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Guinea-Bissau: Land im Dauerchaos

Johannes Beck28. Januar 2016

Nach einer monatelangen Hängepartie hat Guinea-Bissau wieder eine funktionsfähige Regierung. Und die hat nun sogar ihr Regierungsprogramm durchs Parlament bekommen. Doch das heißt noch gar nichts.

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Parlament in Guinea-Bissau, (Foto: DW / Braima Darame)
Abgeordnete behelfen sich mit Taschenlampen während des Stromausfalls am 18.01.2016Bild: DW/B. Darame

Am Ende hat das Regionalgericht von Bissau der Regierung von Guinea-Bissau die Parlamentsmehrheit gesichert. Die Richter hatten diese Woche entschieden, dass 15 Abweichler ihren Parlamentssitz verlieren und durch neue Abgeordnete ersetzt werden. Die 15 waren aus der Regierungspartei PAIGC ausgeschlossen worden, da sie Ministerpräsident Carlos Correia die Gefolgschaft verweigert hatten.

Im Dezember war es ihm nicht gelungen, trotz einer absoluten Mehrheit seiner Partei von 57 der 102 Sitze, sein Regierungsprogramm durch das Parlament zu bringen. Nun hat es im zweiten Anlauf am Donnerstag dank der neuen Abgeordneten geklappt. 59 von 102 Abgeordneten stimmten zu. Zwei kleinere Parteien hatten sich der Regierung angeschlossen.

"Das macht uns Mut weiterzuarbeiten!", zeigte sich Ministerpräsident Carlos Correia erleichtert. "Das wird uns Glaubwürdigkeit geben", sagte er und war zuversichtlich, dass nun endlich die im März 2015 auf einer Geberkonferenz in Brüssel versprochenen Gelder fließen. Mit einer geordneten Regierung lassen sich entsprechende Projekte endlich in Angriff nehmen. Die internationale Gemeinschaft hatte Guinea-Bissau mehr als eine Milliarde Euro zugesagt - unglaublich viel Geld für das arme Land.

Dass der Streit erst vor Gericht gelöst werden konnte und sich nicht durch Verhandlungen beilegen ließ, ist für das politische System des Landes inzwischen symptomatisch. "Ich verstehe einfach nicht, warum hier jeder zumacht und wir in eine Situation hineingeschlittert sind, in der es keinen politischen Dialog mehr gibt", sagte Ovídio Pequeno im Januar im DW-Interview entrüstet. Pequeno ist der Repräsentant der Afrikanischen Union in Bissau.

Wahlen in Guinea-Bissau (Foto: Getty Images)
Die Wahlen 2014 waren ein klares Votum für mehr Stabilität in Guinea-BissauBild: Seyllou/AFP/Getty Images

Alles hatte so gut angefangen

2014 hatte die Partei der ehemaligen Befreiungsbewegung Guinea-Bissaus und der Kapverden, die PAIGC, sowohl eine klare Parlamentsmehrheit geholt als auch die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Mit Premierminister Domingos Simões Pereira, dem ehemaligen Generalsekretär der portugiesischsprachigen Staatengemeinschaft CPLP, und Präsident José Mário Vaz, der im Land von den meisten kurz einfach "Jomav" genannt wird, hatte sich ein auf den ersten Blick vielversprechendes PAIGC-Duo gefunden.

Viele Menschen in Guinea-Bissau hofften damals auf Stabilität und Wirtschaftswachstum. Das kleine westafrikanische Land hätte beides bitter nötig: Nach dem Militärputsch im Jahr 2012 herrschte eine politische und wirtschaftliche Dauerkrise. Auf dem Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nation belegt Guinea-Bissau nur noch Platz 178 von 188 Ländern.

Zerstören statt regieren

Doch beide, Domingos Simões Pereira und José Mário Vaz, gönnten dem jeweils anderen die Erfolge nicht. Hinter vorgehaltener Hand kursierten Geschichten von Animositäten zwischen beiden Familien. Nennenswerte programmatische Differenzen sind dagegen bis heute nicht zu erkennen.

Demonstration in Bissau (Foto: DW/Fátima Tchumá)
August 2015: Demonstration gegen Präsident "Jomav", der Ministerpräsident Pereira des Amtes enthoben hatteBild: DW/F. Tchuma

Im August entließ Staatspräsident José Mário Vaz eigenmächtig Ministerpräsident Domingos Simões Pereira. Seitdem geht ein Riss mitten durch die einst so stolze Befreiungsbewegung. Der geschasste Pereira ist Parteichef geblieben und steht dem Präsidenten feindselig gegenüber. Die PAIGC zerfleischt sich seitdem in Fraktions- und Grabenkämpfen.

