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Großeltern sind gefragte Stütze in den Familien

Wolfgang Dick 2. Juni 2015

Erzieher streiken seit Wochen für mehr Lohn. Kindertagesstätten bleiben geschlossen. Der Streit schwelt in der vierten Woche weiter. Berufstätige Eltern suchen verstärkt Betreuungshilfe - auch bei Großeltern.

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Großmutter spielt mit Enkel Ball. Foto: Gordon Grand
Bild: Fotolia/GordonGrand

Zwei Drittel aller über 60-jährigen Menschen in Deutschland sind Großeltern. Mehr als die Hälfte von ihnen betreut Enkelkinder regelmäßig für mehrere Stunden. 90 Prozent der Opas und Omas ist diese Aufgabe wichtig. Für ihre Enkel geben sie zwischen 22 und 30 Milliarden Euro aus. Dies sind Angaben des Deutschen Zentrums für Altersfragen (DZA), einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid und einer Altersübersichtsstudie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Vieles sieht nach diesen Zahlen zunächst gut aus und entspricht ein wenig dem Bild, das die Werbeindustrie gerne von der Generation der so genannten "Best-Agers", der agilen und fitten älteren Generation zeichnet. Allzeit bereit und finanziell unabhängig. Danach könnten Großeltern eine Hilfe sein, wenn Kindertagesstätten ausfallen. Tatsächlich wendet sich die junge erziehende Generation gerne an ihre Eltern. Es gibt keine Berührungsängste. Wobei es zumeist die Großmütter sind, die sich in der Kinderbetreuung engagieren.

Entfernungen prägen die Wirklichkeit

Haushalte mit mehreren Generationen unter einem Dach sind in Deutschland selten geworden. Nach jüngsten Bevölkerungsstatistiken wohnen Großeltern nur noch in einem Prozent der Haushalte mit ihren Kindern und Enkeln zusammen. Die Mehrheit der Familien lebt von den Großeltern mehr als 50 Kilometer entfernt. Je höher die Bildung und je besser der Job der Eltern, umso weiter die Distanzen. Näher wohnen vor allem betagtere Großeltern, die aber körperlich nicht mehr so viele Reserven haben.

Großvater sitzt mit Enkelkind am Bootsteeg. Foto: Fotolia
Nicht immer so nah -Großeltern und ihre EnkelBild: Fotolia/MAK

Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) in München hat in seinen Studien "Aufwachsen in Deutschland – Alltagswelten" dazu festgestellt, dass Kinder, die innerhalb von 15 Minuten von ihren Großeltern zu erreichen sind, immerhin auf eine Betreuungsquote von fünfzig Prozent kommen. Schon bei einer Entfernung von mehr als einer Stunde betreuen Opa und Oma nur noch in acht Prozent der Fälle ihre Enkel.

"Seit Jahren verändert sich die Betreuungsquote durch Großeltern nicht", stellt der Soziologe Christian Alt vom Deutschen Jugendinstitut fest. Fast 25.000 Personen wurden im Auftrag seines Instituts befragt. Ergebnis: Nur ein Drittel aller Kinder werden tatsächlich von Großeltern betreut. Der Grund sind neben den Wohnungsentfernungen weitere gesellschaftliche Entwicklungen.

Immer mehr Großeltern sind "zu jung"

Großmutter wird man in Deutschland im Durchschnitt mit 52 Jahren, Großvater mit 55. Die Angehörigen dieser Generation sind damit in einem Alter, in dem sie noch mitten im Berufsleben stehen. Sie können damit den Enkeln in ihren ersten Jahren nur selten länger beistehen. Die Anforderungen in der Arbeitswelt sind hoch und steigen weiter. Das Problem wird sich künftig verstärken. Wegen der Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre werden künftige Großeltern noch mehr abwägen, ob und inwieweit sie beruflich zurückstecken können. Es drohen in dem Fall deutliche Kürzungen in der Rentenhöhe, die in Kauf zu nehmen wären, wenn man zum Beispiel die Enkel betreuen möchte. Hinzu kommt, dass sich das Selbstverständnis der Frauen gewandelt hat. Jüngere Großmütter wollen ihre Freizeit selbstbestimmt gestalten. Enkelbetreuung stellt für sie nicht mehr eine Selbstverständlichkeit dar, so die Sozialforscher.

Zwei ältere Damen spielen mit Kleinkindern Foto: Uli Deck, dpa
Gemeinsame Erfahrungen stärken beide GenerationenBild: picture-alliance/dpa
Oma liest kleinem Mädchen ein Buch vor
Nur ein Drittel der Kinder erlebt Betreuung durch GroßelternBild: Fotolia/Herby ( Herbert ) Me

Rolle der Großeltern wichtig

Obwohl nur ein Drittel der Kinder unter sechs Jahren von Oma und Opa mitversorgt wird, sind die Großeltern - nach den Eltern und den Erziehern im Kindergarten - die wichtigsten Betreuungspersonen. "Enkel und Großeltern lieben und schätzen sich", sagt Walter Bien vom Deutschen Jugendinstitut. Sein Kollege Christian Alt bestätigt die Bedeutung der älteren für die jüngere Generation: "Traditionen und andere Werte werden erlebt, die eigenen Eltern noch einmal neu gesehen." Rund achtzig Prozent der heute Erwachsenen bestätigen, dass sie als Kind durch Großeltern positive Erfahrungen gemacht haben und durch sie geprägt wurden.

Nach den Umfragen und Forschungsprojekten sehen auch über 90 Prozent der Großeltern die Betreuung ihrer Enkel als Bereicherung an. Der Kontakt halte jung. Um ihn noch mehr zu fördern, gab es in der Politik immer wieder den Vorschlag, ein Betreuungsgeld für Großeltern einzuführen – zusätzlich zur Rente. Bis jetzt hat sich dies nicht durchsetzen können. Dafür gibt es einige Entscheidungen von Finanzgerichten, die anerkennen, wenn Fahrtkosten der Großeltern zu ihren Enkeln von der Steuer abgesetzt werden. Der Ruf nach den Großeltern als Ersatzhelfer für bestreikte Kindertagesstätten wird für die meisten Eltern dennoch weiterhin unerfüllt bleiben.