1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Grünes Spitzenduo wiedergewählt

20. November 2010

Die Grünen haben auf ihrem Parteitag in Freiburg ihre Parteivorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir für weitere zwei Jahre in ihren Ämtern bestätigt. Dabei erzielte Özdemir ein deutlich besseres Ergenis als Roth.

https://p.dw.com/p/QELi
Die beiden Bundesvorsitzenden der Grünen Claudia Roth und Cem Özdemir beim Parteitag in Freiburg (Foto: dapd)
Cem Özdemir und Claudia RothBild: dapd

Die beiden neuen Parteichefs der Grünen sind auch die alten: Claudia Roth bekam 79,3 Prozent der Stimmen, somit erhielt die 55-Jährige ein knapp schwächeres Resultat als 2008. Damals war sie auf 82,7 Prozent gekommen. Cem Özdemir erhielt 88,5 Prozent der Stimmen. 2008 hatte er 79,2 Prozent erreicht.

Claudia Roth, die den linken Flügel ihrer Partei vertritt, bildet seit 2004 mit wechselnden Partnern das Führungsduo der Grünen. Auch zwischen 2001 und 2002 stand sie schon an der Spitze der Partei. Cem Özdemir, der den Realo-Flügel repräsentiert, wurde 2008 als erster Parteichef türkischer Herkunft in Deutschland an die Spitze der Grünen gewählt. Nun bilden beide für weitere zwei Jahre die Doppelspitze der Grünen.

Emotional und mit Hingabe

Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, hält eine Rede, die auf einem Bildschirm übertragen wird (Foto: dpa)
Claudia Roth stimmte die Delegierten auf ein intensives Wahljahr 2011 einBild: picture-alliance/dpa

Claudia Roth polarisiert wie kaum eine andere Politikerin in Deutschland. Mit ihrer Mischung aus kämpferischen Schlagworten und oft farbenfrohem Outfit zieht sie aber häufig auch Spott auf sich. Für manche ihrer Gegner wirkt sie wie ein rotes Tuch. Emotional und mit Hingabe tritt sie für Menschenrechte und gegen Rassismus ein. Sie fühlt sich wie wenige Grüne in Unterhaltungsshows ebenso wohl wie in Debatten über Atompolitik.

Bekannt wurde Roth, die zuerst Theaterdramaturgin war, als Managerin der linken Rock-Band "Ton, Steine, Scherben". 1985 kam sie als Pressesprecherin zur Grünen-Bundestagsfraktion. Vier Jahre später wurde sie ins Europa-Parlament gewählt und blieb zwei Legislaturperioden. 1998 wechselte sie in den Bundestag und wurde 2001 an die Parteispitze gewählt. Den Vorsitz verlor sie allerdings wegen der damals geltenden Unvereinbarkeit von Amt und Mandat Ende 2002. Zwei Jahre später rückte sie dann doch wieder an die Spitze.

Unaufgeregter Schwabe

Cem Özdemir wirkt im Gegensatz zu Roth unaufgeregt. Der 44-Jährige wuchs im schwäbischen Bad Urach in einer türkischstämmigen Zuwandererfamilie auf. Zu den Grünen kam er mit 15 Jahren. Der gelernte Erzieher war während der rot-grünen Regierung zwischen 1998 und 2002 innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag. Dann stolperte Özdemir über die Privatnutzung von Vielflieger-Rabatten.

Nach einem Stipendium in den USA und der Heirat mit einer Argentinierin wurde er 2004 Abgeordneter des Europaparlaments. Nach einigem Zögern gab der Vater einer kleinen Tochter 2008 die Bewerbung für den Bundesvorsitz seiner Partei bekannt.

Roth: 2011 wird unser Jahr

Die beiden Bundesvorsitzenden der Grünen Claudia Roth und Cem Özdemir umarmen sich (Foto: dpa)
Eine große Mehrheit der rund 700 Delegierten bestätigte das Führungsduo Roth/ÖzdemirBild: picture-alliance/dpa

Vor ihrer Wahl hatten Roth und Özdemir ihre Partei auf einen intensiven Wahlkampf im kommenden Jahr eingeschworen, und sie aufgerufen, die neuen politischen Gestaltungsmöglichkeiten aktiv zu nutzen. Der Partei dürfe wegen der guten Umfragewerte nicht Angst und Bange werden, sondern müsse "die Arme weit aufmachen", sagte Özdemir. Roth rief den Delegierten zu: "Wir können es schaffen, dass 2011 das erfolgreichste Jahr in unserer Parteigeschichte wird."

Roth hatte in ihrer Bewerbungsrede außerdem die Angriffe gegen Union und FDP verschärft. Sie sei überzeugt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Jahr 2013 abgewählt werden wird. "Ich rede von der Schande unseres Landes - und die heißt Schwarz-Gelb." Özdemir versprach verstärkte Anstrengungen für Aufstiegschancen auch ärmerer Kinder: "Wir halten fest an dem Traum, dass unsere Kinder länger gemeinsam lernen."

Nein zur Abschaffung der Gewerbesteuer

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast jubelt im Kreis der Delegierten (Foto: dapd)
Spielt bei kommenden Wahlen 'auf Sieg und nicht auf Platz': Grünen-Fraktionschefin Renate KünastBild: dapd

Eines der wichtigsten Themen auf dem Parteitag in Freiburg, den die etwa 750 Delegierten noch bis Sonntag fortsetzen, waren die Kommunalfinanzen. Die Grünen warnten die schwarz-gelbe Koalition vor einer Abschaffung der Gewerbesteuer durch die Hintertür. Durch die Pläne der Koalition drohten Städte und Gemeinden immer mehr auszubluten. Ohne eine finanzielle Stärkung der Kommunen sei das Gemeinwohl in Gefahr, mahnte Özdemir. Der Parteitag beschloss auch eine Reform der Grundsteuer, wodurch Bauten auf der "grünen Wiese" außerhalb der Städte unattraktiver werden sollen. Für Leistungen, die durch Bundes- oder Landesgesetze festgelegt werden, sollen die Kommunen laut Grünen-Beschluss auch finanzielle Mittel erhalten.

Die Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast, konterte auf die scharfen Attacken der Union gegen die Grünen als "Dagegen-Partei": "Lassen wir die anderen, die über uns schwadronieren, rechts liegen." Der baden-württembergische Spitzenkandidat Winfried Kretschmann sagte, mit Plattitüden über die Grünen werde bald Schluss sein. "Wenn man etwas anderes will, steht am Anfang immer ein Nein." Solche Vorwürfe trügen zu Politikverdrossenheit bei - gebraucht würden aber neue Brücken der Politik zur Gesellschaft. Kretschmann warb zudem für eine klare Absage an das Milliarden-Bahnprojekt Stuttgart 21: "Der Stopp ist schwierig, aber er ist notwendig und erfordert Mut - und den bringen wir mit." Unter dem Jubel der Delegierten beschloss der Parteitag einen entsprechenden Antrag bei nur einer Enthaltung.

Autorin: Pia Gram (dpa, dapd, rtr, afp)
Redaktion: Thomas Grimmer