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"Gottesteilchen" entdeckt?

4. Juli 2012

Wie erhalten die Grundbausteine der Materie ihre Masse? In der Elementarteilchen-Physik erklärt dies der "Higgs-Mechanismus" - nur der Beweis fehlt. Eine sensationelle Beobachtung könnte jetzt den Durchbruch bringen.

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Telchenbeschleuniger im CERN (Foto: CERN)
Bild: CERN

Wissenschaftler am europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf melden eine Sensation: Sie beobachteten ein Partikel, das bei der Erklärung der Elementarphysik eine grundlegende Bedeutung haben könnte. Möglicherweise handelt es sich um ein Higgs-Teilchen, das auf Deutsch auch als "Gottesteilchen" umschrieben wird. Es spielte nach herrschender Theorie eine zentrale Rolle bei der Entstehung des Universums nach dem Urknall.

Für die Wissenschaftler ist es das letzte noch fehlende Elementarteilchen, um das Standardmodell der Materie zu begründen. CERN-Sprecher Joe Incandela sagte in einem Internet-Video: "Wir haben ein neues Teilchen beobachtet". Sollte auch die klare Einordnung in das Wissenschaftsmodell gelingen, würde es sich um eine der bedeutendsten Entdeckungen der vergangenen Jahrhunderte handeln.

Die Projekt-Zukunft-Zuschauerfrage: Was ist das Higgs-Boson? # 24.04.2011 # Projekt Zukunft

Erklärung der Materie

Mit dem sogenannten Higgs-Mechanismus wird seit 1964 im Standardmodell der Elementarteilchen-Physik erklärt, wie die Teilchen - also die Grundbausteine der Materie - ihre Masse erhalten. Die Suche nach dem "Higgs-Boson" gehört zu den zentralen Aufgaben des LHC-Teilchenbeschleunigers (Large Hadron Collider) an der französisch-schweizerischen Grenze. Dort hat ein internationales Wissenschaftler-Team in den vergangenen Monaten eine Reihe von Experimenten vorgenommen. In einem 27 Kilometer langen Ringtunnel wurden LHC Protonen aufeinander geschleudert. Nun kam der Durchbruch.

Am Forschungszentrum CERN hieß es, die vorhandenen Daten zeigen "mit sehr hoher Signifikanz ein Teilchen bei 125 GeV" (Giga-Elektronenvolt). Die Forscher seien aber noch nicht hundertprozentig sicher, dass es sich um das Higgs-Teilchen handele. "Wir benötigen mehr Daten". Die bisherigen Aufzeichnungen zeigten aber "klare Signale von einem neuen Teilchen im Signifikanzbereich von fünf Sigma". Es sei schwer, nicht aufgeregt zu sein bei diesen Ergebnissen", sagte Cern-Forschungsdirektor Sergio Bertolucci.

Andere Experten lenkten das Augenmerk auf die Wortwahl der Forscher. Wenn von einer "Beobachtung" des Teilchens die Rede sei, heiße das nicht, dass dessen Existenz auch tatsächlich bestätigt worden sei, schrieb der US-Mathematik-Dozent Peter Woit in seinem Blog.

Die Illustration zeigt den Zerfall eines fiktiven Higgs-Boson (Foto: CERN/dapd)
So stellen sich die Forscher den Zerfall eines fiktiven Higgs-Boson vorBild: dapd

In einem versehentlich veröffentlichten Video hatte CERN-Sprecher Incandela zunächst von "einer der größten Entdeckungen" gesprochen, bevor er sich aber verbesserte und von "Beobachtungen" sprach. Eine wesentliche wissenschaftliche Bedeutung der "Beobachtung" ist aber unzweifelhaft.

Freude bei Higgs

Das Higgs-Teilchen ist nach dem britischen Physiker Peter Higgs benannt, der dessen Existenz bereits in den 1960er Jahren vorhergesagt hatte. Der heute 83-Jährige zeigte sich begeistert über die Ergebnisse aus Genf. Das sei ein "gewaltiger Erfolg" und "wirklich großartig": "Unglaublich, dass das zu meinen Lebzeiten passiert."

Der britischen Astrophysiker Stephen Hawking schlug vor, Higgs mit dem Nobelpreis auszuzeichnen. Er selbst verliere aber hundert Dollar, denn er habe gewettet, dass das Teilchen nie entdeckt werde, sagte er der BBC. Hawking ist als Autor des Bestsellers "Eine kurze Geschichte der Zeit" bekannt geworden.

Bundesforschungsministerin Annette Schavan gratulierte den Wissenschaftlern in Genf zur Entdeckung eines neuen Teilchens. In einer Erklärung hieß es, die Suche nach dem Higgs-Teilchen habe nun fast 50 Jahre gedauert, "aber nun könnte die Entdeckung gelungen sein". Die Ausdauer und Neugier der Wissenschaftler sei belohnt worden.

hp/det/gmf (rtr, afp, dpa, dapd)