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Höchststrafen für Massaker

4. August 2011

Die juristische Aufarbeitung der Verbrechen aus dem Bürgerkrieg in Guatemala ist einen großen Schritt vorangekommen. Erstmals wurden ehemalige Soldaten verurteilt - für ein Massaker, das drei Jahrzehnte zurückliegt.

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Der Hauptangeklagte Carlos Carías (Foto:Rodrigo Abd/AP)
Der Hauptangeklagte Carlos CaríasBild: dapd

Zu jeweils unvorstellbaren 6060 Jahren Haft sind vier Ex-Militärs in Guatemala-Stadt verurteilt worden. Ein Gericht befand sie des Mordes an 201 Menschen für schuldig. Die vier Männer - heute im Alter zwischen 52 und 57 Jahren - hatten zwischen dem 6. und 8. Dezember 1982 ein Massaker im Dorf Dos Erres, im nördlichen Departemento Petén, befehligt. Männer wurden gefoltert, Frauen vergewaltigt und Kleinkinder zerschmettert - die unvorstellbare Brutalität der Kommandoaktion wurde bereits 1999 von der Kommission für Historische Wahrheitsfindung Guatemalas (CEH) beschrieben.

669 Massenmorde aus der Zeit des 36-jährigen Bürgerkriegs zwischen 1960 und 1996 wurden bislang dokumentiert. In dem Konflikt starben mehr als 200.000 Menschen, mehr als 40.000 gelten als "verschwunden". Die meisten Opfer gehen auf das Konto des Militärs, so die CEH. Die juristische Aufarbeitung dieser Verbrechen hat erst im Jahr 2000 begonnen - das jetzige Urteil gegen die vier ehemalige Elitesoldaten dürfte dabei als ein Meilenstein gelten.

Polizeiakten aus der Zeit des Bürgerkriegs (Foto: AP/Rodrigo Abd)
Während des Bürgerkriegs starben und verschwanden hunderttausende MenschenBild: AP

Die Angeklagten wurden vom Gericht einstimmig für jedes Opfer mit einer Haftstrafe von jeweils 30 Jahren zur Rechenschaft gezogen. Hinzu kommen 30 Jahre wegen "Vergehen gegen die Menschenrechte", berichtet die guatemaltekische Zeitung "Prensa Libre". Der Oberleutnant und Kommandeur der ehemaligen Soldaten, Carlos Carías, bekam zusätzliche sechs Jahre. Er habe im Anschluss an das Massaker Plünderungen begangen. Tatsächlich stehen den Angeklagten jedoch maximal 50 Jahre Gefängnis bevor, wie es das guatemaltekische Strafgesetzesbuch vorsehe, erklärte Richterin Patricia Bustamante in der Urteilsverkündung.

Massaker als "Bestrafung und Abschreckung"

Alle vier Verurteilten waren vom guatemaltekischen Militär in der "Kaibil-Schule" im Regenwald an der Grenze zu Mexiko zu Mitgliedern einer Elitetruppe ausgebildet worden. Es war Teil der Strategie zur Bekämpfung von Guerilla-Truppen. Das Massaker von Dos Erres gilt als militärische Aktion zur Bestrafung der Bevölkerung.

Den Befehl für das Massaker soll der frühere Militärmachthaber Efraín Ríos Montt gegeben haben, der 1982 durch einen Putsch an die Macht gelangt war. "Die Armee nahm fälschlicherweise an, dass die Dorfbewohner mit den Guerillas zusammenarbeiteten. Es sollte ein Exempel statuiert werden, um die Bevölkerung von der Unterstützung der Guerillas abzuschrecken", so Richterin Bustamante.

Als Beweise in dem Gerichtsverfahren galten nicht nur die Augenzeugenberichte von Überlebenden, sondern auch die Aussagen zweier Ex-Soldaten aus der "Kaibil-Schule". Im Zuge des Zeugenschutzprogramms der Staatsanwaltschaft wurden sie aus Mexiko per Videokonferenz dem Gerichtsverfahren zugeschaltet.

Angehörige der Opfer im Gerichtssaal (Foto: EPA/SAUL MARTINEZ)
Auch Angehörige der 201 Opfer aus dem Dorf Dos Erres waren beim Prozess anwesendBild: picture alliance/dpa

Weitermachen "bis zur endgültigen Gerechtigkeit"

Nach der Urteilsverkündung fielen sich Familienangehörige und Überlebende unter Tränen in die Arme. "Ich spüre die Gerechtigkeit, aber ich kann keine Freude ausstrahlen, denn an diesem Ort habe ich die Menschen verloren, die ich am meisten geliebt habe", sagte Luis Saúl Arévalo, der bei dem Massaker seine Eltern sowie seine vier Brüder verloren hatte. "Es wurde Gerechtigkeit verübt. Dieses Gefühl gebührt den Opfern von Dos Erres sowie den Tausenden von Opfern, die das Blutbad in Guatemala zu verzeichnen hat", erklärte Aura Elena Farfán, Aktivistin der "Vereinigung der Familien von Verhafteten und Verschwundenen Guatemalas". Der Kampf um Gerechtigkeit im Fall von Dos Erres habe 17 Jahre gedauert.

Für Nery Rodenas vom Amt für Menschenrechte des guatemaltekischen Erzbistums ist die Botschaft eindeutig: "Die Bevölkerung soll solange die Straftaten des Militärs anklagen, bis völlige Gerechtigkeit herrscht." Wegen des Massakers von Dos Erres soll noch 14 weiteren Mittätern der Prozess gemacht werden.

Autorin: Rosa Muñoz Lima / Lisa Conrad
Redaktion: Hans Spross