1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Glückwunsch

9. September 2010

Im September 1960 haben Vertreter aus dem Irak, Iran, Kuwait, Saudi-Arabien und Venezuela die OPEC gegründet. Nun feiert das Kartell seinen 50. Geburtstag - und wir sollten mitfeiern, meint Rolf Wenkel.

https://p.dw.com/p/P7hk
Themenbild Kommentar Grafik Symbolbild (Bild: DW)
Bild: DW
Rolf Wenkel (Foto: DW)
Rolf Wenkel, DW- WirtschaftsredaktionBild: DW

Kartell. Dieses Wort hat - vermutlich nicht nur in der deutschen Sprache - einen negativen Beigeschmack. Ökonomen und Juristen verstehen unter einem Kartell wettbewerbsbeschränkende Absprachen zwischen Unternehmen oder Produzenten, mit dem Ziel, überhöhte Preise durchzusetzen - auf Kosten des Gemeinwohls. Wer ein Kartell bildet, tut dies also in der finsteren Absicht, den Wettbewerb - und damit einen der Grundpfeiler der freien Marktwirtschaft - außer Kraft zu setzen. In fast allen zivilisierten Staaten und Staatengemeinschaften sind deshalb Kartelle nicht nur verpönt, sondern verboten. Kommen die Gesetzeshüter einer illegalen Preis-, Mengen- oder Gebietsabsprache auf die Schliche, hagelt es Strafbefehle und Entschädigungsforderungen.

Anders verhält sich die Sache, wenn sich souveräne Staaten über den einzig nennenswerten Rohstoff verabreden, den sie besitzen: Erdöl. Denn es gibt keine Weltregierung, die ihnen das verbieten könnte - und selbst wenn es sie gäbe, hätte sie nicht viele Druckmittel in der Hand, um solche Kartellabsprachen zu sanktionieren. Politiker, Regierungen und Verbraucher im ölhungrigen Westen mussten das Anfang der 70er Jahre zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, als die Organisation Erdölexportierender Länder, kurz OPEC, damit begann, ihr Angebot zu verknappen und mit politischen Forderungen zu verbinden.

Ohnmächtige Wut

Damals war die Aufregung und die ohnmächtige Wut über das Verhalten dieses Kartells ungeheuer groß. Doch heute, mit dem Abstand einiger Dekaden, muss man der OPEC eigentlich dankbar sein. Denn sie hat dem Westen vorgeführt, wie sehr er sich von dem schwarzen Saft abhängig gemacht hat. Und das hatte etwas Heilsames: Denn nach dem ersten Ölpreisschock, den die OPEC damals auslöste, setzten überall Überlegungen ein, wie man sich weniger abhängig machen kann von diesem fossilen Energieträger.

Seitdem ist viel geschehen. 1980 war das Kartell auf dem Höhepunkt seiner Macht, konnte die Preise fast beliebig diktieren. Das rief andere Produzenten auf den Plan, die sich nicht der OPEC anschlossen. Ergebnis: heute stammen nur noch rund 40 Prozent der täglich geförderten Ölmenge aus OPEC-Quellen. Zudem hielten sich die Kartellmitglieder nicht immer an die vereinbarten Förderquoten, was der Organisation in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Ruf eines zahnlosen Tigers einbrachte.

Renaissance

Doch täuschen wir uns nicht: Das Kartell wird vermutlich wieder mehr Macht und Einfluss bekommen, als uns lieb sein kann. Denn in vielen Nicht-OPEC-Ländern hat die Ölförderung ihren Höhepunkt bereits überschritten, während die zwölf Kartellmitglieder nach wie vor auf drei Vierteln der weltweiten Ölvorkommen sitzen. Zudem sorgt das Wachstum in den Schwellenländern, besonders in China, für eine stetig steigende Nachfrage. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis der Preis wieder steigt - einige der Kartellmitglieder halten einen Preis von 400 Dollar pro Fass für möglich - mehr als das Vierfache des heutigen Preises.

Und das wird uns erneut drastisch vor Augen führen, dass wir immer noch abhängig sind vom Erdöl wie ein Junkie von der Nadel. Es mag zwar richtig sein, dass wir versuchen, immer sparsamer mit diesem endlichen Rohstoff umzugehen, Häuser zu dämmen, effizientere Produktionsverfahren zu ersinnen, erneuerbare Energieträger zu fördern. Doch die Abhängigkeit vom Öl bleibt bestehen, solange für das Auto, das Flugzeug und fast alle Produkte, mit denen wir uns umgeben, kein Ersatz gefunden wird. Man braucht sich nur mal umzuschauen: Der Computer, die Tastatur, das Telefon, die Schreibtischoberfläche, der Kaffeebecher: Überall steckt Erdöl drin - und die nächsten Generationen werden uns vermutlich dafür verfluchen, dass wir das Zeug einfach nur verbrannt haben.

Wettlauf mit der Zeit

Im Grunde befinden wir uns in einem Wettlauf mit der Zeit: Schaffen wir es, unser Wirtschaften rechtzeitig auf die Zeiten nach dem Erdöl umzustellen, oder schaffen wir es nicht? Dem OPEC-Kartell muss man deshalb dankbar sein. Denn es hat - unabsichtlich - dafür gesorgt, dass das Nachdenken über die Endlichkeit dieses Lebenssaftes schon vor 40 Jahren eingesetzt hat - und nicht erst 2010. Doch sehr weit gekommen sind wir leider immer noch nicht.

Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Henrik Böhme