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Griechenlandkrise

2. Dezember 2011

Es ist nicht die Millionen- sondern die Milliardenfrage: Kann Griechenland aus der Krise finden? Ja, sagen Experten und Politiker in Berlin - mithilfe von außen, eigenen Anstrengungen und mehr Zeit für die Reformen.

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Soldaten der griechischen Präsidentengarde (Foto:dapd)
Bild: dapd

Griechenlands Weg aus der Krise wird eine schmerzliche Anpassungsphase von einem Jahrzehnt brauchen. Während dieser Zeit werden die Löhne sinken, die Arbeitslosigkeit wird steigen. Diese Einschätzung von Ansgar Belke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung wurde auch von anderen Teilnehmern einer Tagung der Südosteuropa-Gesellschaft in Berlin geteilt.

Ansgar Belke von der Universität Duisburg-Essen (Foto: Ansgar Belke)
Ein schmerzliches Jahrzehnt für Griechenland erwartet Ansgar BelkeBild: Ansgar Belke

Besonders schmerzlich für die Menschen in Griechenland ist die laufende erste Phase des Konsolidierungsprozesses, in der es um die Reduzierung der Haushaltsschulden geht. Kurzfristig bieten sich dafür nur Fiskalmaßnahmen an: Steuern und Abgaben werden erhöht, staatliche Investitionsausgaben, Rentenbezüge und Beamtengehälter dagegen werden gekürzt. Alleine die Löhne der öffentlich Bediensteten sind in den letzten eineinhalb Jahren um bis zu 40 Prozent gesunken.

Diese fiskalischen Instrumente können allerdings nur kurzfristig angewandt werden, denn auf Dauer entziehen sie der Wirtschaft Kaufkraft. Wenn das, wie im Falle Griechenlands, nicht mit einer Steigerung der Ausfuhren kompensiert werden kann, dann kommt es zu Betriebsschließungen und Entlassungen. Schon jetzt befindet sich das Land in einer tiefen Rezession. Die Arbeitslosigkeit ist auf über 18 Prozent gestiegen, während die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um mehr als sieben Prozent zurück gehen könnte.

Was tun?

Prof. Andreas Freytag, Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Universität Jena (Foto: DW)
Gelddrucken funktioniert nicht: Andreas FreytagBild: DW

Normalerweise würde ein Staat in dieser Situation die Notenpresse in Gang setzen und frisches Geld in Umlauf bringen, so der Jenaer Wirtschaftsprofessor Andreas Freytag, ein Experte für Investitionsfragen. Dadurch könnten Firmen mit Krediten versorgt werden und der Staat selbst wäre in der Lage, mit Strukturprogrammen und Investitionshilfen für Privatunternehmen die Wirtschaft anzukurbeln. Das kann aber Griechenland nicht tun, weil es gemeinsam mit anderen Staaten einer Währungsunion angehört: der Eurozone. Und das bedeutet auch, dass es seine Währung nicht abwerten kann, um auf diese Weise Produkte und Dienstleistungen, die im Land hergestellt und erbracht werden, günstiger anbieten zu können.

Dr. Jens Bastian von der außenpolitischen Stiftung Eliamep (Foto: privat)
Griechenland kommt voran: Jens BastianBild: privat

Fragen der griechischen Haushaltskonsolidierung sind das Spezialgebiet von Jens Bastian, Mitglied der "Task Force für Griechenland" der Europäischen Kommission. Sie hat die Aufgabe, in Zusammenarbeit mit den griechischen Ministerien deren Arbeit effektiver zu gestalten. Bastian bescheinigt Griechenland große Fortschritte beim Versuch, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Folge dieser Anstrengungen ist aber, dass keine Gelder für öffentliche Investitionen zur Verfügung stehen. Hinzu komme, dass griechische Banken kaum noch Kredite an Unternehmen vergeben und ausländische Privatanleger sich mit Investitionen in Griechenland zurückhalten. Das Investitionsklima in Griechenland behagt ihnen nicht: zu wenig Rechtssicherheit, zu viel Korruption, mangelnde Zahlungsmoral des griechischen Staates für erteilte Aufträge.

Um diese Mängel zu beseitigen, sind die jetzt angelaufenen Reformprogramme wichtig. Aber warum sollte jetzt etwas gelingen, was bislang jedes Mal schon im Ansatz nicht gelungen ist? Weil nicht nur Griechenland, sondern auch andere Staaten der Eurozone große Schwierigkeiten haben, Kreditgeber zu finden, sagt Andreas Freytag auf einer Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung. "Und weil alle diese Staaten unter dem gleichen Druck stehen, wird es der jeweiligen nationalen Regierung mit Hinweis auf die anderen leichter fallen, Reformen gegen einheimische Interessensgruppen durchzusetzen."

Überforderung ist kontraproduktiv

Tassos Giannitsis, griechischer Innenminister (Foto: DW)
Chancen wurden vertan: Tassos GiannitsisBild: DW

Einer, der das schon vor zehn Jahren in Griechenland versucht hat, ist der heutige Innenminister des Landes, Tassos Giannitsis. Als Arbeits- und Sozialminister hatte er einen Gesetzesentwurf für eine Reform des Rentensystems eingebracht. Sie scheiterte am massiven Widerstand der Gewerkschaften. "Wäre dieses Gesetz damals beschlossen worden", so Giannitsis auf der Tagung der Südosteuropa-Gesellschaft, "dann wären heute Hunderttausenden von Menschen in Griechenland viele schmerzliche Lohn- und Rentenkürzungen erspart worden." Giannitsis, der neben seiner Wirtschaftsprofessur vor einigen Wochen noch Präsident der Erdölgesellschaft Hellenic Petrolium war, ist sowohl für strenge Kontrolle der Regeln in der Eurozone als auch für eine striktere Haushaltsdisziplin. Ohne Wenn und Aber bekennt er sich zu den Reformmaßnahmen und Zielen, die mit dem Kreditpaket für Griechenland verbunden sind, das am 27. Oktober von den Ländern der Eurozone beschlossen wurde. Allerdings glauben sowohl Giannitsis als auch Jens Bastian, dass der Zeitrahmen für die Umsetzung der Reformen zu eng angesetzt wurde. Beide geben zu bedenken, dass dieser Prozess soziale Konflikte hervorrufen wird. Es komme darauf an, sie vernünftig auszutragen, will man die Gesellschaft auf dem Weg des Strukturwandels mitnehmen. Giannitsis und Bastian plädieren für einen pragmatischeren Ansatz.

Die Frage ist nur, werden sich IWF, EZB und Europäischer Kommission darauf einlassen?

Autor: Panagiotis Kouparanis
Redaktion: Henrik Böhme