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Gesellschaft

Gutes tun ohne Geld

Martin Koch
11. November 2016

Vor Weihnachten nimmt die Flut der Spendenaufforderungen zu. Alle wollen unser Geld. Nein, nicht alle. Manche Organisationen bitten um Insulin, Zahngold oder alte Brillen. Doch Achtung, Augen auf beim Wohltätigsein!

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Deutschland Diabetes (Symbolbild)
Bild: AP/J. Sarbach

Je kürzer die Tage, desto zahlreicher die Spendenaufrufe. Ständig landen neue Bitt- und Bettelbriefe im Briefkasten, die alle nur unser Bestes wollen. Unser Geld. Doch halt! Nicht alle. Manche fragen auch ganz bewusst nach Sachspenden.

So haben die Deutschen Millionen alte Brillen in irgendwelchen Schubladen liegen - und tragen ein Vermögen in ihren Mündern mit sich herum: Schätzungen zufolge sind in den Zähnen deutscher Patienten mehr als 60 Tonnen Gold verarbeitet. Und wenn ein Gebiss korrigiert oder ein mit Gold geflickter Zahn doch entfernt werden muss, stellt sich die Frage: Wohin mit dem Edelmetall? Immer mehr Zahnärzte und Dentallabore sammeln - mit dem Einverständnis ihrer Patienten - Zahngold-Reste, um sie zu entsorgen und den Ertrag dann karitativen Organisationen zu spenden.

Zahnersatz aus Gold
Auch altes Zahngold kann helfenBild: picture-alliance/dpa

Schwarze Schafe erkennen

Bei der Suche nach dem richtigen Empfänger ist guter Rat manchmal teuer: Welcher der zig Anbieter, die Zahngold oder Brillen in Zahlung nehmen wollen, ist denn nun vertrauenswürdig und welcher nicht? Christel Neff, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) rät: "Schwarze Schafe erkennt man, wenn es so gut wie keine Informationen gibt, wenn da vielleicht nur eine Telefon- oder eine Handy-Nummer angegeben ist." Auch wenn kein konkreter Ansprechpartner genannt sei und kein Jahresbericht auf der Website stehe, seien das alles zumindest erste Indizien, dass die Organisation es mit der Transparenz vielleicht doch nicht so genau nimmt.

Sind die Informationen dagegen verfügbar und wirbt der entsprechende Anbieter womöglich mit einem Spendensiegel wie dem vom DZI, Phineo oder der Initiative Transparente Zivilgesellschaft, dann sind die Sachspenden wie Zahngold oder Brillen dort gut aufgehoben. Und bei den Spendern erzeugen sie ein gutes Gefühl, weil sie eine direkte und greifbare Form der Hilfe sind.

Allerdings sollten Sachspenden nur dann gegeben werden, wenn die Hilfsorganisationen ausdrücklich darum bitten und wenn die Hilfsgüter nicht vor Ort zu erhalten sind, betont Christel Neff. Denn sonst belasten die Kosten für Lagerung und Transport den Etat der Hilfswerke nur übermäßig - und verhindern zudem, dass die Wirtschaft in den Zielgebieten durch den Verkauf eben dieser Güter angekurbelt wird. Da sind ungebundene Geldspenden flexibler einsetzbar.

Hier Müll - dort Lebensretter

Doch bei manchen Produkten gibt es Ausnahmen, sagt Christel Neff: "Dass sie zum Beispiel hier in Deutschland keinen Marktwert mehr haben und im Müll landen würden, an anderer Stelle, in anderen Ländern aber dringend benötigt werden, dort aber auch nicht mit Geld gekauft werden können, weil sie vor Ort einfach nicht hergestellt werden."

Wenn sich Organisationen auf die Weitergabe solcher spezifischer Sachspenden spezialisierten und das entsprechende Fachwissen dafür hätten, dann mache es durchaus Sinn, solche Hilfsorganisationen zu unterstützen, betont die Spenden-Expertin.

Deutschland Diabetes Gala 2011 - Heidrun Schmidt-Schmiedebach
Heidi Schmidt-Schmiedebach, Projektleiterin "Insulin zum Leben"Bild: picture-alliance/Breuel-Bild

Eine solche Hilfsaktion ist"Insulin zum Leben" von Heidi Schmidt-Schmiedebach. Die gelernte Lehrerin und Diabetes-Assistentin hat selbst seit 37 Jahren Typ-1-Diabetes - und hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Diabetikern in armen Ländern zu helfen. Dafür sammelt sie ungeöffnete, noch nicht abgelaufene Insulin-Patronen, Pens, Teststreifen und andere Hilfsmittel, die sie dann an Partnerorganisationen in Gambia, Uganda, Ruanda, der Demokratischen Republik Kongo, in Bolivien und in Peru schickt. "Wir prüfen, dass die einzelne Insulin-Patrone oder der Pen unberührt ist, dass es noch niemand benutzt hat und schicken es an Ärzte und Diabetes-Organisationen vor Ort." Und dort gebe es jeweils Experten, die fachgerecht mit dem Insulin umgehen und für eine gerechte Verteilung sorgen.

Mehr als Sachspenden

Pro Jahr sammeln Heidi Schmidt-Schmiedebach und ihre Helfer Insulin und andere Hilfsmittel für Diabetiker im Wert von rund 500.000 Euro. Dank zusätzlicher Geldspenden können sie einmal pro Jahr auch Schulungs-Camps für Jugendliche mit Typ-1-Diabetes anbieten. Gerade in Entwicklungsländern werden diese Kinder und Jugendlichen von den eigenen Familien oft zurückgestoßen, weil sie krank sind und ihre Behandlung teuer ist. "Wir ermuntern diese Jugendlichen dann und sagen 'Man kann auch mit dieser Krankheit eine Familie gründen und einen Job haben." Sie war bei mehreren Camps dabei und hat immer wieder die gleiche Reaktion erlebt: "Die sind dann so glücklich, dass sie alleine erkennen, ich bin kein Mensch dritter Klasse." Und eine solche Rückmeldung gibt dann wiederum Heidi Schmidt-Schmiedebach und ihren Helfern neuen Schwung für ihre verantwortungsvolle und fordernde Aufgabe.