Politisches Tollhaus Afrikas

Die Ereignisse seit dem Sturz von Simões Pereira erinnern an eine Drama Shakespeares: Der Wunschkandidat des Staatspräsidenten als Nachfolger von Pereira wurde vom Verfassungsgericht gekippt. Denn José Mário Vaz hatte ihn ernannt ohne zuvor - wie von der Verfassung vorgeschrieben - die größte Partei, also seine eigene PAIGC, anzuhören. Es folgten einige Wochen Machtvakuum ohne funktionsfähige Regierung. Schließlich einigte man sich im September auf den Unabhängigkeitsveteranen Carlos Correia als Kompromisskandidaten. Doch kaum wurde er als Premierminister nominiert, wurde auch dessen Autorität systematisch untergraben.

Carlos Correia (Foto: DW/F. T. Camara)
Hatte keinen leichten Start: Ministerpräsident CorreiaBild: DW/F. T. Camara

Erst zankte sich Correia mit dem Präsidenten einen Monat um die Besetzung der diversen Ministerposten seiner Regierung. Dann bekam Carlos Correia im Dezember bei der ersten Abstimmung keine Mehrheit für sein Regierungsprogramm. 15 PAIGC-Abgeordnete hatten sich der Stimme enthalten. Sie wurden daraufhin aus der Partei ausgeschlossen.

Doppelte Parlamentspräsidenten

Am 19. Januar erreichte die politische Krise selbst für langjährige, hartgesottene Beobachter des Landes einen überraschenden Höhepunkt. Aufgrund eines Stromausfalls brach Parlamentspräsident Cipriano Cassamá (PAIGC) die Plenarsitzung ab und vertagte erneut die längst überfällige, zweite und finale Abstimmung über das Regierungsprogramm. Doch kurz darauf brach eine Gruppe aus den abtrünnigen PAIGC-Abgeordneten und Mitgliedern der Oppositionspartei PRS ins Parlament ein. Sie setze im Alleingang die Sitzung fort, wählte einen neuen Parlamentspräsidenten und stimmte gegen das Regierungsprogramm.

Von der PAIGC-Mehrheitsfraktion wurde das aber nicht anerkannt, da es nicht verfassungsgemäß sei. Sie und vier andere kleinere Parteien sprachen von einem Putsch der Institutionen. "Diese Taten und andere deuten auf einen Plan hin, das Land in eine wachsende Unsicherheit zu stürzen und die staatlichen Strukturen funktionsunfähig zu machen", sagt der PAIGC-Vorsitzender Domingos Simões Pereira. Er scheint finstere Kräfte am Werk zu vermuten, so wie die in Guinea-Bissau sehr präsenten lateinamerikanischen Drogendealer. "Das soll dem organisierten Verbrechen wie der Korruption, der Geldwäsche und dem Drogenhandel nützen."

Fortsetzung folgt...

Eigentlich sollten nun nach der erfolgreichen Abstimmung des Regierungsprogramms alle Voraussetzungen gegeben sein, damit die Regierung von Carlos Correia tatsächlich ihre Arbeit aufnehmen kann. Aber schon droht neues Ungemach. Präsident Jomav soll sich am Donnerstag sehr erbost darüber gezeigt haben, dass die Parlamentssitzung einberufen wurde. Er hat derzeit Anhörungen mit diversen politischen und gesellschaftlichen Kräften des Landes angesetzt, die noch nicht beendet sind. Es könnte gut sein, dass er die Regierung am Freitag am Ende der Anhörungen direkt wieder entlässt .

Jose Mario Vaz (Foto: Getty Images)
Er schien "not amused", dass die Parlamentssitzung ohne sein Wissen einberufen wurde: Präsident 'Jomav'Bild: Getty Images/AFP/S. Kambou

Außerdem ist die größte Oppositionspartei PRS aus Protest der Parlamentssitzung am Donnerstag ferngeblieben. Sie hält die Einberufung der Sitzung durch den Parlamentspräsidenten der PAIGC für illegal, da dieser ja bereits abgesetzt worden sei. Ein guter Start für eine stabile Regierung sieht sicher anders aus.

Mitarbeit: Braima Darame (Bissau)