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Haben Aliens den mysteriösen Monolithen in Wales errichtet?

15. März 2024

Lesen Sie das gerade, weil "Aliens" oder "mysteriös" ihre Aufmerksamkeit geweckt haben? Hinter dem Monolithen-Hype steckt eine ganz irdische Erklärung. Aber warum zieht uns das Unerklärliche, Mysteriöse so in den Bann?

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Metall Monolith in der Wüste von Utah/USA
Alles begann 2020 mit diesem Monolithen in der Wüste von Utah ....Bild: Terrance Siemon/AP/picture alliance

Vom Weltraum aus betrachtet, erscheint Wales im Westen des Vereinigten Königreichs wie eine mystische Landschaft. Weite Wiesenhügel, dunkle Moore und schroffe Berge. Wenige Erdlinge wohnen dort. Ein roter Drache ziert die walisische Flagge und die Sprache verstehen nur Waliser.

Irgendwo im dortigen Nirgendwo entdeckt ein Wanderer im walisischen Hay-on-Wye in der Grafschaft Powys einen mysteriösen Monolithen aus Metall. Der erstaunte Wanderer postet ein Bild von sich vor dem etwa drei Meter hohen glänzenden Objekt.

Es dauert nicht lange, dann springen die Medien in Großbritannien auf das Thema an. Es sei auf den ersten Blick schon ein bisschen unheimlich, sagt der Finder der Zeitung The Guardian: "Es sieht aus wie ein UFO."

Wo könnte es nur herkommen? "Das Objekt sieht nicht so aus, als habe es jemand da abgeworfen, das hat jemand gezielt dort in den Boden gedrückt", analysiert der Wanderer.

Ein wandernder UFO-Experte

Der Finder und die Zeitung haben alles richtig gemacht: Sie haben ein Mysterium um die Herkunft geschaffen und die wichtigsten Schlagworte verwendet: "unheimlich" und "UFO", schon geht die Meldung um die Welt.

Gegenüber der altehrwürdigen "New York Times" sagt der 37-jährige Entdecker: "Man kann schnell glauben, dass es von einem UFO oder ähnlichem abgeworfen wurde." Der perfekte Monolith sei einer "wie man sie aus Ägypten kennt" (wer kennt sie nicht?) und der Stahl zeige "keine Schweißnaht".

Da der Entdecker nun zufällig in einer Schweißerfamilie aufgewachsen ist und selbst viel mit Metall arbeitet, lautet sein professionelles Urteil: Bei diesem Objekt habe "jemand eine verdammt gute Arbeit gemacht".

Aliens als Antwort - was sonst?

Auch in Wales sind gute Handwerker nur sehr schwer zu finden. Ein weiterer, vermeintlich guter Grund dafür, dass Aliens diesen Monolithen aufgestellt haben müssen: Wer sonst würde das in dieser menschenleeren Gegend tun?

Sind sie also längst unter uns, die Aliens? Vermessen sie die Erde bereits? Oder was will uns dieses Objekt sagen?

Es ist schon auffallend, dass die Aliens sich vor allem für sehr ursprüngliche, abgelegene Gegenden zu interessieren scheinen. Die Gegend in Wales ist sogar so abgelegen - oder rückständig, je nach Auffassung -, dass der Monolithen-Unfug erst vier Jahre nach den ersten Monolithen-Funden endlich auch in Wales angekommen ist.

Weltweite Nachahmung

Denn bereits 2020, als die Erdenmenschen gerade weltweit gegen ein kleines Coronavirus kämpften, entdeckten US-Beamte beim Schäfchenzählen (nicht vor dem Einschlafen, sondern aus einem Hubschrauber heraus) den ersten Monolithen im Red Rock County in Utah. Eine Sensation! Alle berichteten über das seltsame Gebilde im Nichts.

Bald danach wurden ähnliche Objekte in Kalifornien, Rumänien, Großbritannien, den Niederlanden, der Türkei und im deutschen Bundesland Hessen entdeckt. Häufig an Orten, wo es vor allem eines gibt: fast nichts!

Die Faszination des Unbegreiflichen

Das Unerklärliche, Mysteriöse, Unentdeckte zieht uns seit Urzeiten in den Bann. Mystische Orte und Dinge, die wir (zunächst) nicht erklären können, wecken unsere Neugier. 

Der US-amerikanische Psychologe W. McDougall sagte Anfang des 20. Jahrhunderts, Neugier sei der wesentliche Kern von jeder Art von Motivation. Und damit auch die Grundlage für die besonderen wissenschaftlichen und kulturellen Leistungen des Menschen. Neugier sei ein Instinkt und deshalb bei Kleinkindern schon vor dem Auftreten der Sprache zu beobachten.

