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Gropius-Bau zeigt gesamte Gurlitt-Sammlung

13. September 2018

Der spektakuläre Kunstfund bei Cornelius Gurlitt hat Deutschland fast 70 Jahre nach Kriegsende nochmals an seine Verantwortung aus der Nazi-Zeit erinnert. Nun sind die Sammlung und ihre Geschichte in Berlin zu sehen.

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Das Gemälde "Porträt einer jungen Dame" hängt in der Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt" im Berliner Gropius Bau.
Bild: picture alliance/dpa/R. Hirschberger

Der Fund, der später als Schwabinger Kunstfund in die Geschichte eingehen sollte, war spektakulär: Mehr als 1500 Kunstwerke wurden 2013 bei dem Eigenbrötler Cornelius Gurlitt, dem zurückgezogen in München und Salzburg lebenden Sohn des Nazi-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, beschlagnahmt.

Die Presse stand Kopf: Ein "milliardenschwerer Nazischatz" wurde vermutet, von einem "Jahrhundertfund" war die Rede. Die Bilder standen im Verdacht, NS-Raubkunst zu sein, auf ihnen lastete der Schatten der NS-Vergangenheit.

"Bestandsaufnahme Gurlitt" in Berlin zeigt erstmals gesamte Sammlung

Seitdem sind international Wissenschaftler damit beschäftigt, in Kleinstarbeit die Herkunft all dieser Objekte zu recherchieren. Nach Jahren der Begutachtung durch Experten werden die lang geheim gehaltenen Werke jetzt in Berlin erstmals im kompletten Überblick gezeigt.

Nach zwei Einzelschauen in Bern und Bonn bietet der Berliner Martin-Gropius-Bau von Freitag (14.09.2018) an sowohl einen Blick auf die Nazi-Aktion "Entartete Kunst" als auch auf die perfide Geschichte des NS-Kunstraubs.

Erneut sind wichtige Werke von Dürer bis Monet, von Cranach bis Kirchner, von Cézanne bis Rodin zu sehen. Sie machen die Bandbreite der Sammlung deutlich, die Gurlitts Vater Hildebrand als einer der wichtigsten Kunsthändler der Nazis zusammentragen konnte.

Noch wichtiger aber ist der Blick hinter die Kulissen. Mehr als bisher rücken die Schicksale der meist jüdischen Opfer in den Fokus, wie Rein Wolfs, Intendant der Bundeskunsthalle und Kurator der Ausstellung, vor der Eröffnung sagte. Sein Haus hat die Schau gemeinsam mit dem Kunstmuseum Bern, dem offiziellen Erben der Sammlung, zusammengestellt.

Nur wenige der rund 1500 Werke als Raubkunst identifiziert

Die akribischen Recherchen seit dem Fund 2013 zeigen: Nur sechs der gut 1500 Werke konnten bisher klar als NS-Raubkunst identifiziert werden. Ein prominentes Beispiel in der Ausstellung ist "Porträt der jungen Frau" (1850-1855, Artikelbild) von Thomas Couture, das der Sammlung des französischen Staatsmannes Georges Mandel zugeordnet wurde. Ein kleines Loch in der Leinwand führte auf die Spur. Mandels Lebensgefährtin hatte nach dem Krieg zu Protokoll gegeben, dieses bei ihm gestohlene Gemälde habe einen kleinen Einriss gehabt.

Hunderte anderer Werke konnten als unbedenklich eingestuft werden. Das meiste Kopfzerbrechen jedoch bereiten die 327 Bilder, die nach Angaben der Berner Museumsdirektorin Nina Zimmer noch raubkunstverdächtig sind. Alle Beteiligten sprachen sich deshalb dafür aus, die Aufklärungsarbeit weiterzuführen.

Ausstellung als Ausgangspunkt für Provenienzforschung

Die "Bestandsaufnahme Gurlitt", so der Titel der Ausstellung, dürfe kein Schlusspunkt sein, mahnte Kulturstaatsministerin Monika Grütters. "Im Gegenteil, sie ist ein Ausgangspunkt, von dem aus mehr Forschende als bisher mit besserem Rüstzeug als bisher der Wahrheit auf den Grund gehen können."

In der Ausstellung ist jedem einzelnen der insgesamt rund 200 Bilder eine Erklärung beigefügt, was die Erforschung der Herkunftsgeschichte bisher ergeben hat. Zudem gibt es viele Dokumente, historische Fotografien und zeitgeschichtlichen Hintergrund über die europäischen Dimensionen des NS-Kunstraubs.

Noch Rätsel zu lösen

Bei dem berühmten Gemälde "Waterloo Bridge" von Claude Monet etwa ist ein Vermerk von Gurlitts Mutter Marie von 1938 abgedruckt, die dem Sohn bestätigt, er habe dieses Bild 1923 von den Eltern zur Hochzeit geschenkt bekommen. Wozu es dieser Bestätigung bedurfte und warum sie 15 Jahre nach der Hochzeit kam, gehört zu den Rätseln, denen die Forscher noch nachgehen.

"Waterloo Bridge" von Claude Monet in der Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt" im Berliner Martin-Gropius-Bau
"Waterloo Bridge" von Claude Monet in der Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt"Bild: picture alliance/dpa/R. Hirschberger

Kürzlich entschlüsselt haben die Forscher die Herkunft von vier anderen Zeichnungen, die ursprünglich Benita Renate Gurlitt, der Schwester des 2014 verstorbenen Münchner Kunstsammlers Cornelius Gurlitt und Tochter des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, gehörten: Die Experten konnten diese als NS-Raubkunst klassifizieren.

Der derzeitige Eigentümer hatte sie von dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste im Rahmen des Projektes "Provenienzrecherche Gurlitt" überprüfen lassen und will die Werke nun an die Nachfahren der einstigen jüdischen Besitzer zurückgeben.

Die Zeichnungen sind ebenfalls im Rahmen der Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt" im Berliner Martin-Gropius-Bau bis zum 7. Januar 2019 zu sehen.

ld/bb (dpa, epd, kna)