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"Alles Notwendige für die Rückführung getan"

Panagiotis Kouparanis3. April 2016

Der Sprecher des Flüchtlings-Krisenstabes der griechischen Regierung mahnt die EU-Partner, bei der Rückführung der Flüchtlinge in die Türkei zu helfen. In Griechenland werden weiterhin kaum Asylanträge gestellt.

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Flüchtlinge im Hafen von Piräus (Foto: Reuters/A.Konstantinidis)
Ungewisses Schicksal: Flüchtlinge im Hafen von PiräusBild: Reuters/A.Konstantinidis

Deutsche Welle: Am Montag soll von den griechischen Inseln die Rückführung von Migranten in die Türkei starten. Welche Botschaft will die griechische Regierung damit senden?

Giorgos Kyritsis: Die Botschaft sendet die EU und nicht die griechische Regierung. Die griechische Regierung implementiert eine Vereinbarung der EU mit der Türkei, deren praktischer Teil zu unserem Bedauern auf griechischem Boden vollzogen wird.

Hat Griechenland all die notwendigen Schritte unternommen, damit die Rückführung auch tatsächlich starten kann?

All das, was Griechenland auf legislativer und verwaltungstechnischer Ebene umsetzen musste, hat sie getan. Das gilt mit einigen Einschränkungen auch für die nötige Infrastruktur in der Asylbearbeitung und den Asylverfahren. Aber je mehr ausländische Experten aus den EU-Staaten in Griechenland die Arbeit aufnehmen, um so besser wird das ganze Verfahren vonstatten gehen. Die griechische Seite hat das ihrige getan, damit am Montag die Rückführung beginnen kann. Wenn auch die anderen Partner, die EU und die Türkei, bereit sind, dann werden an diesem Tag die ersten Migranten von den griechischen Inseln an die türkische Küste gebracht werden.

Es klingt, als hätten sie Zweifel an der Bereitschaft ihrer Partner?

Giorgos Kyritsis (Foto: DW/Panagiotis Kouparanis)
Giorgos Kyritsis, Sprecher des Flüchtlings-Krisenstabes der griechischen RegierungBild: DW/P. Kouparanis

In der Vereinbarung mit der Türkei ist beschlossen worden, dass rund 2400 Experten aus den EU-Staaten nach Griechenland kommen, um den Rückführungsprozess zu unterstützen. Bislang sind es einige hundert Polizisten die für die europäische Grenzschutzorganisation Frontex zum Einsatz kommen. Von den Asylrichtern und Asylbearbeitern ist kaum einer da.

Am 7. April soll ein mehrtägiges Pilotprojekt durchgeführt werden, mit dem die Zusammenarbeit der ausländischen Experten mit den griechischen Behörden in den Asylverfahren eingeübt werden soll. Mal schauen, was daraus wird. Dessen ungeachtet gilt aber, dass der Asylprozess eine Angelegenheit ist, die in die nationale Souveränität eines Staates fällt. Deshalb werden die Entscheidungen über die Asylanträge eine griechische Unterschrift tragen. Das heißt, die ausländischen Experten werden eine unterstützende Rolle haben.

Sie beklagen, dass bislang zu wenige Experten nach Griechenland gekommen sind. Damit sie kommen, muss sie doch jemand einfordern.

Grundlage für den Einsatz der Experten ist die Vereinbarung der EU mit der Türkei. Es gibt einen EU-Koordinator, den Niederländer Maarten Verwey, und es gibt das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO). Beide sind beauftragt, in dieser Frage tätig zu werden.

Von der Rückführung in die Türkei sind all diejenigen Migranten betroffen, die nach dem 20. März aus der Türkei gekommen sind und keinen Asylantrag in Griechenland gestellt haben. Können sie garantieren, dass keiner zurückgebracht wird, der um Asyl nachgesucht hat?

