1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Pandemie-Streit in Griechenlands Kirche

15. Januar 2021

Der griechisch-orthodoxe Klerus schwankt zwischen Ablehnung und Akzeptanz der Corona-Schutzmaßnahmen. Die Bischöfe wollen bei wichtigen staatlichen Entscheidungen mitreden - und polarisieren so die Gesellschaft.

https://p.dw.com/p/3nxXa
Eine orthodoxer Gläubige berührt am am Karfreitag (26. April) 2019 ein Kruzifix im Penteli-Kloster in der Nähe von Athen. Orthodoxe Christen auf der ganzen Welt feiern am Sonntag, 28. April, Ostern
Eine Gläubige berührt ein Kruzifix: Ein Teil griechischen Kleriker glaubt, dass Religion vor Corona-Infektionen schütztBild: picture-alliance/AP/Y. Karahalis

Haben drei griechische Fernsehsender Anfang Januar "Fake News" verbreitet, mit denen sie "die Religion verunglimpfen"? Dagegen protestierte jedenfalls der "heilige Synod", die kollektive Führung der griechisch-orthodoxen Kirche, am Mittwoch (13.1.) beim Nationalen Rundfunkrat Griechenlands (ESR).

Tatsächlich hatten die TV-Anstalten die Rebellion des orthodoxen Klerus gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen anlässlich des Epiphaniasfests am 6. Januar kritisiert. Normalerweise wird die Kirche, die in Griechenland für einen laizistischen Staat außergewöhnlich stark ist, höchstens in Printmedien derart angegriffen. Der größere Teil des Medienpublikums, die TV-Konsumenten, bleibt von solcher "Blasphemie" also meist verschont. Deshalb fühlen sich die Kleriker nun angegriffen und versucht zurückzuschlagen - und bei der Gelegenheit auch den innerkirchlichen Streit über den Umgang mit der Pandemie unter den Teppich zu kehren.

Griechenland Vereidigung der neuen Regierung unter dem konservativen Premierminister Kyriakos Mitsotakis mit Vertretern der orthodoxen Kirche am 9. Juli 2020
Griechisch-orthodoxe Kleriker bei der Vereidigung der neuen Regierung unter Premier Kyriakos Mitsotakis am 9.7.2020Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Noch Anfang des Jahres waren sich alle griechischen Bischöfe einig gewesen: Am 6. Januar hatten sie trotz des offiziellen Verbots alle Kirchen für die Gläubigen geöffnet. "Wir zeigten Ungehorsam und die Regierung zeigte Toleranz", fasste Metropolit Athinagoras, der Sprecher des heiligen Synod, anschließend zusammen.

Uneinig waren sich die Bischöfe allerdings darüber, wie weit sie in ihrem Ungehorsam gehen sollten. In den meisten Kirchen wurden die Corona-Schutzmaßnahmen einigermaßen respektiert. In manchen jedoch ignorierte man sie demonstrativ - weil man sich während der heiligen Messe nicht anstecken kann oder weil der Glaube vor allen Krankheiten schützt, wie ein Teil der Bischöfe und Priester behaupteten. Folglich bekamen die Gläubigen bei der heiligen Kommunion das Abendmahl mit ein- und demselben Löffel verabreicht, so wie es in der orthodoxen Kirche seit jeher üblich ist. Und küssten anschließend die Hand des Priesters.

Kirchliche Gleichgewichtsübungen

Da die zweite Welle der Pandemie in Griechenland viel tödlicher ist als die erste, wütet nun der innerkirchliche Streit um den Umgang mit Corona immer schlimmer. "Moderne" stehen gegen "Traditionalisten", "Rationale" gegen "Visionäre". Neben Corona geht es auch um den Machtkampf um die Nachfolge des Erzbischofs Hieronymos, der alt und gebrechlich ist und zudem zwischenzeitlich auch noch an COVID-19 erkrankt war.

Das Bild des Jahres 2020: Sargträger in Corona-Schutzausrüstung platzieren in in Thessaloniki, Griechenland, am 3. Dezember 2020 einen Sarg in einem Grab auf einem Friedhofsgelände das für Patienten ausgewiesenen wurde, die an der Coronavirus-Krankheit (COVID-19) gestorben sind
Die zweite Corona-Welle ist viel tödlicher als die erste: Beerdigung eines mit COVID-19 Verstorbenen in ThessalonikiBild: Alexandros Avramidis/REUTERS

Dabei versucht die griechisch-orthodoxe Kirche, einen Mittelweg zu finden zwischen uralten religiösen Ritualen, der moralischen Unterstützung von Gläubigen und dem Schutz der Gesundheit. Nicht immer mit Erfolg. Denn viele Bischöfe und Priester denken, dass "die Gesetze Gottes über den menschlichen Gesetzen wirken", wie der Metropolit von Korfu, Nektarios, immer wieder öffentlich betont.

