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Gott und die Welt - Zum Reformationstag 2014

31. Oktober 2014

Immer wieder gibt es Verbindungen von Politik und Religion. Manchmal führen sie zu Konflikten. Beim Ende der DDR hatte die Kirche eine wichtige Rolle. Markus Witzemann beleuchtet dies für die evangelische Kirche.

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Deutschland Denkmal an den Reformator Martin Luther in Wittenberg
Martin Luther Denkmal in WittenbergBild: picture-alliance/dpa

Vertrauen in Gott - Verantwortung für die Welt. Gehören diese beiden Dinge zusammen? Oder ist das nur ein frommer Wunsch? Was kann denn Glaube schon bewirken? Und – ist das nicht eigentlich Privatsache? In diesem Spannungsfeld befindet sich das Themenjahr der Evangelischen Kirche 2014: Reformation und Politik. Ein Jahr lang, seit dem Reformationstag 2013, haben Menschen auf vielen Veranstaltungen in ganz Deutschland darüber nachgedacht, erinnert, diskutiert und gestritten. Und streitbar ist das Thema allemal.

Denn in den Ideen Martin Luthers und seiner protestantischen Mitstreiter lag und liegt sozialer Sprengstoff. Luther ging es in seinen berühmten Thesen zunächst einmal darum, zu trennen, was nach seiner Überzeugung nicht zusammen gehörte: Die politischen Herrscher hätten kein Recht, den Glauben der Menschen zu kontrollieren; die Kirche hätte kein Recht, das alltägliche Leben der Menschen zu kontrollieren. Denn der Zugang zu Gott stehe allen offen, kein Werk, auch keine Kirchenzugehörigkeit könne den souverän gnädigen Gott zu etwas zwingen. Allein der Glaube offenbare, was Kirche in der Vergangenheit verwaltet, manchmal auch verkauft habe.

Mit der Reformation war das spannungsreiche Verhältnis von Religion und Politik nicht beendet - ganz im Gegenteil. Einerseits führten religiöse Gründe zum schrecklichen 30-jährigen Krieg. Andererseits war die Reformation auch eine Grundlage für die Aufklärung, die sich gegen die Monarchie wandte. Und diese Spannung setzt sich fort bis in die Gegenwart.

Vertrauen in Gott – Verantwortung für die Welt. Wie das praktisch aussehen kann, welche politischen Konsequenzen der eigentlich doch persönliche Glaube haben kann, das sehe ich am Beispiel von Martin Luther King. Seine Überzeugung vom Wert jedes einzelnen Menschen machte ihn zur Schlüsselfigur des gewaltfreien Widerstands in den USA. Vor 50 Jahren, im September 1964, besuchte der Pastor einer evangelischen Freikirche das geteilte Berlin. Neben den historischen Schauplätzen West-Berlins, die ein Jahr zuvor auch John F. Kennedy aufgesucht hatte, reiste King aber auch in den Osten der Stadt, um dort zu den Menschen zu sprechen - gegen das Protokoll und ohne gültigen Reisepass. In zwei Kirchen in Berlin-Mitte sprach er von seinem Glauben daran, dass weder Hautfarbe noch politische Überzeugung, auch keine Mauer, die Menschen auf Dauer voneinander trennen könne.

Gedenktafel Besuch von Martin Luther King in Ost-Berlin 1964
Gedenktafel zum Besuch von Martin Luther King in Ost-Berlin 1964Bild: picture alliance/Schroewig/Bernd Oertwig

Es sollte noch 25 Jahre dauern, bis die Geschichte Martin Luther King in diesem Punkt Recht gab. Das Ende der deutsch-deutschen Trennung, das wir in zehn Tagen wieder feiern werden, zeigte auch, dass friedlicher Protest zum Einlenken der politischen Machthaber führen kann. Dabei waren es an vielen Stellen gerade Kirchen, die den Prozess der Veränderung unterstützten.

Viele Menschen in der DDR nahmen aufgrund ihres öffentlich gelebten christlichen Glaubens Nachteile und Schikanen auf sich, bis hin zur Überwachung durch Stasi und Inhaftierung. Einzelne Kirchen beherbergten Widerstandsgruppen und stellten Räume und Ressourcen zur Verfügung, um den Wandel „im Untergrund“ voran zu treiben. Es ging ihnen natürlich zunächst um ihr Recht, den eigenen Glauben ausüben zu können. Darüber hinaus traten und treten sie aber auch heute noch ein für Menschen, die benachteiligt werden, die ihr Recht nicht einklagen können, deren Stimme nicht gehört wird. Für Christen gehören Glaubensfreiheit und die Würde und Menschenrechte aller untrennbar zusammen

DDR - Friedensgebet in Nikolaikirche
Bürgerrechtler beim Friedensgebet am 09.10.1989 in der Nikolaikirche in LeipzigBild: picture-alliance/ ZB

Die Freiheit, in der wir heute leben können, verdanken wir den Menschen, deren Grundüberzeugung sie auf die Straßen trieb. Wo aber Kirche die Freiheit der jeweils anderen forderte, der „Problemkinder“ der Gesellschaft, auch der „Ungläubigen“, hat sie an dieser Freiheit mit gearbeitet. Da bin ich dann dankbar für alle, deren Vertrauen in Gott ihnen klar macht, dass sie eine Verantwortung für die Welt haben.

Zum Autor:

Markus Witzemann Berlin Rundfunkarbeit im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik GEP
Markus WitzemannBild: Christian Engels Evangelische Rundfunkarbeit

Jahrgang 1977, arbeitet als Journalist in Berlin. Er ist verheiratet mit Pastorin Nicole Witzemann. Gemeinsam sind sie Mitglied einer Baptistengemeinde in Berlin-Schöneberg. Dort engagiert sich Markus Witzemann in Öffentlichkeitsarbeit.

Verantwortlicher Redakteur: Pfarrer Christian Engels