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Gut gelernt, nie vergessen

16. Februar 2010

Der Professor doziert vom Blatt, die Studenten hören gelangweilt zu – oft ist das Alltag an den deutschen Unis. Das soll sich ändern. Viele Hochschulen suchen nach besseren Lehrformen, die beide Seiten stärker fordern.

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Hörsaal der Universität Duisburg-Essen (Foto: Pressestelle der Universität)
Frontalunterricht im Hörsaal der Universität Duisburg-EssenBild: Pressestelle Universität Duisburg-Essen

Den ganzen Tag nur zuhören, das überfordert jedes Gedächtnis. Eine Erkenntnis, die schon Goethe hatte. "Überhaupt lernt niemand etwas durch bloßes Anhören", sagte er und spricht damit noch heute vielen Studenten aus dem Herzen. "Mich haben Vorlesungen immer gestört, die einfach nur abgelesen waren", gibt Tina Jelveh zu. "Dort habe ich mich gelangweilt und später auch nichts mitgenommen für mich, sondern das meiste schnell wieder vergessen."

In ihrem Zimmer hat die Bochumer Theologie- und Germanistikstudentin dann den gesamten Vorlesungsstoff noch einmal nachgelesen. Wie Generationen von Studierenden vor ihr. Doch was schon immer so war, muss nicht so bleiben, meint Tina Jelveh. Sie ist eine von zwölf studentischen Beratern der Universität Bochum, die ein Konzept für eine bessere Lehre entworfen haben. Gemeinsam mit ihren Kommilitonen hat die Studentin Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge formuliert und sie den Dozenten und Professoren präsentiert.

Teamarbeit statt einsames Lernen

Blick auf den Campus der Ruhr-Universität Bochum (Foto: dpa)
Groß und innovativ: die Ruhr-Universität BochumBild: picture-alliance/ dpa

Uta Wilkens, Prorektorin für Lehre, Weiterbildung und Medien an der Ruhr-Universität Bochum will nun einige Punkte umsetzen. Dazu gehören Räume, in denen die Studenten gut lernen können und ausreichende Lehrmaterialien haben, um auch im Team arbeiten zu können. "Wir wollen die spezifischen Bedarfe der Studierenden in der Neugestaltung des Campus mit berücksichtigen", verspricht Wilkens. Und dazu gehört für sie auch eine größere "methodisch-didaktische Kompetenz" der Professoren und Dozenten.

An vielen Hochschulen gibt es inzwischen Bemühungen um eine bessere Wissensvermittlung. An der Kölner Fachhochschule etwa haben Studenten und Professoren gemeinsam einen Katalog zum Thema "Diversity Management" erarbeitet. Dort sollen neue Lernmethoden wie das Arbeiten mit Lehrvideos, freien Textaufgaben und Multiple-Choice-Aufgaben im Team eingeführt werden. "Der Erfolg im Studium besteht auch darin, dass die Studierenden sich gegenseitig helfen, das Studium zu bewältigen", sagt Sylvia Heuchemer, Vizepräsidentin für Lehre und Studium an der Kölner Fachhochschule.

Nur eigenständiges Lernen bringt Erfolg

An der Fachhochschule Bremen haben einige Professoren Vorlesungen ganz abgeschafft und bieten statt dessen Kleingruppenarbeit an. Die TU Chemnitz engagiert Chefdramaturgen des Stadttheaters, die gemeinsam mit angehenden Ingenieuren über "Eindeutigkeit und Nachweisbarkeit" in ihrem Studium nachdenken. Die Universität Mannheim lässt angehende Erziehungswissenschaftler unter dem Motto "Service Learning" in Problemschulen gehen, künftige Sprachwissenschaftler unterrichten Migrantenkinder.

Virtueller Hörsaal der Rheinischen Fachhochschule Köln (Foto: RFH)
Der Hörsaal der Zukunft an der Rheinischen FH in Köln?

"Die Lehrenden müssen alles tun, um die Studierenden zum eigenständigen Lernen zu bewegen", betont Professor Wilfried Müller, Rektor der Universität Bremen. Denn nur das, was Studenten selber getan hätten, sei von Bedeutung für ihren weiteren Lernprozess. Müller plädiert dafür, den reinen Frontalunterricht an den Hochschulen abzuschaffen und statt dessen mehr Praxisbezüge herzustellen. Das eigene Engagement in Referaten, Praktika oder Präsentationen sei die einzige "effektive Grundlage" für ein nachhaltiges Lernen, meint er.

Gute Lehre trotz schlechter Strukturen

Um die "gute Lehre" an deutschen Universitäten voranzubringen, hat Müller den Juryvorsitz für den "Ars legendi"-Preis für exzellente Hochschullehre des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft und der Hochschulrektorenkonferenz übernommen. Seit fünf Jahren wird die Auszeichnung an Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen vergeben, die den Stoff ihres Faches besonders gut vermitteln und ihre Studenten gut betreuen und beraten. In diesem Jahr erhält ein Geisteswissenschaftler die Auszeichnung.

Der Preis soll deutlich machen, dass es trotz schwieriger Strukturen und hoher zeitlicher Belastung durch die Bachelor- und Masterstudiengänge möglich ist, eine gute Lehre anzubieten. Denn so viel sei klar, betont der Bremer Universitätsrektor, "Studierende, die dazu angehalten werden, eigenständig zu lernen, sind die besseren Studenten."

Autorinnen: Britta Mersch, Sabine Damaschke
Redaktion: Gaby Reucher