1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Rüge für Syriza-Kritiker

Jannis Papadimitrou10. April 2016

Der Disziplinarrat der Athener Mediengewerkschaft ESIEA geht gegen Medienvertreter vor, die 2015 für ein JA beim griechischen Referendum plädierten. Ihnen wird "Propaganda" vorgeworfen. Jannis Papadimitrou berichtet.

https://p.dw.com/p/1ISlk
Griechenland Referendum Freude in Athen
Bild: picture-alliance/dpa/Y. Kolesidis

Stamatis Malelis, Fernsehdirektor des TV-Senders Skai, ist ein politikbewusster Journalist, der als Quotenbringer im hart umkämpften griechischen Fernsehmarkt gilt. Malelis ist nicht frei von politischen Ambitionen - er hat die sozialdemokratische Partei DIMAR mitbegründet. Doch sein politisches Engagement geht manchen zu weit. Das zeigt die jüngst bekanntgewordene Entscheidung des Disziplinarrats der Mediengewerkschaft ESIEA.

Dieser schloss Malelis für 18 Monate von der Gewerkschaft aus. Die Begründung: Er habe vor dem Referendum über das griechische Sparprogramm im Juli 2015 "Propaganda für das JA betrieben" und "unwahre Tatsachen" verbreitet. Zwei weitere Skai-Journalisten wurden mit milderen Sanktionen bestraft. Vier prominente Vertreter anderer Medien sollen "öffentlich zurechtgewiesen" werden - mit einer Rüge, die in ihrer Redaktion am schwarzen Brett ausgehängt wird. Die Urteile des ESIEA-Disziplinarrates wurden noch vor ihrer offiziellen Veröffentlichung bekannt und lösen nun eine politische Debatte aus.

Regierungspartei will Berichterstattung überprüfen

Zur Erinnerung: Im Streit um das griechische Hilfsprogramm hielt Regierungschef Alexis Tsipras ein Referendum über die Sparvorgaben der Geldgeber ab. Mit 61 Prozent der Stimmen erreichte das "Nein"-Lager um Tsipras einen Sieg. Anschließend appellierte die Regierungspartei Syriza an den griechischen Rundfunkrat (ESR), er solle die Berichterstattung aller Medien zur Volksabstimmung im Nachhinein auf ihre Ausgewogenheit überprüfen.

Griechenland Premierminister Alexis Tsipras
Regierungschef Aleksis Tsipras: "Unser Volk wird Nein sagen!"Bild: picture alliance/Photoshot

Daraufhin leitete sowohl die Staatsanwaltschaft, als auch der Disziplinarrat der Journalistengewerkschaft ESIEA ein Verfahren gegen Medienvertreter ein, die sich besonders kritisch über das Referendum äußerten. Der Staatsanwalt stellte seine Ermittlungen rasch ein. Doch der Journalistenverband zog Konsequenzen und rügte nun Journalisten. Der Hauptbestrafte - Skai-Direktor Melalis - nennt die Entscheidung des Disziplinarrates "autoritär" und betont, dass sie "nur mit knapper Mehrheit von drei zu zwei Stimmen" erreicht wurde. "Die drei, die gegen uns stimmten, wurden von der Regierungspartei indoktriniert", sagt Malelis im Gespräch mit der DW und erhebt damit schwere Vorwürfe gegen den Journalistenverband.

Kontroverse Rügen

Die zuständige Vorsitzende des Disziplinarrates, Angeliki Gypaki, will die Entscheidungen nicht kommentieren. Sie dürfe es nicht, zumal noch nichts offiziell veröffentlicht wurde - erklärt sie auf Nachfrage der DW. Sie selbst unterstütze die Rede- und Meinungsfreiheit aller Bürger und erst recht ihrer Journalistenkollegen, versichert sie.

Griechenland Finanzkrise Referendum Volksabstimmung Euro Europa EU Finanzen Wirtschaft
Nur knapp 39% der Wähler stimmten mit "Ja", also für die internationalen SparvorgabenBild: Reuters/Alexandros Avramidis

Wer hat also das Verfahren nach dem Referendum angestoßen? "Es gab damals ungefähr 300 Beschwerden von Journalisten und einfachen Bürgern bei der Gewerkschaft ESIEA. Daraufhin mussten wir tätig werden“, erläutert Gypaki.

Auch der ESIEA-Chef Stamatis Nikolopoulos drückt sich um einen Kommentar. Der Disziplinarrat agiere als unabhängiges Gremium und unterliege keinerlei Weisungen. Nikolopoulos betont im DW-Gespräch, die Mitglieder des Disziplinarrates würden von den Journalisten selbst gewählt. "Ich glaube nicht, dass politische Parteien bei ihnen intervenieren", sagt er.

"Willkommen in Nordkorea"

Die Betroffenen empfinden es anders. Fakt ist, dass die Mediengewerkschaft ausschließlich Syriza-kritische Journalisten rügte. Malelis hält die Vorwürfe, die man ihm und seinen Kollegen gegenüber stellt, für haltlos. Die Gerügten sollen entgegen journalistischen Grundsätzen fast ausschließlich dem Ja-Lager eine Bühne gegeben haben. "Das Gegenteil sei der Fall gewesen", sagt der Skai-Direktor - „In vielen Sendungen kamen die Nein-Kräfte bei uns länger zu Wort, da sie besser organisiert waren. Es gab etwa kein Unterstützungskomitee für das Ja-Lager, wohl aber für die Gegenseite".

Auch die Rüge des Skai-Radiomoderators Aris Portosalte hält Malelis für unbegründet. Der Moderator hat seine Zuhörer vor dem Referendum gern mit starken Sprüchen begrüßt. "Willkommen in Nordkorea", sagte er gelegentlich bei der Begrüßung in seiner Morgensendung. Unerhört - findet der Journalistenverband, auch wenn derlei ironische Wendungen im griechischen Radio nicht unüblich sind.

Griechenland Demonstration Referendum in Thessaloniki
Selten waren die Griechen so gespalten wie vor dem Referendum im Juli 2015Bild: DW/A. Kalaitzi

Die Gerügten werfen der Mediengewerkschaft selbst politische Parteinahme vor. "Es wurde kein Journalist gerügt, der für das Nein-Lager Stimmung machte", sagt der Fernsehdirektor von Skai. "Kein einziger von all denjenigen, die uns als Verräter oder Wachsoldaten der Deutschen beschimpft haben, die uns als Gehilfen von Schäuble bezeichneten und uns damals mit dem Galgen drohten".

Eine "stalinistische" Mentalität?

Aus einer Debatte über das journalistische Handwerk wird zunehmend ein politischer Streit. Paschos Mandravelis, ein Kommentator der Zeitung Kathimerini wirft der Mediengewerkschaft sogar "eine stalinistische Mentalität" vor. Eine linke Ideologie habe den Journalismus in Griechenland lange Zeit in Geiselhaft genommen, donnert der bekennende Liberale.

Und der gerügte Skai-Fernsehdirektor Malelis betont: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen". Er will sich auch in Zukunft den Mund nicht verbieten lassen. "Ich bleibe weiterhin an der Seite eines Volkes, das leidet und ich werde weiter kämpfen, damit diese Regierung zurücktritt." Stamatis Malelis will Einspruch gegen die Disziplinarentscheidung einlegen. "Wenn nötig, auch vor europäischen Gerichten", sagt er.