Je abgelegener, je unerreichbarer, desto größer die Neugier. Die sagenumwobene Insel Atlantis, das Schiffe verschlingende Bermuda-Dreieck im westlichen Atlantis, UFOs und Aliens, Astrologie, übernatürliche Kräfte oder gigantische Kornkreise - je unerklärlicher, desto anziehender.

“Es ist die Faszination des Außergewöhnlichen. Wenn uns Gewöhnliches genauso faszinieren würde, kämen wir gar nicht mehr dazu, unsere alltäglichen Anforderungen wahrzunehmen. So negativ die Auswirkungen dieser Begeisterungen auch sein mögen: sie sind keinesfalls `eine Panne der Natur´“, so der Psychologe Dr. Günter Molz von der Bergischen Universität Wuppertal. “Weiterer Vorzug des Außergewöhnlichen: Diejenigen, die außergewöhnliche Thesen vertreten, sind `nicht normal´ im Sinne von unauffällig, langweilig. Sie vertreten eine exklusive Position, fühlen sich unter Umständen narzisstisch gratifiziert“, so Molz gegenüber der DW. Diese Personen haben also möglicherweise ein übertriebenes Bedürfnis nach Bewunderung.

Wir Menschen wollen Dinge nicht nur wahrnehmen, sondern auch verstehen. Wir sind darauf konditioniert, Dinge untersuchen, "begreifen" und erklären zu wollen. Was für uns ein Geheimnis bleibt, was "unfassbar" ist, bezeichnen wir als "mysteriös".

Dann suchen wir nach mehr oder eben auch weniger plausiblen Erklärungen - zum Beispiel in der Wissenschaft, in der Para- oder Pseudowissenschaft, in der Esoterik, im Aberglauben oder in Religionen. Alle Bereiche neigen dazu, einen gewissen Absolutheitsanspruch für sich zu beanspruchen. “Nicht-wissenschaftliche Erklärungen haben zudem halt eben den oben angesprochenen Exklusivitätsvorteil“, so der Psychologe Molz. 

Gibt es Aliens?

Aufmerksamkeit statt Aliens

Mag sein, dass eine außerterrestrische Lebensform ein gesteigertes Interesse an der walisischen, rumänischen oder hessischen Provinz hat. Allerdings entpuppten sich die Monolithen in der Vergangenheit als vergleichsweise plumpe Versuche, Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Denn unmittelbar nach Bekanntwerden eines Monolithen strömen Heerscharen an Touristen, Schaulustigen und Sinnsuchern zu den Objekten. Und in ihrem Gefolge Souvenirhändler, Imbissbuden und andere Glücksritter.

Verantwortlich für den ersten Monolithen in Utah war der Künstler Matty Way. Als der Hype seinen Höhepunkt erreichte, gab er sich als "The Most Famous Artist" zu erkennen. Über sein Künstlerkollektiv konnte man Repliken des Monolithen für 45.000 US-Dollar bestellen.

Tolle Geschäftsidee, dachten sich vier Hobbykünstler aus Kalifornien und errichteten ebenfalls Monolithen im Sonnenstaat. Weitere Trittbrettfahrer folgten, so begann das Monolithen-Phänomen.

Die Monolithen in Rumänien, Spanien und Hessen waren allerdings so schlecht geschweißt, dass sich Aliens dafür vermutlich schämen würden. 

Die Schattenseiten des Hypes

Ist die Aufmerksamkeit erst einmal geweckt, was durch Sozial Media natürlich noch viel einfacher geworden ist, dann wollen alle den Ort oder das Objekt sehen oder daran verdienen. Wer weiß, wie lange es zu sehen ist. 

Darauf wies auch der findige Entdecker aus Wales gleich hin: "Ich kann nicht sagen, wie lange das Objekt da stehen wird, ganz ehrlich", sagte er. "So wie ich unsere Nationalparks kenne, die finden das nicht witzig, wenn jemand einfach was aufstellt."

Da hat er vermutlich recht. Denn nach der kurzen Freude über den unverhofften Geldsegen folgt in der betroffenen Region sehr schnell die Wut der Anwohner oder Naturschützer, die miterleben müssen, wie die bis dahin unberührte Landschaft durch den Andrang vermüllt und verwüstet wird.

"Wir möchten alle Besucher darauf hinweisen, dass die Nutzung, Besetzung und Entwicklung öffentlicher Ländereien und ihrer Ressourcen illegal ist - egal, von welchem Planeten Sie kommen", scherzte das Bureau of Land Management auf Twitter. 

Viele der Monolithen wurden bald zerstört oder von den Behörden wieder entfernt. Vorsorglich hatte das Utah Department of Public Safety den genauen Standort des Monolithen verheimlicht, damit sich die Touristenströme gar nicht erst in Bewegung setzen und nicht weitere Objekte in der unberührten Natur errichtet werden.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund