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Gouverneurs-Ernennungen: Verfassungsgericht gibt Putin Recht

22. Dezember 2005

Das von Präsident Putin initiierte Verfahren zur Wahl der Gouverneure ist vom Verfassungsgericht abgesegnet worden. Geklagt hatte die oppositionelle Union rechter Kräfte. Sie warnt vor einem gefährlichen Präzedenzfall.

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Erfolg für PutinBild: AP

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte nach der Tragödie von Beslan einen Gesetzentwurf über das Verfahren zur Wahl der Gouverneure initiiert. Das Staatsoberhaupt beschloss, die Machtvertikale zu stärken. Das Gesetz wurde verabschiedet und später vor dem Verfassungsgericht Russlands angefochten. Geklagt hatten der Bewohner Tjumens, Wladimir Grischkewitsch, und 14 Vertreter von Regionalverbänden der Partei Union rechter Kräfte (SPS).

Die Anfrage bestand aus drei Hauptpunkten: Grischkewitsch klagte gegen das Recht des Präsidenten, den Regionalparlamenten Kandidaten für das Amt des Gouverneurs zur Billigung vorzuschlagen. Die SPS klagte gegen die Vollmacht des Staatsoberhaupts, Gouverneure zu entlassen und Regionalparlamente aufzulösen, falls sie zwei Mal einen vorgeschlagenen Kandidaten ablehnen.

Verfassungsgericht als Anwalt Putins?

Am Mittwoch (21.12.) stellte das Verfassungsgericht Russland fest, das Wahlverfahren der Gouverneure verstoße nicht gegen die Verfassung des Landes. Kläger Wladimir Grischkewitsch zeigte sich empört, dass das Verfassungsgericht das Verfahren zur Ernennung von Gouverneuren durch den Präsidenten als verfassungsgemäß betrachtet. Er sagte, die letzte Gerichtsinstanz in Russland habe ihre Unabhängigkeit verloren. Ihm zufolge hat sich das Verfassungsgericht mit dieser Entscheidung zum Anwalt des Präsidenten gemacht.

Grischkewitsch erklärte: „Das Gericht hat mit seinem Urteil deutlich gemacht, dass das vorliegende Gesetz das Recht der Bürger abschafft, sich bei freien Wahlen zum Gouverneur wählen zu lassen und Gouverneure zu wählen. Es erkennt an, dass das Gesetz das Wahlrecht der Bürger einschränkt. Auf diese Weise hat das Verfassungsgericht, indem es politische Fragen der Staatsmacht löst, die Bürgerrechte direkt und entgegen der Verfassung eingeschränkt.“

Gefährlicher Präzedenzfall

Der Sekretär des Föderalen politischen Rates der SPS, Boris Nadeschdin, hat mit diesem Urteil des Verfassungsgerichts gerechnet. Ihm zufolge war es dem Kreml äußerst wichtig, dass die höchste Gerichtsinstanz des Landes das neue Wahlverfahren eindeutig legitimiert. Das Verfassungsgericht habe, so Nadeaschdin, einen beispiellosen Schritt unternommen.

Nadeschdin sagte: „Erstmals seit 1993 wurde ein Präzedenzfall geschaffen, wo das Verfassungsgericht die Auslegung der Verfassung ändert, wo das Verfassungsgericht seine rechtlichen Positionen revidiert. 1996 hatte das Verfassungsgericht unter Berufung auf konkrete Bestimmungen der Verfassung Folgendes schriftlich erklärt: Die Ernennung der Gouverneure oder die Erteilung von Befugnissen durch das Parlament der Region entspricht nicht diesen und jenen Artikeln der Verfassung. Eine Reihe von Artikeln wurde angeführt. Neun Jahre später ändert das Verfassungsgericht seine Position in dieser Frage. Es nennt andere Artikel der Verfassung und stellt dabei fest, dass das Verfahren diesen Artikeln entspricht. Das ist ein sehr gefährlicher Präzedenzfall.“

SPS setzt auf Regionalparlamente

Die SPS will sich nicht geschlagen geben und beabsichtigt, sich im Frühjahr wieder an das Verfassungsgericht zu wenden. Außerdem, wie der Vorsitzende des Föderalen politischen Rates der SPS, Nikita Belych, sagte, hoffe die SPS auf die Unterstützung durch die Regionalparlamente, weil es um ihren Erhalt gehe. Im März kommenden Jahres sollen in neun Regionen Russlands Wahlen stattfinden.

Druck seitens der Präsidentenadministration?

Die Kläger erklärten, das Verfassungsgericht sei seitens der Präsidentenadministration unter Druck gesetzt worden. Informationen anonymer Quellen zufolge soll Putin sich Anfang Dezember mit einigen Richtern des Verfassungsgerichts getroffen haben. Nach Abschluss der Verhandlungen hinter verschlossenen Türen soll er ihnen für die Stärkung des Staates gedankt haben. Von 19 Richtern, die das Urteil fällten, lehnten zwei das Urteil ab. Der Verfassungsrichter Anatolij Kononow erklärte, das Urteil verstoße gegen die Menschenrechte und das Prinzip der Gewaltenteilung.

Oksana Jewdokimowa, Moskau

DW-RADIO/Russisch, 21.12.2005, Fokus Ost-Südost