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Brown in der Krise

Anna Kuhn-Osius29. Juli 2008

Drei Viertel der Briten sind unzufrieden mit der Regierung. Sie zeigen das Premier Gordon Brown bei jeder Wahl: Seine Labour-Partei erlebt eine Schlappe nach der anderen. Jetzt scheint die Partei ihn stürzen zu wollen.

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Premierminister Brown. Quelle: AP
Das Lachen ist ihm vergangen: Großbritanniens Premier BrownBild: AP

"Gordon Brown ist der beste Führer, um uns durch diese schweren Zeiten zu bringen." Solche Sätze hört der britische Premierminister zurzeit selten. Er muss aber auch genau hinhören, wer so ein Lob ausspricht. Justizminister Jack Straw hat diesen Satz gesagt. Und hat sogar noch einmal nachgelegt: "Ich bin absolut überzeugt, dass Gordon Brown der richtige Mann ist, die Partei zu führen."

Justizminister Straw
"Labour-Brutus": Will Justizminister Jack Straw den Premier stürzen?Bild: dpa - Bildfunk

Nur meint Straw, was er sagt? Das Treue-Bekenntnis war nötig geworden, denn um Straw ranken sich Gerüchte. Er wird als "Labour-Brutus" gehandelt, als führendes Mitglied einer Verschwörungs-Gruppe. Ihr Ziel: Der Sturz des Premierministers Gordon Brown.

Labour vor der Zerreißprobe

Bei den am Montag (28.07.2008) im veröffentlichten Umfragen wurde das Labour-Elend noch einmal sichtbar: Nur 15 Prozent der Briten beurteilen die Arbeit der Regierung positiv. Nur noch 26 Prozent unterstützen Browns Labour Partei. Die konservativen Tories dagegen kämen bei Neuwahlen auf 45 Prozent.

Es hagelt Niederlagen

Vergangene Woche verlor die Partei haushoch im Wahlbezirk Glasgow-Ost, der als traditionelles Arbeiterviertel gilt. 19 Prozent an Stimmen büßte die Labour - trotz guter Kandidatin, starkem Wahlkampf und hoher Wahlbeteiligung. Im Wahlbezirk Henley in Südengland erreichte die Labour-Partei Ende Juni gerade drei Prozent aller Stimmen. Sie landete damit noch hinter der rechtsextremen britischen Nationalpartei auf Platz fünf. Bei den Kommunalwahlen Anfang Mai erzielte Labour das schlechteste Ergebnis seit vier Jahrzehnten. Sogar das Amt des Londoner Bürgermeisters verlor die Arbeiterpartei an die Konservativen.

"Atmosphärische Störungen"

Ex-Labour-Chef Tony Blair bei einer Rede in 2005. Quelle: dpa
Das waren goldene Zeiten für die Labour-Partei: Browns Vorgänger Tony BlairBild: dpa - Bildfunk

Gordon Brown ist jetzt erst einmal im Urlaub, an der Nordseeküste in Suffolk. Der Wettermann eines Londoner Senders nahm es mit Humor: "Es wird heiß im Königreich und zugleich sehr stürmisch mit atmosphärischen Störungen – besonders an der Küste von Suffolk." Es dürfte Browns letzter Badeurlaub als Regierungschef sein.

Dabei hatte der 57-jähige Nachfolger von Tony Blair noch vor einem Jahr die Menschen auf seiner Seite. Als er aus dem Machtkampf der Labour-Partei als Sieger hervorging, setzten die Briten große Hoffnungen auf ihn. Brown hätte sich durch vorgezogene Neuwahlen offiziell zum Premierminister wählen lassen können. Machte er aber nicht. Vielleicht aus Angst vor einer Niederlage. Er blieb als Übergangsposten im Amt, als Nachfolger Blairs, als zweiter Mann, der plötzlich auf erstem Posten sitzt. Das kritisieren viele jahrelange Labour-Anhänger. Brown sei eben nur zweite Wahl.

Kopflos in der Wirtschaftskrise

Kunden stehen Schlage vor bankrotter Hypothekenbank. Quelle: dpa
Die Insel in der Wirtschaftskrise: Kleinanleger stehen Schlage vor bankrotter HypothekenbankBild: picture-alliance/ dpa

Dabei braucht Großbritannien eine starke Führung. Die Insel steckt in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Hypothekenbanken mussten mit Milliarden vor dem Bankrott gerettet werden. Die Lebensmittel- und Energiepreise steigen wie überall. Die Inflationsrate ist mit 3,7 Prozent außergewöhnlich stark. Zeit für eine bessere Führung, meint die Opposition und fordert unaufhörlich Neuwahlen. Spätestens im Mai 2010 sind die gesetzlich vorgeschrieben. Aber "ich frage mich, ob wir das noch weitere 18 Monate ertragen", sagt David Cameron, konservativer Oppositionsführer, in Anspielung auf Browns Niederlagen. Cameron fordert Neuwahlen nach der Sommerpause. Nach aktuellen Umfragen könnten die Tories dann sogar eine Zweidrittel-Mehrheit erreichen.

Verfallsdatum überschritten

Brown wies vor seinem Urlaub noch einmal Rücktritts-Forderungen zurück: "Ich denke, dass es meine Aufgabe ist, weiter meine Arbeit zu tun und uns durch diese wirtschaftlich schweren Zeiten zu bringen", sagte er. Aber will das seine Partei? "Es gibt sehr aktive Diskussionen in einigen Kreisen, wie Brown überzeugt werden kann, bis zum Herbst zurückzutreten", berichtet die BBC. Brown-Gegner hätten bereits einen Brief an den Premier entworfen, mit der Forderung zurück zu treten, meldet "The Observer". Die britische Sonntagszeitung "The Times" schreibt: "In nur einem Jahr als Premierminister hat Gordon Brown den Punkt erreicht, an dem Margaret Thatcher erst nach elf Jahren angekommen war. Die Wähler haben genau hingeschaut und entschieden, dass sie nicht mögen, was sie da sahen. Und wenn Wähler einmal entschieden haben, dass ein Führer das Verfallsdatum überschritten hat, dann gibt es keinen Weg zurück."

Sturz nach der Sommerpause?

Außenminister Miliband
Außenminister Miliband wird als möglicher Nachfolger Browns gehandeltBild: AP

Die Labour-Partei steckt im Dilemma: Unternimmt sie nichts gegen den eigenen Chef, wird sie bei den Neuwahlen 2010 in die Bedeutungslosigkeit versinken. Handelt sie, hieße das, Brown öffentlich zu stürzen, sollte er freiwillig nicht gehen. Die Ablösung des Premiers sei "von einer Möglichkeit zur Wahrscheinlichkeit geworden", kommentiert der "Daily Telegraph". Und es könnte bald geschehen: Regierungskreise sprechen von Ende August, direkt nach der Sommerpause. Spätestens im September könnte es für Brown richtig eng werden: Dann ist Labour-Tag in Manchester - und dann dürfte der Premier erst recht massiv unter Druck stehen.

Die Gerüchteküche um einen möglichen Nachfolger kocht bereits. Neben Justizminister Straw wird auch Außenminister David Miliband als Kandidat gehandelt. Wenn der Labour-Partei nicht noch vorher das Geld ausgeht: Mehrere reiche Unterstützer zogen sich in den vergangenen Tagen zurück und kündigten an, nicht weiter für die Partei zu spenden. Und dass obwohl Labour gerade jetzt Schulden zurückzahlen muss, Millionenkredite vom letzten Wahlkampf. Ein neuer könnte unmittelbar bevorstehen.