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Guinea-Bissau: Präsident setzt erneut Regierung ab

Johannes Beck12. Mai 2016

Guinea-Bissaus Präsident José Mário Vaz hat die Regierung unter Premierminister Carlos Correia entlassen. Dabei gehören beide der gleichen Partei an. Doch das bewahrt das Land nicht vor Dauerchaos und Streitigkeiten.

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Guinea-Bissaus Präsident Jose Mario Vaz (Foto: SIA KAMBOU/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/S. Kambou

Seit Monaten war der Schritt erwartet worden. Zu groß waren die persönlichen Differenzen und Animositäten zwischen Präsident José Mário Vaz (Bild oben) und Premierminister Carlos Correia. An diesem Donnerstag war es nun soweit. Per Dekret hat Vaz die Regierung entlassen.

"Ich entlasse die Regierung und möchte Anhörungen mit den wichtigsten politischen Kräften des Parlaments starten, um einen neuen Premierminister zu ernennen, der in der Lage ist, eine Regierung mit Mehrheit im Parlament zu bilden", rechtfertigte der Präsident seine Entscheidung in einer Rede an die Nation.

Er müsse verhindern, dass die Regierung weiter neue Schulden aufnehme und Geld ausgebe, ohne dass ihr Regierungsprogramm vom Parlament genehmigt worden sei. "Ich muss mich für die Option entscheiden, die im aktuellen Kontext das kleinere Übel bedeutet und weniger Schaden für unser bereits geplagtes Volk mit sich bringt", sagte José Mário Vaz, der im Land meist nur "Jomav" genannt wird.

Präsident hauptverantwortlich für die Krise

Dabei gilt Vaz selbst als Hauptverantwortlicher für die Krise. Mehrfach hatten internationale Vermittler versucht, ihn dazu zu bewegen, die Arbeit der Regierung nicht zu behindern. Vor allem der ehemalige nigerianische Präsident und Sondergesandte der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, Olusegun Obasanjo, hatte sich für eine Kompromisslösung eingesetzt. Obasanjo konnte aber trotz mehrerer Reisen nach Bissau, zuletzt Anfang Mai, José Mário Vaz nicht von seinem Plan abbringen, die Regierung zu entlassen.

Von außen ist die Krise kaum nachzuvollziehen, da der Präsident und der geschasste Premierminister der gleichen Partei angehören: Sowohl Vaz als auch Correia vertreten die ehemalige Befreiungsbewegung Guinea-Bissaus und der Kapverden, die PAIGC. Bei den Wahlen von 2014 hatte die Partei eine klare Parlamentsmehrheit geholt und mit Vaz auch die Präsidentschaftswahlen für sich entschieden. Zusammen mit dem damaligen Premierminister Domingos Simões Pereira sollte Vaz endlich Stabilität in das von Krisen und Putschen geplagte westafrikanische Land bringen.

Carlos Correia (Foto: Fátima Tchumá/DW)
Abgesetzt: Premierminister Carlos CorreiaBild: DW/F. T. Camara

Schmierentheater

Doch beide, Domingos Simões Pereira und José Mário Vaz, gönnten dem jeweils anderen die Erfolge nicht. Im August 2015 entließ José Mário Vaz dann die erste Regierung seiner eigenen Partei mitsamt Ministerpräsident Pereira. Seitdem ist die PAIGC tief gespalten und zerfleischt sich in Fraktions- und Grabenkämpfen. Der geschasste Pereira ist Parteichef geblieben und steht dem Präsidenten feindselig gegenüber.

Im September einigten sich beide Lager auf den Unabhängigkeitsveteranen Carlos Correia als neuen Premierminister. Doch als Correia dem Parlament im Dezember sein Regierungsprogramm vorlegte, bekam er keine Mehrheit. 15 PAIGC-Abgeordnete, die dem Präsidenten nahestehen, enthielten sich der Stimme.

Parlamentsgebäude in Guinea-Bissau (Foto: Fátima Tchumá/DW)
Die stärkste Partei im Parlament in Bissau zerfleischt sich selbstBild: DW/F. Tchumá

Abweichler des PAIGC

Die 15 Abweichler wurden daraufhin aus der Partei und aus dem Parlament ausgeschlossen. Sie schlossen sich der Opposition an und versuchen seitdem, sich wieder ins Parlament einzuklagen. Das politische Chaos wurde seitdem nur noch größer, da die Gerichte mehrfach unterschiedlich urteilten. Zuletzt bestätigte Anfang Mai das Berufungsgericht Bissau den Ausschluss der 15 Abgeordneten.

Als Folge des Streits ist das Parlament seit Januar de facto arbeitsunfähig. Die längst fällige Abstimmung über das Regierungsprogramm hat bis heute nicht stattgefunden.

Domingos Simões Pereira, Vorsitzender der PAIGC, Guinea-Bissau (Foto: Fátima Tchumá/DW)
Kontrahent: Domingos Simões PereiraBild: DW/F. Tchumá

"Von Anfang an hatten wir das Gefühl, dass der einzige Grund für die Krise ist, dass der Staatschef selbst regieren möchte", sagt der PAIGC-Vorsitzende Simões Pereira - und gibt so dem Präsidenten die Alleinschuld für die Dauerkrise im Land. "Er möchte in seiner Hand auch die ganze Macht der anderen souveränen Organe konzentrieren. Das sollte er besser bleiben lassen."

Wie geht es nun weiter?

Agnelo Regala, Chef der kleinen Partei Union für den Wandel (UM), die in der nun abgesetzten Regierung Koalitionspartner der PAIGC war, vermutet folgendes Vorgehen des Präsidenten: "Er wird versuchen, eine Regierung auf Initiative des Präsidenten einzusetzen, was nicht verfassungsgemäß ist. Erst wenn diese Regierung im Amt ist, wird er das Parlament auflösen."

Vítor Pereira, Sprecher der größten Oppositionspartei Partei der Sozialen Erneuerung (PRS), erklärte jedenfalls, seine Partei sei bereit, dem Präsidenten zu folgen: "Wir unterstützen alle Entscheidungen, die den Interessen unseres Landes und Volkes dienen. Die Grenzen dafür werden durch die Verfassung gesetzt."

Ganz gleich, ob nun direkt Neuwahlen folgen oder ob vorher eine Regierung von Gnaden des Präsidenten in Kraft tritt: Mit seiner Entscheidung, schon die zweite Regierung seiner eigenen Partei PAIGC zu stürzen, hat es "Jomav" geschafft, das Chaos in seinem Land weiter zu vergrößern.

Dabei hätte das westafrikanische Land Stabilität dringend nötig: Seit dem Militärputsch im Jahr 2012 befindet es sich andauernd in der Krise. Auf dem Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nation belegt Guinea-Bissau nur noch Platz 178 von 188 Ländern.

Mitarbeit: Braima Darame (Bissau)