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Kompost vom Klo

Eva Mahnke24. März 2012

Trockenheit aufgrund des Klimawandels verschlechtert auch die Hygiene und gefährdet so die Gesundheit. Komposttoiletten in Bolivien sparen Wasser und bringen sogar Geld.

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Blumen wachsen aus einer Kloschüssel (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Unter Feinschmeckern ist die 2000-Einwohner-Gemeinde Cuchumuela im Herzen Boliviens weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Hier wachsen im Schatten hoher Pinienbäume schmackhafte, dunkelbraune, knorpelig aussehende Röhrlinge. Die Pilze sind in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Ein Kilogramm kostet heute knapp vier Dollar; vor einigen Jahren lag der Preis noch bei 14 Cent. Ein einträgliches Geschäft für die Cuchumueleños-Familien, die mit durchschnittlich 1000 US-Dollar pro Jahr über die Runden kommen müssen und von dem leben, was ihre Felder hergeben.

Der große Erfolg des kleinen Röhrlings hängt unmittelbar mit den verbesserten Hygienebedingungen in der Gemeinde zusammen. Die Toiletten der Cuchumueleños spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Pinienwäldchen in hügeliger Landschaft (Foto: Water for People)
Pinien sind in Cuchumuela heimisch, sie werden seit einigen Jahren auch gezielt aufgeforstetBild: Water for People

Der Klimawandel verschärft Hygieneprobleme

Dass die Pilze die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort verbessern, bestätigt auch die Bolivianerin Betty Soto. Sie arbeitet für die lokale Nichtregierungsorganisation "Water for People Bolivia". Die Einnahmequellen der Bauern verbessert zu haben, ist ein wichtiger Fortschritt - der Organisation geht es aber primär um etwas anderes: "Unser eigentliches Ziel ist es, die Hygienebedingungen für die Bolivianer zu verbessern", sagt Soto. "In Cuchumuala hat nur etwa die Hälfte der Leute Zugang zu einer Toilette im eigenen Haus. Viele nutzen für die Verrichtung ihrer Notdurft einfach die offene Landschaft." In einigen Landesteilen Boliviens haben sogar nur neun Prozent eine richtige Toilette.

Die Verbreitung von Sanitäreinrichtungen ist deshalb so entscheidend, weil dies das Auftreten von Krankheiten ganz erheblich verringern kann", erläutert Diarmid Campbell-Lendrum, der bei der WHO in der Abteilung für Öffentliche Gesundheit und Umwelt arbeitet. "Vor allem geht es um Durchfallerkrankungen, die zu den meistverbreiteten Krankheiten in der Welt gehören." Die Einhaltung von Hygienestandards wie Händewaschen oder die richtige Entsorgung menschlicher Ausscheidungen sei vor allem in den Gegenden ein Problem, in denen es nicht genug Wasser gebe. Trockenheit, die durch den Klimawandel verursacht wird, vergrößert das Problem sogar noch. "Hygiene und Wasser sind zwei der wichtigsten Mechanismen, auf die sich der Klimawandel auswirkt", sagt Campbell-Lendrum. "Bei Trockenheit gibt es in Entwicklungsländern nachweisbare Effekte auf die Gesundheit, die Rate der Durchfallerkrankungen erhöht sich signifikant."

Hygiene ganz ohne Wasser

"Water for People" setzt in Bolivien auf die Verbreitung so genannter Komposttoiletten, denn Wasserknappheit ist auch hier ein wachsendes Problem. Im Gegensatz zu herkömmlichen Wasserklosetts kommt die Kompost-Methode gänzlich ohne Wasser und damit auch ohne aufwändige Kanalisation aus. Trotzdem unterscheidet sie sich deutlich von den stinkenden "Plumpsklos", bei denen alles einfach in einer Grube landet.

"Wir setzen auf sogenannte Trocken-Trenntoiletten", erklärt Betty Soto. "Die Toilettenhäuschen bestehen aus zwei Kabinen mit je einer Toilette darin. Der Urin fließt in gesonderte Tanks, während der feste Abfall in zwei abgeschlossenen Behältern unterhalb der Toiletten gesammelt wird. Ist einer der Behälter voll, benutzen die Leute die zweite Kammer." Dann habe der feste Abfall mehr als ein halbes Jahr Zeit, um kompostiert zu werden. So entsteht wertvoller Humus. Um die flüssigen Reststoffe kümmert sich einmal im Monat ein kleines Unternehmen, das die Urin-Behälter leert. Eine solche Toilette reicht für eine fünf- bis zehnköpfige Familie.

Ein Toilettenhäuschen steht auf einem Feld in der Nähe der Wohnhäuser (Foto: Water for People)
Die kleinen Häuschen stehen unweit der Wohnhäuser und reichen für fünf bis zehn FamilienmitgliederBild: Water for People

In Cuchumuela werden die Toiletten vor Ort gebaut. Ihre Vorteile haben sich in vielen Teilen der Welt herumgesprochen. "Trocken-Trenntoiletten sind ein großes Thema für Entwicklungshilfeorganisationen, die sich für die Verbesserung der Hygienebedingungen einsetzen", sagt Elisabeth von Münch, die für die Sustainable Sanitation Alliance arbeitet, einem losen internationalen Netzwerk von Organisationen im Sanitärbereich. "Lange Zeit fehlten die Innovationen im Sanitärbereich - es gab nur die Möglichkeiten Plumpsklo oder Spültoilette mit Kanalisation."

Spätestens seit dem "International Year of Sanitation" 2008 habe das Interesse an den Komposttoiletten aber stark zugenommen. Inzwischen gibt es weltweit auch einige Firmen, die Kompost-Trenntoiletten als moderne Einbauvariante anbieten. Von Münch weist darauf hin, dass die Toiletten nicht nur auf dem Land eine gute Alternative bieten. Angesichts der Grundwasser-Verschmutzung und fehlender Wasseranschlüsse könnten auch städtische Slums von dieser Technik profitieren. Und hier lebt mittlerweile jeder siebte Mensch auf der Welt.

Humus und Dünger für schmackhafte Pilze

Seit 2010 sind in Cuchumuela 195 Kompost-Trenntoiletten entstanden. Die Rate der Durchfallerkrankungen, von denen vor allem Kinder betroffen sind, ist erheblich zurückgegangen. "Am Anfang waren die Leute natürlich sehr skeptisch", sagt Betty Soto. Doch das habe sich bald geändert. Grund dafür sind die begehrten, leckeren Pilze, die im Schatten der Pinien Cuchumuelas wachsen.

"Die Idee ist ganz einfach", erklärt Soto. Das Besondere an den Komposttoiletten sei, dass sie die Umwelt nicht nur vor Verschmutzung bewahren, sondern ihr sogar etwas zurückgeben. Neben dem eigenen Humus, den die Cuchumueleños mit Hilfe ihrer Toiletten herstellen, wird aus dem gesammelten Flüssigabfall in einem Gärprozess biologischer Dünger für die Pinienplantagen. "Die Komposttoiletten produzieren Dünger, der Dünger lässt die Pinien besser wachsen, mehr Pinien bedeuten mehr Pilze, und mehr Pilze bedeuten mehr Geld in den Taschen der Cuchumueleños", fasst Betty Soto den Kreislauf zusammen - das Geheimnis hinter der ertragreichen Pilzernte in Cuchumuala.