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Banken gerettet, Milliarden verloren

Jannis Papadimitriou3. Dezember 2015

Die Rekapitalisierung griechischer Banken ist erfolgreich - hat allerdings Nebenwirkungen: Milliardenverluste für die Steuerzahler und zweifelhafte Eigentumsverhältnisse.

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Griechenland Öffnung der Banken in Athen
Bild: Getty Images/M. Bicanski

Der jüngste Spruch des griechischen Finanzministers Eukleid Tsakalotos zur Bankenrettung wird vermutlich in die Annalen der Schuldenkrise eingehen: "Wir sind Opfer unseres eigenes Erfolgs", erklärte Athens oberster Kassenwärter am Rande eines Treffens der Euro-Finanzminister im November - und meinte damit, dass die Banken aufgrund reger Nachfrage nach ihren Aktien schneller als ursprünglich geplant und mit weniger staatlicher Hilfe neues Eigenkapital aufbauen könnten.

Allerdings hat die eilig organisierte Bankenrettung ihre Tücken: Um möglichst schnell möglichst viele Investoren anzulocken, haben angeschlagene Banken in Hellas im sogenannten Reverse-Split-Verfahren mehrere Anteilsscheine zu einer einzigen Aktie zusammengefasst und diese zum Schleuderpreis verkauft. Hatte etwa der steuerfinanzierte Athener Rettungsfonds HFSF bei der letzten Rekapitalisierung vor zwei Jahren noch 4,29 Euro für einen Anteilsschein der National Bank of Greece ausgeben müssen, waren diesmal für Privatinvestoren nur zwei Cent für eine Aktie fällig.

Vereinfacht lautet die Devise: Hundert neue Aktien zum bisherigen Preis einer einzelnen Aktie. Entsprechend verlieren alle Bankenpapiere an Wert, die der öffentliche Rettungsfonds HFSF derzeit als Alteigentümer besitzt.

Milliardenverluste für den Staat

"Der Staat und die Steuerzahler verlieren 30 Milliarden Euro" empört sich die Athener Wochenzeitung To Vima. Das Verfahren und der daraus resultierende Schaden seien durchaus vergleichbar mit dem Rückgriff auf die Bankeinlagen Zyperns im Jahr 2013, rügt das Blatt. Allerdings würden auf Zypern in erster Linie die eigenen Kunden zur Rettung der Banken herangezogen, während in Griechenland die Steuerzahler haften.

Kostas Stoupas, Ökonom und Analyst im Wirtschaftsportal Capital.gr, erklärt den Sachverhalt im Gespräch mit der DW wie folgt: "Mit knapp sieben Milliarden Euro konnten Privatinvestoren in den vergangenen Tagen rund zwei Drittel des Aktienkapitals aller Systembanken ergattern. Sowohl der Staat, als auch diverse Privatinvestoren hatten in früheren Rekapitalisierungsrunden 37 Milliarden zur Verfügung gestellt, die jetzt praktisch verloren sind."

Alternativloses Handeln

Allerdings gäbe es auch keine Alternative zu dieser Vorgehensweise, gibt Stoupas zu bedenken. Oder anders formuliert: Die Alternative wäre lediglich, Griechenland hätte sich im Jahr 2015 nicht auf das Abenteuer aufeinanderfolgender Wahlen eingelassen und das Vertrauen in die Gesundung des Bankensystems dadurch nicht gefährdet, meint der Ökonom.

Die Links-Rechts-Regierung in Athen sieht das natürlich anders. Sie behauptet, die jüngste Rekapitalisierungsrunde in Hellas sei keine Folge politischer Instabilität und nur deshalb nötig gewesen, weil frühere Kapitalerhöhungen nicht erfolgreich gewesen seien. Mit anderen Worten: Die früher regierenden Konservativen und Sozialisten seien schuld.

Politischer Streit

Für die Oppositionsparteien wiederum ist die Bankenrettung ein Skandal wegen Verschleuderung öffentlicher Gelder, vor allem aber deshalb, weil die griechischen Kreditinstitute angeblich zur leichten Beute ausländischer Spekulanten würden.

Im Gespräch mit der DW erklärt der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Miltos Kyrkos seine Sicht der Dinge: "Nachdem die griechischen Banken 2013 mit Steuergeldern rekapitalisiert wurden, hielt der Staat immerhin 80 Prozent der Anteile an jedem Kreditinstitut. Nun pumpen wir weitere Steuermilliarden hinein und verlieren trotzdem über Nacht die Kontrolle über unser Bankensystem. Als wäre das nicht schon genug, veräußert man die Banken an Hedge-Fonds, nämlich ausgerechnet an diejenigen, die Linkspolitiker früher einmal als Markt-Geier zu verschreien pflegten."

Selbst die wirtschaftsliberale Abgeordnete und Ex-Außenministerin Dora Bakoyannis schlägt kritische Töne an. Nach der jüngsten Rekapitalisierungsrunde sei der Wert des Staatsanteils an den griechischen Banken von 25 Milliarden Euro auf einen Tiefstand von 500 Millionen gefallen; damit würden die Kreditinstitute völlig entwertet und zudem "enthellenisiert", moniert Bakoyannis in einer parlamentarischen Anfrage.

Von dieser Rhetorik des Wirtschaftspatriotismus hält der Ökonom Kostas Stoupas wenig. "In einer modernen, global verknüpften Wirtschaft, agieren die Unternehmen ohnehin international. Nicht die Herkunft des Kapitals ist entscheidend, sondern die Frage, ob der Kapitalgeber sich an Recht und Gesetz hält", erläutert der Analyst.

Athener Börse im Minus

Die umstrittene Rettung der Kreditinstitute belastet nicht zuletzt die ohnehin krisengebeutelte Athener Börse. Erst ab dem 14. Dezember sollen die nach erfolgter Rekapitalisierung erworbenen Aktien zum Verkauf angeboten werden, möglicherweise zum Schleuderpreis.

Schon jetzt liegen die Werte der Altaktionäre deutlich im Minus; an bestimmten Tagen stürzen einzelne Bankaktien sogar um bis zu 30 Prozent ab. "Das war natürlich zu erwarten", sagt Analyst Kostas Stoupas. "Viele Altaktionäre versuchen derzeit, ihre Papiere zu einem einigermaßen vernünftigen Preis loszuwerden, bevor die neuen Aktionäre mit ihren günstig erworbenen Aktien ins Geschäft einsteigen. Deshalb geht der Bank-Index deutlich ins Minus und ich glaube, nach unten ist noch viel Raum.‟