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Habemus Papam, USA?

Oliver Samson14. Oktober 2004

Je näher die Wahl in den USA rückt, desto öfter werden die Wähler gefragt, für wen sie ihr Kreuzchen machen wollen. Das ist nicht erhellend, aber immerhin unterhaltsam. Eine Glosse.

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Kandidaten-KürbisseBild: AP

Es gehört zu einem der oft vergessenen Vorteile der Regierungsform Demokratie, dass ihr der überlegene Unterhaltungswert innewohnt. Wahlen sind nun mal spannend. Vielleicht nicht immer in Bayern, aber eben doch häufiger als in den Pseudodemokratien totalitärer Provenienz. Als Ausnahme darf hier der Vatikan gelten. Wobei vor allem die klassische Klarheit der Informationspolitik im Wahlkampf des alteuropäischsten Staates hervorzuheben ist: Das Stimmungsbild der Wahlmänner im Vatikan geht durch den Kamin. Und zwar eindeutig. Schwarzer Rauch: Die Kardinäle haben noch keinen neuen Stellvertreter Gottes auf Erden in ihrer Mitte erkannt. Weißer Rauch: Habemus Papam, heißt es dann in der örtlichen Staatssprache Latein: Es gibt einen neuen Papst.

Auch in der neuen Welt gibt es momentan natürlich (Vorsicht, Metapher) viel Rauch um die Wahl des Oberhauptes der demokratischen Welt. Nur ob der Schwarz oder Weiß ist, weiß niemand zu sagen. Obwohl oder vielleicht sogar weil die USA das Mutterland der Demoskopie ist.

Land der unbegrenzten Umfragen

Viel Geld wird dort verbrannt, um täglich frischen Rauch zu produzieren. Wer wo wen warum am 2. November 2004 zum US-Präsidenten wählt oder es noch nicht weiß, wird in den jeweils allerjüngsten, allerrepräsentativsten, alleraufregendsten Meinungsumfragen abgeklopft. Jeder hat so schließlich was zum Ärgern oder Freuen oder um sich ganz demokratisch Unterhalten zu fühlen.

Der letzte Stand: Unterhaltsam, aber nicht sehr erhellend. Manche der kaum noch zu überschauenden politischen Wetterberichte sehen John Kerry vorn, manche George W. Bush. Der Unterschied zwischen Herausforderer und Präsident liegt immer zwischen einem und vier Prozent. Die statistische Abweichung ihrer Ergebnisse geben die Institute zwischen zwei und vier Prozent an. Als unentschlossen gelten zwischen sieben und 15 Prozent der Wähler. Aha. Also zählen wir mal zusammen und bekommen heraus: Wir wissen nicht, wer gewinnt.

Einpark- und Ankreuzhilfe

Reiner Selbstzweck in Zeiten des Wahlkampfes sind die Umfragen aber nicht: "Einparkhilfe" für Politiker, nannte mal der Chef des deutschen Meinungsforschungsinstitutes Forsa seine Arbeit. Dass ihre Arbeit auch Ankreuzhilfe für Wankelmütige sein kann, ist eine alte Wahlkampf-Weisheit. An der Urne kann sich eben ein nicht unbedeutender Teil der Wähler nicht von der menschlichen Schwäche des Gewinnen-Wollens frei machen und votiert für den aktuell Vornliegenden.

Unlängst konnte das amerikanische Meinungsforschungsinstitut Gallup diesbezüglich noch eine klare Empfehlung geben: Bush war in ihren Umfragen zweistellig vor Kerry geparkt. Die Demokraten rochen die Demagogen in den Demoskopen: Die Kerry nahe stehende Organisation "MoveOn.org" warf Gallup daraufhin in einer ganzseitigen Anzeige in der Zeitung "New York Times" vor, die Ergebnisse zugunsten Bushs zu frisieren. Ausgerechnet Gallup! Schließlich gilt Instituts-Gründer George Horace Gallup als Pionier der modernen Einparkhilfe. Natürlich weist das Institut jeden Vorwurf von sich, aber wir lassen es uns natürlich in aller Demagogie nicht entgehen anzumerken, dass Kerry inzwischen bei Gallup ein Prozent vor Bush liegt. Alles klar?

Sorry, Kerry

Ob das Kerry zum Schreibtisch im Weißen Haus reicht, wagt natürlich auch bei Gallup niemand zu sagen. Klare Ansagen kommen von ganz anderer Seite: Bei den Buchmachern ist Bush klarer Favorit. Und Daniel Height lässt ohnehin schon weißen Rauch aufsteigen. Er ist weder Kardinal noch Meinungsforscher, sondern Maskenverkäufer für Halloween. Die Verkaufsstatistiken der Politikermasken sagen seinen Angaben zufolge seit dem ersten Wahlsieg von Reagan 1980 zuverlässig den Sieger voraus. Wessen Gruselmaske sicher besser verkauft, gewinnt. Bush liegt diesmal bei 53 Prozent, sein Herausforderer bei 47. Sorry Kerry: Habemus Papam, USA!