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Kommentar

Bernd Riegert15. Januar 2009

Der Streit um das russische Gas zwischen Moskau und Kiew hält an. Betroffen sind vor allem die Kunden in Europa. Doch die Ausgangsbasis der EU für erfolgreiche Krisengespräche ist schwach, meint Bernd Riegert.

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Bild: DW

Vor drei Jahren war es ähnlich. Russland und die Ukraine stritten über Gaspreise. Leidtragende waren die EU-Staaten, deren Gasversorgung knapper wurde. Damals wurde die Gasmenge nur gesenkt, der Gashahn blieb nicht ganz zugedreht wie in diesem Winter. Damals versprachen sich die EU-Staaten feierlich eine gemeinsame Energiepolitik zu betreiben, die zu mehr Unabhängigkeit von Russland führen sollte. Drei Jahre sind vergangen, geschehen ist nicht viel. Im Gegenteil: Russland und die Ukraine führen der Europäischen Union noch dreister als damals vor, wer am längeren (Gas-)Hebel sitzt.

Abhängigkeit wird wachsen

Die EU-Kommission selbst hat in ihrem zweiten Bericht zur Energie-Strategie im vergangenen November festgestellt, dass die Abhängigkeit von russischem Gas in den nächsten Jahren deutlich wachsen wird und vor 2020 keine Aussicht auf eine Lockerung dieser Abhängigkeit besteht. Denn neue Gas-Pipelines zu bauen und Lieferanten in Zentralasien oder Nordafrika zu finden, dauert länger als man dachte.

Außerdem unternimmt Russland alles, um die europäischen Pläne zu vereiteln. Russland geht in Zentralasien selbst auf Einkaufstour für Gasreserven. Russland versucht ein Anbieterkartell der Gas fördernden Länder zu schmieden. Und Russland versucht erfolgreich, die EU zu spalten. Mit einigen EU-Ländern, die Moskau für freundlich gesinnt hält, wurden bilaterale Versorgungs- und Pipeline-Verträge geschlossen. Andere, vor allem das Baltikum, Polen, Tschechien und die Slowakei, sollen aus russischer Sicht ausgebremst werden. Die Ostsee-Pipeline, direkt von Russland nach Deutschland wird die Abhängigkeit von russischem Erdgas nicht vermindern. Für die Nabucco-Pipeline über die Türkei fehlen noch die Lieferanten. Auch der Iran, der eines Tages liefern könnte, wäre ja nicht gerade der zuverlässigste Partner.

Mangelnde europäische Solidarität

Mit der europäischen Solidarität und dem gemeinsamen Gasmarkt, den EU-Kommissionspräsident Jose Barroso schon vor drei Jahren beschworen hat, ist es indes nicht weit her. Erst jetzt fängt man an, darüber nachzudenken, die EU-Staaten auch untereinander mit Pipelines zu verbinden, damit es nicht nur die Einbahnstraße aus Russland gibt. Kein Land ist wirklich bereit, seine Gasreserven für ein anderes Land zu öffnen. Es gibt keine europäischen, sondern nur national verwaltete Speicher für Gas.

Auch die Abhängigkeit innerhalb der EU von russischem Gas ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Finnland und Polen zum Beispiel beziehen jeden Kubikmeter Gas, den sie verbrauchen, aus Russland. Spanien importiert überhaupt kein russisches Gas. Es ist einleuchtend, dass die Interessen sehr unterschiedlich sind.

Gegenstrategien sind erforderlich

Den europäischen Gaskunden und der EU-Kommission in Brüssel ist jetzt klar geworden, dass Russland kein verlässlicher Lieferant mehr ist. Moskau setzt das Gas als politische Waffe ein. Das sollte ein heilsamer Schock für die EU sein. Das Gipfeltreffen der Union im März wird mit einer wirksamen Gegenstrategie aufwarten müssen.

Insbesondere muss gegen die Korruption im Gasgeschäft in Russland und der Ukraine vorgegangen werden. Denn bei jedem verkauften Kubikmeter Gas verdienen Zwischenhändler mit, deren Leistung niemand so genau beschreiben kann. Angeblich werden 20 Prozent des Umsatzes so in die Taschen der politischen und wirtschaftlichen Eliten umgeleitet.

Die Europäische Union muss gegenüber Russland geschlossen bleiben und unbedingt ein neues Energieabkommen durchsetzen. Europäischen Firmen muss endlich erlaubt werden, in Russland Energiequellen zu erschließen und Infrastruktur für den Transport aufzubauen. Bislang sprudelten die Geldquellen für Russland, weil die Weltwirtschaft boomte und die Energiepreise stiegen. Jetzt dürfte auch Russland merken, dass es auch als Lieferant von seinen Kunden abhängig ist. Sinkende Preise dürften auch die Führungsriege in Moskau zur Einsicht bringen, dass Kooperation mit der EU und westlichen Investoren besser ist als Konfrontation.

Ebenso unzuverlässig wie Russland agiert übriges auch die Ukraine. Sie zweigt Gas ab oder blockiert Lieferungen aus Russland. Damit disqualifiziert sie sich sowohl als NATO-Beitrittskandidat als auch als Bewerber für eine spätere EU-Mitgliedschaft.