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Griechenland: Waldbrände werden zum Wahlkampfthema

30. August 2007

Am 16. September wird in Griechenland ein neues Parlament gewählt. Die Waldbrände sind zum Thema des Wahlkampfes geworden. Umfragen zufolge muss die Regierung einen Stimmenverlust fürchten. Kommt es zur Protestwahl?

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Waldbrände geben auch der Politik ZunderBild: AP

Das Inferno der Waldbrände in Griechenland ist zum Politikum geworden. Die Intensität der Polemik zwischen den regierenden Konservativen und den oppositionellen Sozialisten (PASOK) nimmt von Tag zu Tag zu. "Wir Griechen werden gedemütigt durch das Unvermögen der Regierung, das Leben unserer Mitbürger zu beschützen", sagte der Chef der PASOK, Giorgios Papandreou, während der in die Kritik geratene konservative Minister für öffentliche Ordnung, Vyron Polydoras, von Verschwörungstheorien gegen den Staat spricht.

Debatte um Verantwortung

Ersten Umfragen zufolge ist der zweiprozentige Vorsprung der regierenden Nea Demokratia vor PASOK auf 0,8 Prozent zusammengeschrumpft. Die Bürger äußerten scharfe Kritik an den Unzulänglichkeiten des Staatsapparates und somit der Regierung, sagt Elias Katsoulis, Professor für Politikwissenschaft an der Athener Universität: "Diese Waldbrände haben Entsetzen in der griechischen Öffentlichkeit hervorgerufen. Es ist klar, dass die Regierung der Nea Demokratia die Verantwortung für dieses Inferno trägt, und deswegen wird sie bei den bevorstehenden Wahlen die Quittung dafür bekommen. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass zuvor die Sozialisten 20 Jahre lang dieses Land regiert haben und die Tatsache, dass der Staatsapparat in diesem desolaten Zustand ist, ist auf ihre Regierungszeit zurückzuführen."

Kommt es zur Protestwahl?

Der siegessichere konservative Premier Kostas Karamanlis muss jetzt fürchten, dass der Urnengang am 16. September zu einer Protestwahl gegen ihn wird. Allerdings ist das Ausmaß der Stimmen, die verloren gehen könnten, noch offen. Ein Untergang für die Nea Demokratia werde es wohl dennoch nicht werden, denn der harte Kern ihrer Wähler betrage immerhin etwa 35 Prozent, meint Bambis Papadimitriou, Politik-Analyst des Athener Rundfunk- und TV-Senders SKAI: "Die Mehrheit der Bürger ändert nicht leicht ihre Wahlpräferenz. Dazu wird es nicht kommen. Dies trifft eher bei den so genannten unentschlossenen beziehungsweise den Wechselwählern zu." Die ließen sich Zeit, um ihre Wahlentscheidung zu treffen. "Also diese ‚last minute Wähler‘, deren Anteil in der Wählerschaft relativ klein ist, wird wohl von der negativen Stimmung für die Regierung beeinflusst. Das heißt, die Regierung von Karamanlis befindet sich in einer sehr schwierigen Situation, denn ihr Vorsprung war bei den letzten Umfragen sehr klein", so Papadimitriou.

Folgen für die Wahlbeteiligung

Doch auch die PASOK überzeuge die unentschlossenen und kritischen Wähler als Alternative nicht, meinen Beobachter. So stellt sich die Frage, in welche Richtung die Proteststimmen fließen werden. Werden die kleinen Parteien, also die Kommunisten, die Linke Allianz oder die Rechtspopulisten von LA.O.S (Völkische Orthodoxe Sammlung) die Nutznießer der Katastrophe sein? Elias Katsoulis verweist auf das Wahlsystem: "Im Grunde haben wir in Griechenland ein Zweiparteiensystem. Die kleinen Parteien sind viel zu schwach, um die Herrschaft der großen etablierten Parteien wirklich in Frage zu stellen. Die einzige reelle Gefahr, die ich sehe, ist das Fernbleiben der Wähler von den Urnen, dass also große Teile der Wähler dadurch ihren Missmut zum Ausdruck bringen."

Einen Rückgang der Wahlbeteiligung schließt auch Jorgos Karelias nicht aus. Der Politikredakteur der linksliberalen Tageszeitung Eleftherotypia vermutet kleine, aber für das Wahlergebnis entscheidende Stimmenverluste der regierenden Nea Demokratia an die rechtspopulistische LA.O.S: "Es ist durchaus möglich, dass sich ein Teil der Nea Demokratia-Wähler aus Protest an die LA.O.S.-Partei wendet. Dies wurde bei den bisherigen Umfragen ersichtlich. Es handelt sich aber um eine kleine Anzahl von Wählern."

Brandstifter als Bedrohung für den Staat

Indessen ordnete ein leitender Staatsanwalt eine Untersuchung an, ob das vorsätzliche Entfachen eines Waldbrands als terroristischer Akt oder als organisiertes Verbrechen eingestuft werden kann. Ministerpräsident Kostas Karamanlis hatte in den vergangenen Tagen angedeutet, dass viele Brände absichtlich gelegt wurden. Der Minister für öffentliche Ordnung, Vyron Polydoras, sprach sogar von einer "asymmetrischen Bedrohung" gegen den Staat.

Die Sozialisten reagierten sofort. Der Oppositionsführer Giorgios Papandreou warf Polydoras vor, "asymmetrischen Unsinn" zu verbreiten. So nehme die parteipolitische Instrumentalisierung der verheerenden Waldbrände und die Polarisierung zu, und somit der Unmut der Wähler, meint der Politikwissenschaftler Katsoulis: "Die politische Kultur Griechenlands scheint sich nicht wesentlich verändert zu haben in den letzten dreißig Jahren, in denen wir eine demokratische Regierungsform haben. Unsere politische Kultur bleibt konfliktreich. Leider ist in Griechenland noch nicht der Begriff des Konsensus erfunden worden".

Stamatis Assimenios
DW-RADIO/Griechisch, 29.8.2007, Fokus Ost-Südost