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Glaube

Gottvertrauen

1. Juni 2018

Mit „Gottvertrauen“ geht vieles leichter. Doch wirklich auf „Gott vertrauen“, das wagen immer weniger. Dr. Ute Stenert von der katholischen Kirche über ein alltägliches Wort in seiner ganzen Tiefe.

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Symbolbild Demographischer Wandel
Bild: imago/blickwinkel

Eine Unterhaltung am Nebentisch, unlängst in einem Berliner Café: „Du hast eine Wohnung gekauft, ohne dass ein Gutachter sie geprüft hat? Was ist, wenn die Leitungen marode, das Dach undicht und die Wände feucht sind? Na, Du hast ja Gottvertrauen“, raunt der junge Mann seinem Freund zu.

Gottvertrauen, dieses Wort ist fest in unsere Alltagssprache integriert. Während die Männer am Nebentisch längst die Ergebnisse der Bundesliga vom Wochenende analysieren, denke ich darüber nach, was das eigentlich heißt: „Gottvertrauen“. Die Antwort ist zunächst so naheliegend wie simpel. Gottvertrauen meint im wahrsten Sinne Gott vertrauen. Und ich muss sofort an vergangen Freitag denken.

Vertrauen trotz „Warum?“

Dicht an dicht standen wir da in der Kirche. Kein Sitzplatz war mehr frei, bis zur Tür drängten sich viele Menschen. Der Anlass war ein zutiefst trauriger. In einem Wortgottesdienst gedachten wir unseres verstorbenen Freundes, eines jungen Familienvaters von 41 Jahren. Gerade vor sieben Monaten war er zum zweiten Mal Vater geworden. Zwei Tage nach der Geburt erhielt er die verstörende Nachricht über seine bösartige Erkrankung. Leid, Schmerz, Bangen und immer wieder Hoffen folgten. Vergeblich. Eine gemeinsame Freundin der Familie raunt mir in der Kirche zu: „Natürlich macht so eine furchtbare Krankheit bei niemanden Sinn. Und der frühe Tod schon überhaupt nicht. Aber hier trifft es den Allerfalschesten.“ Ich schaue auf den Sarg und nicke schweigend.

Auf die Frage nach dem „Warum?“ finden wir keine Antwort. Mit Gott hadern, sich von ihm abzuwenden aus Wut? Verzweiflung? Unglauben? Verstehen könnte ich es. Oder sich in seiner Bestürzung, seiner Angst, seiner Not und Hilflosigkeit Gott anvertrauen? Für mich ein tröstender Gedanke. Ich hoffe, dass dies auch für die Hinterbliebenen – die Ehefrau, die Kinder, die Familie und die Freunde des Verstorbenen – möglich ist. Gottvertrauen heißt: sein Leben ihm anvertrauen, auf seine Fürsprache und seine Gnade vertrauen. Und es bedeutet dann auch: vertrauen auf ein Leben, das über das irdische Dasein hinausweist.

Ein anderes Beispiel fällt mir ein: Barbara Auer, die bekannte Fernseh- und Filmschauspielerin, hat dies einmal so beschrieben: „Ich bin auf der Suche nach einer religiösen Heimat. In meiner Kindheit war Gott für mich der strafende, in der Jugend der ungerechte Gott. Nach dem Abitur bin ich aus der katholischen Kirche ausgetreten. Ich habe damals zu viele Menschen unter den Christen kennengelernt, die kleinherzig waren und intolerant.“1 Heute, so sagt sie, fehle ihr eine christliche Gemeinschaft. Gerne würde sie ihren jüngsten Sohn in einer solchen aufziehen und aufwachsen sehen: „Die Protestantische ist mir aber noch zu fremd.“

Vertrauen in das Göttliche

Und sie fährt fort: „Ich habe heute meinen persönlichen Glauben, und ich meine, dass dabei mehr Gottvertrauen habe als viele andere. Ich bin mit 43 Jahren noch einmal Mutter geworden. Als Kind habe ich oft in der Kirche das Wort Gnade gehört und wusste nichts damit anzufangen. Jetzt habe ich sie erfahren. Ich hatte mir so sehr noch ein Kind gewünscht, habe es jahrelang versucht, aber es wollte nicht klappen. Schließlich habe ich – wie immer es so schön heißt – losgelassen und habe mich in etwas hineinbegeben. Das kann man Gott nennen oder Universum, für mich war es ein Vertrauen in das Göttliche. Ich weiß nicht, womit ich dieses Kind verdient habe. Ich habe es mir so sehr gewünscht, und nun habe ich es bekommen.“

Gottvertrauen – das ist nicht naiv, das ist keine kindlich-unbekümmerte Einstellung. Gott vertrauen spiegelt, wie in beiden Beispielen angedeutet, eine zutiefst religiöse Haltung: „Glaube aber ist: Grundlage dessen, was man erhofft, ein Zutagetreten von Tatsachen, die man nicht sieht.“ (Hebr. 11,1)

1 Barbara Auer, „Ich hatte mir so sehr noch ein Kind gewünscht“, in: Dirk von Nayhauss, Maggie Riepl: „Ich glaube. Gedanken zu Gott und Religion“, Frankfurt am Main 2010, S. 16. 
 

Dr. Ute Stenert
Bild: Ute Stenert

Dr. Ute Stenert ist Rundfunkbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz und Geschäftsführerin der katholischen Rundfunkarbeit in Bonn. Seit über 20 Jahren ist sie freie Autorin für unterschiedliche Medien tätig.