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PolitikAsien

Pelosi in Taiwan - nach dem Besuch die Invasion?

Alexander Görlach - Carnegie Council for Ethics in International Affairs
Alexander Görlach
3. August 2022

Die Reise von Nancy Pelosi nach Taiwan ist ein wichtiges Signal. Die Folgen könnten jedoch erst in den kommenden Tagen sichtbar werden, meint Alexander Görlach.

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Bildmontage von vier Aufnahmen des Wolkenkratzers "Taipei 101", auf dem wechselnd in englisch und chinesisch Willkommensgrüße für Nancy Pelosi in Taiwan zu lesen sind
Weithin sichtbare Willkommensgrüße für Nancy Pelosi auf dem Wolkenkratzer "Taipei 101"Bild: Taipei 101/AFP

Es gibt nur ein China - das ist die Volksrepublik. Und es gibt Taiwan. Das hat der Besuch von Nancy Pelosi auf der Insel deutlich herausgestellt. Mit Spannung war die Ankunft der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses in Taipeh erwartet worden. Die Volksrepublik hatte alles daran gesetzt, die Politikerin an einer Visite zu hindern und mit militärischer Vergeltung gedroht. Die offiziellen Stellen in Peking ließen verlauten, dass ein Besuch die nationale Integrität der Volksrepublik angreife und die Souveränität Pekings in Frage stelle. Nur, weil man etwas häufig wiederholt, wird es dadurch nicht wahrer: Taiwan war niemals ein Teil der 1949 gegründeten Volksrepublik, die Kommunistische Partei hatte nie das Sagen auf dem Eiland.

Nancy Pelosi erklärte sofort nach ihrer Landung, dass die Vereinigten Staaten weiterhin die Demokratie auf Taiwan unterstützen werden. In der Tat liegt die Insel im weltweiten Demokratie-Ranking auf Platz 8, in Asien sogar auf Platz 1. Kein Vergleich zur Diktatur Pekings, die Kritiker im chinesischen Internet nur noch "Westkorea" nennen.

US-Demokraten und -Republikaner einig über Taiwan

Pelosi wurde von Taiwans Außenminister Joseph Wu empfangen und traf mit Präsidentin Tsai Ing-wen zusammen. Beide Frauen gelten als standhafte Politikerinnen mit festen Überzeugungen. Tsai wiederholte, dass Taiwan alles tun werde, um sich gegen den Aggressor nebenan selbst verteidigen zu können. US-Präsident Biden hatte im vergangenen Jahr wiederholt betont, dass Washington Taiwan im Falle einer chinesischen Invasion militärisch beistehen wolle.

Autorenbild | Alexander Görlach
DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: Hong Kiu Cheng

Das ist die Position der USA seit der ersten Formalisierung ihrer Taiwan-Politik im "Taiwan Relations Act" aus dem Jahr 1979. Es gibt ein China, und das ist die Volksrepublik. Die Republik China, das Rückzugsgebiet der unterlegenen Bürgerkriegspartei, existiert auf Taiwan weiter. Die Taiwan-Politik ist eines der wenigen Themen im US-Kongress, bei dem Einigkeit zwischen Demokraten und Republikanern herrscht. Washington hat stets "anerkannt", dass Peking behauptet, Taiwan sei Teil seines Staatsgebiets, aber niemals diese Behauptung unterstützt. Vielmehr war es immer Teil der US-Politik, dass der Status Quo nicht gewaltsam und gegen den Willen der Menschen auf Taiwan verändert werden darf. Genau das will inzwischen aber Chinas Machthaber Xi Jinping.

Chinas Reaktion besteht nun aus Blockaden von Gütern für und von Taiwan, sowie einer Militärübung vor der Küste des Landes. Die, so sagt die Regierung in Taipeh, schneide das Land quasi vom Rest der Welt ab. Nancy Pelosi muss aufgrund dieses Militäraufgebots, das auch scharfe Munition einsetzt, eine alternative Flugroute für ihre Rückreise finden, damit ihr Flugzeug nicht abgeschossen werden kann.

Seeblockade als Auftakt zur Invasion?

In der Tat kreist Peking Taiwan in diesem Moment ein: Vom 4. bis zum 7. August sollen die Manöver an sechs Stellen rund um die demokratische Insel stattfinden. Die Armee der Volksrepublik befindet sich an den neuralgischen Punkten, von denen aus die Invasion Taiwans starten könnte.

In allen Szenarien, die Militärstrategen in der Vergangenheit bezüglich einer Annexion und Besatzung Taiwans durch die Volksrepublik durchdacht haben, spielte eine Seeblockade Taiwans eine entscheidende Rolle. Die Situation kann also eskalieren, sobald der hohe Besuch aus den USA abgereist sein wird. Pelosis Besuch hat der Welt noch einmal deutlich vor Augen geführt, womit sie es in China zu tun hat: Ein riesiges Land, bald die größte Volkswirtschaft der Erde, bedrängt eine kleine Inselnation und will sie zur Unterwerfung zwingen. Ein China, das sich so geriert, ist eines zu viel.

 

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Research Associate am Internet Institut der Universität Oxford. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die freie Welt bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und der Universität von Cambridge inne.