafaela Silva als Kind durch eine harte Schule ging. "Wenn du hier nicht zuschlägst", sagte Silvas Schwester Raquel, "dann schlägt dich jemand anders." Die Mädels waren auf einem schlechten Weg, rauflustig, echte Straßenköter - und die Eltern der Silvas reagierten.

Sie zogen in eine Straße außerhalb der "Cidade de Deus", schickten ihre Töchter zum ehemaligen Judo-Nationaltrainer Geraldo Bernardes, der in der Nachbar-Favela eine Kampfsportschule betreibt. Er sah das Talent der Silvas, stülpte ihnen die Regel über: Ihr hört auf, euch auf der Straße zu prügeln - und ich mache euch zu Klasse-Judokas.

Rassistische Anfeindungen noch 2012

Während Raquel mit 15 schwanger wurde, ging der Plan bei Rafaela auf. 2008 wurde sie Junioren-Weltmeisterin, 2013 siegte sie bei der Heim-WM in Rio. Als Dunkelhäutige musste Rafaela Silva hart um Anerkennung kämpfen, nach ihrem frühen Aus bei Olympia 2012 wurde sie rassistisch angefeindet. "Das waren meine schlimmsten Momente. Ich lag nur noch im Bett und wollte aufhören - aber ich konnte mein Land nicht im Stich lassen."

al/ck (dpa, sid)