Die Vereinbarung in dieser Frage ist klar. Sollte es dennoch einen Fall geben, dass jemand zurückgeführt wird, obwohl er Asyl beantragt hat, dann wäre das ein ernster Fehler.

Wer entscheidet eigentlich, wer in die Türkei zurück muss?

Die griechischen Behörden erfassen all diejenigen, die keinen Asylantrag gestellt haben und Frontex übernimmt die Rückführung.

Es ist kaum nachvollziehbar, warum jemand, der viel Geld aufbringen musste und mitunter auch sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, um nach Griechenland zu kommen, hier kein Asyl beantragt und sich stattdessen wieder in die Türkei bringen lässt. Haben sie eine Erklärung?

Das macht mich auch ratlos. Es ist eine Tatsache, dass die Flüchtlinge kein Asyl

in Griechenland beantragen. Laut einer Studie trifft das für fast 98 Prozent derjenigen zu, die bis zum 20. März gekommen waren. Ich schätze, die über 4000 Migranten, die nach diesem Stichtag kamen, haben eine ähnliche Einstellung.

Flüchtlinge protestieren im Flüchtlingslager in der Nähe von Idomeni (Foto: Reuters/M. Djurica)
Flüchtlinge in Idomeni hoffen doch noch auf die Öffnung der Grenze nach MazedonienBild: Reuters/M. Djurica

Wie erklären sie sich, dass auch nachdem die Grenzen nach Westeuropa geschlossen wurden, immer noch Flüchtlinge nach Griechenland kommen?

Zum einen hängt das mit der Verzweiflung der Menschen zusammen und ihrem Versuch, sich an irgendetwas zu klammern. Sie wollen es nicht wahrhaben, dass sie, nachdem sie Tausende von Kilometern zurückgelegt haben, auf einmal vor einer geschlossen Grenze stehen. Der andere Faktor sind die Schleußer, die an den Flüchtlingen verdienen wollen und sie deshalb falsch informieren.

Wie werden die Flüchtlinge in Griechenland über den tatsächlichen Sachverhalt informiert?

Dass geschieht auf den Inseln und in den Aufnahmelagern mittels Dolmetscher und mit Broschüren. Überdies haben wir beim öffentlichen Rundfunk Radio- und Fernsehsendungen auf Arabisch.

Es gab viel Kritik in der EU über die Entscheidung Flüchtlinge in die Türkei zurückführen. Für Amnesty International ist sie kein sicherer Drittstaat. Ist für die griechische Regierung die Türkei ein sicherer Staat für Flüchtlinge?

Die griechische Regierung hält keinen Staat von vornherein für sicher. Deshalb wird weder die Türkei noch ein anderer Staat in dem neuen Flüchtlingsgesetz erwähnt. Jeder Asylantrag wird einzeln begutachtet. In dem einen Fall mag ein Staat für den einen sicher sein, für einen anderen aber nicht.

Nicht überall in Europa sind die Flüchtlinge freundlich aufgenommen worden. Wie ist die Stimmung in Griechenland?

Wir sind stolz oder besser gesagt erleichtert, dass trotz der sehr vielen Flüchtlinge, die das Land passierten, es zu keinen Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Migranten gekommen ist. Es gab keine Toten, kein einziger musste ins Gefängnis wegen ausländerfeindlichen Delikten. Wir sind stolz auf die Solidarität, die das griechische Volk zeigt, trotz der tief greifenden Wirtschaftskrise seit sechs Jahren. Die griechische Regierung vertritt in Europa, mit Ausnahme der deutschen Regierung, die solidarischsten und humansten Positionen in der Flüchtlings- und Migrantenfrage.

Der 51-jährige Giorgos Kyritsis ist Journalist. Seit einigen Wochen ist er Sprecher des Flüchtlings-Krisenstabs der griechischen Regierung, der die Arbeit von Ministerien und Behörden koordiniert.

Das Gespräch führte Panagiotis Kouparanis