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Gute erste Halbzeit

Dirk Kaufmann16. Februar 2014

Bei den olympischen Winterspielen in Sotschi ist die erste Wettkampfwoche vorüber. Was hat das Sportfest versprochen und was hat es gehalten? Wie fällt die Bilanz - nicht nur für die deutschen Sportler - aus?

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Olympia Winterspiele in Sotschi 2014 Sonniges Wetter BILDER DES TAGES
Bild: Getty Images

Sieben Goldmedaillen, drei Silber- und zwei Bronzemedaillen können die deutschen Olympiateilnehmer zur Halbzeit der Olympischen Spiele vorzeigen. Das bedeutet Platz eins im Medaillenspiegel vor Norwegen, das fünfmal Gold geholt hat nach 52 von 98 Wettbewerben. Eine sehr gute Bilanz also aus der Sicht der deutschen Sportfunktionäre. Wobei die vier Goldmedaillen der Rodler manche Enttäuschung in anderen Disziplinen überdecken mögen.

Halbzeit(bilanz) in Sotschi

98 Wettbewerbe? Dass es so viele sind, liegt auch an neuen Mannschaftsdisziplinen. DOSB-Leistungssportdirektor Bernhard Schwank freut das: "Die Teamwettbewerbe bereichern das olympische Programm ganz ungemein. Die bringen einen ganz anderen Identifikationscharakter mit: Eine Mannschaft reißt mit, entwickelt ihre eigene Dynamik."

Doch die Inflation der olympischen Wettbewerbe ist auch dem Aktionismus des IOC geschuldet, das den vermeintlichen Bedürfnissen der jungen Generation und den Ansprüchen der Medien gerecht werden will. Das kann man nicht den Gastgebern anlasten, die es geschafft haben, jedem Sportler in jeder Disziplin einen Austragungsort in olympischer Qualität zur Verfügung zu stellen.

Ein zufriedener Minister

Zur Halbzeit der Spiele ist der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere nach Sotschi gekommen. Für ihn so etwas wie ein Pflichttermin, denn sein Ministerium ist für die Sportförderung in Deutschland verantwortlich. So war er am Samstag (15.02.2014) unter den Zuschauern an der Großschanze, wo er den vierten Platz des deutschen Springers Severin Freund miterlebte.

Für de Maiziere sind die Spiele von Sotschi bereits jetzt ein Erfolg. Und dabei meint er ganz ausdrücklich nicht nur das Abschneiden der deutschen Sportler. Er lobt auch die Bedingungen, unter denen die Athleten leben und antreten. Die seien zufrieden, "und wenn die Sportler zufrieden sind, dann ist es der Bundesinnenminister auch". An der Organisation durch die russischen Gastgeber sei nichts zu kritisieren: "Die Entfernungen sind kurz, die Zuschauer freundlich. Das Wetter ist toll und die freiwilligen Helfer sind wieder großartig."

Innenminister de Maiziere, DOSB-Chef Alfons Hörmann, Chef de Mission Michael Vesper an der Ski-Piste von Rosa Khutor.
Innenminister de Maiziere in Sotschi: eingerahmt von DOSB-Chef Alfons Hörmann (links) und dem Chef de Mission Michael Vesper an der Ski-Piste von Rosa Khutor.Bild: picture alliance/dpa

Gutes Wetter ist nicht immer gut

Wenn der Minister das "tolle Wetter" lobt, fällt auf, wie subjektiv das meteorologische Empfinden der Menschen ist. Möglicherweise ist ein Zuschauer beim Skispringen, der nicht friert, ein glücklicher Mensch. Bei einem Skilangläufer, der bei Temperaturen von rund 20 Grad über künstlichen Schnee laufen muss, dürfte das anders sein. Der deutsche Axel Teichmann etwa, Achter im 15 Kilometer-Rennen, sagte, er sei Langläufer geworden, "um auf Schnee zu laufen, und nicht auf so einer Pampe mit Wasserauflage".

Das Wetter von Sotschi hat zu Bildern geführt, die es beim Wintersport wohl noch nicht gegeben hat. Die haben sich aber, und möglicherweise kann man das bedauern, nur dem Beobachter erschlossen, der ganz nah am Geschehen war. Der deutsche Langlauftrainer Frank Ullrich war nicht nur nah dran, er hat auch genau hingeschaut. Dabei sah er, dass manche Teilnehmerin an der Unterwäsche gespart hatte: "Es waren Amerikanerinnen dabei, die hatten gar nichts drunter."

