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Grüne wollen 2013 an die Macht

25. November 2011

Auf ihrem Parteitag in Kiel blicken die Grünen auf das erfolgreichste Jahr in ihrer Geschichte zurück. Im Bund will die Partei künftig wieder mitregieren - auch mit unpopulären Forderungen wie Steuererhöhungen.

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Bundesdelegiertenkonferenz von Buendnis 90/Die Gruenen (Foto: David Hecker/dapd)
Bild: dapd

Das Jahr 2011 bekommt bei den Grünen das Gütesiegel "besonders erfolgreich": Bei allen Wahlen konnten sie deutlich zulegen. Erstmals sind sie in allen 16 Landesparlamenten vertreten, in fünf Bundesländern regieren sie mit. Den größten Erfolg erzielten die Grünen im wirtschaftsstarken Baden-Württemberg: Dort verdrängten die einstigen Öko-Rebellen die Konservativen aus der Regierung und brachten einen der ihren an die Landesspitze: Winfried Kretschmann.

Der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands regiert seit dem Frühjahr zusammen mit den Sozialdemokraten. Für die Grünen ist dieser Erfolg eine logische Konsequenz aus ihrem jahrelangen Bemühen um Authentizität, Bürgernähe und Umweltschutz. "Das zeigt, dass Ökonomie und Ökologie zusammen gefunden haben", sagte Parteichefin Claudia Roth zu Beginn des Parteitags. Schon die Nennung des Namens von Winfried Kretschmann löste Jubel bei den Delegierten aus.

Rudern statt segeln

Bundesvorsitzende Claudia Roth (Foto: Markus Hibbeler/dapd)
Bundesvorsitzende Claudia RothBild: dapd

Bei aller Freude bleibt für Selbstbeweihräucherung aber wenig Zeit: Das sei ein Arbeitsparteitag und keine Jubelveranstaltung, gab die Parteispitze den Ton für das dreitägige Treffen in Kiel vor. Zumal die Umfragen die Grünen aus luftigen Höhen wieder auf den Boden der Realität geführt haben: Demoskopen sehen sie bei Werten um die 15 Prozent. "Rudern statt segeln" heißt die Devise für die kommenden zwei Jahre - und auch für die Delegierten, die sich an den Abenden jeweils bis Mitternacht durch unzählige Anträge ackern.

Wohin die Mühen der Ebene führen sollen, steht längst fest: Die Grünen wollen im Bund an die Macht, sie wollen ab 2013 wieder mitregieren. "Die schwarz-gelbe Bundesregierung muss weg, sie hat auf ganzer Linie versagt", rief Parteichefin Roth den Delegierten zu. In der Außenpolitik sei Deutschland kein kluger und weitblickender Akteur mehr. Innenpolitisch beute die Regierung den Staat aus, um die eigene Klientel zu bedienen. Scharf kritisierte Roth die geplanten Steuersenkungen in Höhe von sechs Milliarden Euro: In Zeiten hoher Staatsverschuldung sei das unverantwortlich und "ein Überlebens-Package für die siechende FDP".

Auf der Suche nach zündenden Themen

2011 war auch in anderer Hinsicht für die Grünen ein bemerkenswertes Jahr: Eines ihrer Top-Themen kam ihnen abhanden. Versenkt vom politischen Gegner, der CDU von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die beschloss nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima, auch in Deutschland alle Atomkraftwerke abzuschalten. Genau das hatten die Grünen jahrzehntelang gefordert. Nach einer kurzen Schockstarre reklamierten sie die ideelle Vorarbeit für diese Kehrtwende für sich und stimmten der Regierungsvorlage zum Atomausstieg zu.

Damit ist zwar ein Hindernis für eine mögliche Zusammenarbeit von CDU und Grünen beseitigt, aber thematisch muss Ersatz her, zumindest in der Außenwirkung. Der Kieler Parteitag gibt die Richtung vor: In der Finanz- und Wirtschaftspolitik wollen sich die Grünen stärker profilieren. Dazu gehören auch unpopuläre Forderungen wie die nach einem höheren Spitzensteuersatz und weiteren Steuererhöhungen. Die Grünen wollen damit zeigen, dass sie solide wirtschaften können. Sie sehen ihre Finanzpolitik im Kontrast zur "Verschuldungsorgie" der jetzigen Bundesregierung.

Konkurrenz für das grüne Establishment

Auch die Piraten versetzten den Grünen in diesem Jahr einen Schrecken: Die unkonventionelle Partei der Internet-Nutzer zog ins Berliner Landesparlament ein und luchste dabei auch den Grünen Stimmen ab. Das schmerzte umso mehr, als sich die Grünen in der Hauptstadt in diesem Jahr nicht mit Ruhm bekleckerten und ihr Ziel klar verfehlten, an die Regierung zu kommen.

"Ihr seid alt", riefen die Piraten den Grünen zu, die nun rasch ihre Forderungen zur Netzpolitik entstauben und in größeren Buchstaben aufschreiben. Und ähnlich wie die Piraten eifrig neue Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung erproben. Das alles sei schon lange geplant gewesen, heißt es dazu etwas verbissen in der Parteispitze. Bei der Basis schwingt deutlich erkennbar Respekt vor den ambitionierten Computerfreaks mit, die zur politischen Konkurrenz werden könnten.

Für ein NPD-Verbot

Der Parteitag beschäftigt sich auch mit dem Für und Wider eines NPD-Verbots. Parteichefin Roth befürwortete ein neues Verbotsverfahren und forderte die Abschaltung der V-Leute des Verfassungsschutzes. "Sie sind und bleiben Nazis und keine demokratischen Informanten." Ein NPD-Verbot sei präventiver Opferschutz. Zu Beginn ihrer Rede verlas Roth die Namen der zehn mehrheitlich türkischen Opfer der Thüringer Terrorzelle. Es sei schändlich, dass aus diesen Opfern in der Vergangenheit Täter gemacht worden seien, so Roth. "Das waren keine Döner-Morde, das waren Nazi-Morde."

Autorin: Nina Werkhäuser

Redaktion: Dirk Eckert