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Buchmanieren

11. Dezember 2008

Über Buchgeschenke, den Frühjahrsputz im Bücherregal oder über Schriftsteller als Autofahrer: Hier schreibt Thomas Böhm, Programm-Leiter des Kölner Literaturhauses, regelmäßig Kolumnen rund ums Lesen.

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Bild: DW

Neulich war ich Gast in einem Universitätsseminar über deutsche Gegenwartsliteratur. Auf dem Programm stand unter anderem Felicitas Hoppes Roman "Pigafetta" über eine Weltreise auf einem Frachtschiff. An Bord dieses Frachtschiffs befinden sich eine ganze Reihe von Figuren, die Werken der Weltliteratur von der Odyssee bis Moby Dick entlehnt sind.

Und wie immer bei postmodernen Büchern gilt: Erkennt man die Anspielungen, wird die Lektüre komplexer - kennt man sie nicht, bereitet sie trotzdem Vergnügen.

Zu meiner Überraschung konzentrierten sich die Studenten just auf die literarischen Anspielungen, statt die Geschichte selbst zu analysieren, die von einem so modischen Thema wie "Globalisierung" handelt. Ich sah die Welt der Literatur gerettet angesichts solch belesener Germanistiksemester - bis plötzlich eine der Referentinnen sagte, den Namen einer bestimmten Figur hätte sie nicht bei Google finden können. Mir wurde klar, wie simpel die studentische Entschlüsselungskunst war: Sie hatten einfach alle Figurennamen in eine Internetsuchmaschine eingegeben.

Google-Glück

Als ich diese Episode einem befreundeten Journalisten erzählte, sagte der, dass mittlerweile journalistische Standards durch die allzu einfache Verfügbarkeit vermeintlich gesicherter Informationen im Internet bedroht sind und er deshalb seine freien Mitarbeiter oft fragen muss: "Ist das recherchiert oder gegoogelt?"

Thomas Böhm Programmleiter des Kölner Literaturhauses
Thomas BöhmBild: birgit rautenberg

Dass allerdings nicht nur ungeprüftes Halbwissen im WWW archiviert ist, belegt die Story von den beiden Safeknackern in Colorado Springs: Die beiden Einbrecher hatten 75 Minuten lang versucht, den Tresor einer Spielhalle zu knacken. Bis einer der beiden auf die Idee kam, einen Computer im Nebenraum einzuschalten und die Frage "Wie knackt man einen Safe?" zu googeln. Sie bekamen – falls die Geschichte wahr ist - eine sehr nützliche Auskunft und erbeuteten 12.000 Dollar. Solche Knacker-Geschichten über Google lasse ich mir gefallen, aber bitte Finger weg vom Geschichten-Knacken mit Google.