Sportler und Politiker

Natürlich sind die Winterspiele von Sotschi auch die Spiele des Wladimir Putin. Das war schon vor der Eröffnungsfeier klar, denn es war der russische Präsident, der 40 bis 50 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt hatte, um damit die mit weitem Abstand teuersten Olympischen Spiele zu organisieren, die es bislang gegeben hat.

Die Spiele des Wladimir Putin

Da ist es nicht verwunderlich, dass er sich nun auch im Glanz der russischen Athleten sonnt. Dabei wirken die Bilder, die ihn mit den Eishockey-Cracks der Sbornaja zeigen, noch vergleichsweise dezent. Politiker wärmen sich eben gern in dem Licht, das andere ausstrahlen. Oder kann, wer sie einmal gesehen hat, die Bilder vergessen, die es vom "Nationalmannschaftsfan" Angela Merkel gibt, als die Bundeskanzlerin nach dem Schlusspfiff die Spieler in der Kabine besuchte? Die nackten Männer konnten sich gerade noch ein Handtuch um die Hüften wickeln, als die Fotoapparate schon losklickten.

Sichere Spiele

Das Beste an den Spielen ist, worüber wir nicht berichten müssen: Es hat bislang keinen Terroranschlag gegeben - die Konflikte, die in den Kaukasusrepubliken schon seit Generationen schwelen, sind seit dem Beginn der Spiele in den Hintergrund getreten. Es bleibt zu hoffen, dass das so bleibt, bis das Olympische Feuer in Sotschi wieder erlischt. Und am allerbesten auch weit darüber hinaus.

Die dafür notwendigen Sicherheitsmaßnahmen sind, vor allem vor den Spielen, heftig kritisiert worden. Bundesinnenminister de Maiziere wies daraufhin, dass auch bei den Sommerspielen von London die Sicherheitskräfte stets präsent gewesen seien und die Maßnahmen, die in Sotschi ergriffen worden sind, ihm nicht übertrieben erschienen.

Bildergalerie Ausblick Sportereignisse 2014 Olympia Sotschi
Friede unter dem Olympischen Feuer - und vielleicht auch darüber hinaus?Bild: KIRILL KUDRYAVTSEV/AFP/Getty Images

Und wo bleibt die Stimmung?

Eines aber, so der Minister, störe ihn schon: "Mir fehlt das Überschwängliche von Vancouver und London." Die Leichtigkeit und Ausgelassenheit, die das eigentliche Flair des "Festes der Jugend der Welt" ausmachen, fehlt in Sotschi auch vielen anderen. Das liegt sicher auch daran, dass der russische Sportfreund, und die Zuschauer sind zum großen Teil Russen, ziemlich patriotisch eingestellt ist. Die Athleten seiner Mannschaft unterstützt er oft vorbehaltlos, die anderer Nationen interessieren ihn nicht.

Besonders deutlich wurde das beim Eiskunstlauf der Männer. Da wollte der russische Star Jewgeni Pluschenko seine Karriere mit einer Goldmedaille krönen, musste aber aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Als er nicht mehr im Wettbewerb war, erlahmte das Interesse der Zuschauer schlagartig, die anderen Läufer zogen vor halbleeren Rängen ihre Kreise.

Auf jeden Fall besser als erwartet

Blickt man auf die Berichterstattung der vorolympischen Zeit und vergleicht sie mit dem, was die Spiele bislang gebracht haben, muss man sagen: Zur Halbzeit sind sie ein Erfolg. Vor den Spielen wurde viel Pessimismus verbreitet: Die Umweltsünden (die sich in ihrem ganzen Ausmaß allerdings erst in ein paar Jahren zeigen werden), der rüde Umgang mit den eigenen Bürgern, die Ausbeutung der Arbeiter auf den Baustellen, die offenbar horrende Korruption im Land - das alles ist in der vergangenen Woche in den Hintergrund getreten.

Seit einer Woche stehen die sportlichen Bewerbe im Mittelpunkt, und da bietet Sotschi, was man von Olympia erwarten kann: Triumphe und Tragödien. Und schöne Geschichten, wie die des 41-jährigen "Skisprung-Methusalems" Noriaki Kasai, der eine Silbermedaille gewann. Hoffentlich gibt es weitere solcher Geschichten, hoffentlich bleibt es ruhig, hoffentlich feuern die russischen Zuschauer endlich auch andere Sportler so an, wie sie es verdienen: Sotschi 2014 wird dann in guter Erinnerung bleiben.