Ein Priester macht nicht mit

Im Gegensatz zu Nektarios und ähnlich gesinnten Klerikern unterbrach ein Priester in Kalamata am 6. Januar den Gottesdienst, weil einige Gläubige keine Maske tragen wollten. "Diejenigen, die keine Maske tragen, werden aus der Kirche gehen. Respektiere deine Mitmenschen und das Gesetz. Einwände können Sie bei sich zuhause erheben, nicht hier", so der Priester. Die Szene wurde mit einem Mobiltelefon aufgezeichnet, das Video wurde im Netz schnell ein viraler Hit. Die meisten Nutzer-Kommentare waren positiv - aber es gibt auch viele Gläubige, die das Masken-Tragen für antichristlich halten. Und die Impfung für ein Werkzeug des Teufels.

Arbeiter laden Spezialkartons mit Impfdosen des Pfizer/BioNTech-Impfstoffs gegen das Coronavirus am 29.12.2020 auf einem Transporter am Flughafen von Thessaloniki, Griechenland.
Ein Werkzeug des Teufels? Ankunft von Impfdosen des Pfizer/BioNTech-Impfstoffs in Thessaloniki am 29.12.2020Bild: Giorgos Konstantinidis/ANE/Eurokinissi/picture alliance

Der Metropolit von Kythera, Serafim, zum Beispiel, referierte kürzlich eine international weit verbreitete Verschwörungstheorie: "Impfstoffe werden mit den Produkten von Abtreibungen hergestellt. In unserem Körper wird dieses Material, das von getöteten Embryonen stammt, weitergegeben, um aus uns posthumane, mutierte Menschen, also Menschen-Roboter zu machen. Wir Orthodoxe können so etwas nicht akzeptieren." In Anspielung auf einen Satz des Heiligen Nikiforos des Aussätzigen betonte er, die beste Medizin gegen das Coronavirus sei nicht die Imfpung sondern die heilige Kommunion.

Impfung vor der Kamera

Serafim gibt jedoch nicht den Ton in der griechisch-orthodoxen Kirche an. Der heilige Synod bezog sich auf Aussagen von Wissenschaftlern, als die Bischöfe am Mittwoch (13.01.2021) erklärte, die Impfstoffe gegen Corona enthielten weder Embryonen noch deren Zellmaterial. Die Entscheidung über eine Impfung sei "weniger ein theologisches oder kirchliches Thema, sondern hauptsächlich ein medizinisch-wissenschaftliches und eine freie persönliche Wahl jeder Person in der Kommunikation mit ihrem Arzt, ohne dass die Impfung eine Abkehr vom richtigen Glauben und Leben ist".

Coronakrise: Eine leere orthodoxe Kirche in Athen, Griechenland während des Lockdowns im April 2020
Manche Kleriker halten sich an die Corona-Maßnahmen: Leere Kirche in Athen während der Lockdowns im April 2020Bild: DW/O. Gill

Bereits Ende Dezember, als die ersten Impfstoffe in Griechenland ankamen, ließ sich der Metropolit von Nafpaktos und Agios Vlasios, Hierotheos, vor laufender Kamera impfen. Er betonte dabei, dass dank der Impfstoffe die Lebenserwartung von Menschen steige.

Sind Einweglöffel eine Sünde?

Im Großen und Ganzen sind sich die Bischöfe der Risiken durch die Pandemie bewusst. Sie konferieren online und versuchen, ihre eigene Gesundheit zu schützen, besonders, nachdem zahlreiche kirchliche Würdenträger an COVID-19 erkrankten und einige sogar starben. Dennoch scheint es, als könnten die Kleriker nicht über ihren eigenen Schatten springen. Sie behaupten vehement, dass man sich während der heiligen Kommunion nicht anstecken könne. Die "Rationalen" haben Angst, eine Alternative zum gemeinsamen Löffel zu präsentieren - als ob Einweglöffel eine Sünde seien.

Trotz vieler Streitpunkte eint die meisten Bischöfe eines: Sie wollen unbedingt mitreden, wenn der griechische Staat Entscheidungen trifft. Egal, ob diese mit der Corona-Krise zu tun haben, mit den Feierlichkeiten für den 200. Jahrestag der griechischen Revolution von 1821 oder mit den Beziehungen zu Nordmazedonien: Der griechisch-orthodoxe Klerus missbraucht seinen Einfluss auf die Gläubigen und setzt letztlich immer wieder Regierungen unter Druck. Was das das angeht, gab es in der Kirchenführung nie Dissenz.

Foto-Porträt einer Frau mit braunen Haaren, blauen Blazer und grauem T-Shirt
Kaki Bali Autorin DW Griechisch