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Haiti: Geschichte der Gewalt

Christine Harjes10. März 2004

33 Umstürze hat Haiti seit seiner Unabhängigkeitserklärung vor 200 Jahren hinter sich. Die erzwungene Absetzung von Jean-Bertrande Aristide ist nur das jüngste Beispiel.

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Brandstiftung durch haitianische Rebellen in GonaivesBild: AP

Haiti hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Seit Christoph Columbus die Insel 1492 entdeckte, hat Gewalt immer eine große Rolle gespielt. So rotteten die spanischen Siedler die Ur-Einwohner, die "Arawak-Indianer", innerhalb von 25 Jahren aus. Im frühen 17. Jahrhundert begannen Franzosen, sich auf der Insel anzusiedeln. 1697 überließen die Spanier den französischen Kolonialherren das westliche Drittel der Insel. Seitdem ist die Hispaniola in die heute noch spanischsprachige Dominikanische Republik und das französischsprachige Haiti geteilt.

HAITI Karte GONAIVES und Cap-Haitien Port-au-Prince AP Grafik
Bild: AP

Sklavenaufstand

Durch ihren rücksichtslosen Handel mit afrikanischen Sklaven wurde die französische Kolonie bald eine der wohlhabendsten der Karibik. Der Handel mit Zucker und die Forstwirtschaft bildeten den ökonomischen Schwerpunkt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts begannen die 500.000 Sklaven sich gegen die französischen Kolonialherren aufzulehnen. Unter der Führung von Toussaint L'Ouverture konnten die Sklaven 1804 schließlich die erste unabhängige Schwarze Republik ausrufen. Immerhin 80 Jahre bevor Kuba oder Brasilien sich aus der Sklaverei befreien konnten. Toussaint L'Ouverture, der "Schwarze Spartakus", gilt als der bekannteste Politiker aus der Zeit des Unabhängigkeitskampfes. Der haitianische Präsident Jean-Bertrand Aristide versucht sich noch heute mit dem Freiheitskämpfer zu schmücken, wenn er behauptet, in einem symbolischen Verwandtschaftsverhältnis zu ihm zu stehen.

Machthungrige Diktatoren

Nach den blutigen Schlachten um die Unabhängigkeit gingen die Kämpfe weiter: 32 gewaltsame Machtwechsel musste das heute ärmste Land der westlichen Hemisphäre bisher verzeichnen. Selten ging es dabei um das Allgemeinwohl. Meistens standen persönliche Interessen der Machthaber im Vordergrund. Der Diktator "Baby Doc" Duvalier war einer der gefürchtetsten Gewaltherrscher Haitis. Vor 18 Jahren trieben Rebellen ihn aus dem Amt und ins französische Exil. Parallelen zu den aktuellen Aufständen gegen Jean-Bertrand Aristide werden nun sichtbar. Wie "Baby Doc" verfügt auch Aristide über Terroreinheiten, die "Chimères", mit denen er die Bevölkerung einschüchtert. Und wie bei dem Aufstand gegen "Baby Doc" Duvalier begann auch die Rebellion gegen Aristide im nord-westlichen Gonaives und breitete sich von dort über das ganze Land aus.

Bevor der ehemalige Armenpriester Jean-Bertrand Aristide 1990 bei den ersten demokratischen Wahlen mit 90 Prozent der Wählerstimmen zum Präsidenten gewählt wurde, waren verschiedene Militärregierungen auf die Regierung von "Baby Doc" Duvalier gefolgt. Auch Aristide wurde nach kurzer Zeit vom Militär gestürzt und ging in die USA ins Exil. 1994 hievte die US-Regierung den Armenpriester wieder in sein Amt. Während der letzten zehn Jahre wurde die Kritik an Aristide immer lauter. Wahlfälschung bei den Präsidentschaftswahlen vor vier Jahren ist nur einer der vielen Vorwürfe, mit denen die Opposition den Präsidenten konfrontiert.

Wenig Hoffnung

Haitis Tradition der blutigen Umstürze scheint nicht abzubrechen, auch wenn sich die USA jetzt um eine friedliche Lösung des Konflikts bemühen. Bisher ist die Opposition nicht bereit, den US-amerikanischen Friedensplan anzunehmen, da Aristide nach dem Plan nicht zurücktreten müsste. Doch auch ein Regierungswechsel würde dem Land vermutlich nicht zu mehr Stabilität verhelfen. Noch ist es keinem der vielen Machthaber gelungen, den Staat durch Gesetze zu stärken und so einen institutionellen Rahmen zu schaffen. So wird der schwache Staat weiter ein guter Nährboden für mächtige Diktatoren bleiben.