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Der Wald bleibt, mehr Menschen müssen gehen

17. Januar 2020

Deutschland steigt bis 2038 aus der Kohle aus. Der umkämpfte Hambacher Wald wird nun geschützt, doch weitere Dörfer sollen dem Tagebau weichen. Aktivisten und Dorfbewohner sind entsetzt. Auch RWE ist unzufrieden.

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Luftbild des Hambacher Forsts am Tagebau Hambach
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

Es ist sonnig und mild, die Vögel zwitschern wie im Frühling, Wildschweine durchkreuzen den Hambacher Wald. Der Beschluss der Bundesregierung, dass dieser Wald nun doch nicht für den Kohletagebau abgeholzt werden soll, ist für Umweltschützer und Dorfbewohner die gute Nachricht.

"Es gibt einem unglaublich viel Kraft, dass die Klimabewegung stark ist. Sie hat es geschafft, den 'Hambi' zu retten und das ist der große Verdienst der Besetzung hier im Wald", sagt Kathrin Henneberger vom Aktionsbündnis Ende Gelände. "Daraus schöpfen wir jetzt neue Kraft, um weiter gegen die Klimakrise zu kämpfen."

Symbol der Klimabewegung  

Der Hambacher Wald direkt neben einer gigantischen Kohlegrube wurde in den letzten Jahren zu einem wichtigen Symbol der europäischen Klimabewegung. In den Kraftwerken der großen Tagebaue bei Köln wird so viel CO2 in die Atmosphäre geblasen wie nirgends sonst in der EU.

Klimaaktivisten errichteten deshalb ab 2012 Baumhäuser im Hambacher Wald, um gegen die drohende Abholzung und den Ausbau des Tagesbaus Hambach zu demonstrieren. Die Proteste gegen den Kohlekonzern RWE und die Politik der Landes- und Bundesregierung wurden im Lauf der Jahre immer lauter und bürgerlicher. Der Höhepunkt der Proteste war im Herbst 2018: Mehrere zehntausend Menschen demonstrierten am Hambacher Wald gegen den Kohlestrom und für die Einhaltung der Klimaziele von Paris.

Klimaaktivisten von Ende Gelände blockieren die Gleise vor dem Braunkohlekraftwerk Neurath bei Köln
Gleisblockade vor Deutschlands größtem Kohlekraftwerk bei Köln: Bis 2038 will RWE hier weiter Kohle verbrennenBild: DW/G. Rueter

Wut und Enttäuschung der Dorfbewohner

Am Tag des verkündeten Kohleausstiegs treffen wir auch Britta Kox im Hambacher Wald. Sie kommt aus dem Dorf Berverath am benachbarten Tagebau Garzweiler. Dort mussten in den letzen Jahren viele Dörfer den Kohlebaggern weichen. Laut Beschluss der Bundesregierung sollen noch sechs weitere Dörfer abgebaggert werden, auch ihre Familie soll umziehen. Kox ist aufgewühlt und enttäuscht von der Politik.

"Ich bin wütend und fassungslos. Dieses Ergebnis ist eine Katastrophe für uns Menschen in den Dörfern. Die Bundesregierung zerstört das Klima und NRW-Ministerpräsident Laschet will unsere Dörfer vernichten. Aber wir leben hier und wollen hier bleiben!“ so Kox. "Das Gesetz wurde auf Bundesebene mit den Konzernen ausgehandelt. Wir Betroffenen wurden wieder komplett ignoriert."

Kox verweist auf das Gutachten vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) “Das Gutachten zeigt, dass die Dörfer stehen bleiben können und auch der Wald hier, und die Kohle hier in den Tagebauen noch weit bis nach 2038 reicht." Sie rechne fest mit der Unterstützung der Aktivisten vom Hambacher Forst für den Erhalt der Dörfer, sagt Kox, die im Haus ihrer Großmutter lebt. "Wir bleiben und wir werden uns nicht vertreiben lassen. Nicht für Geld und gute Worte."

Drei Klimaschützer stehen im Hambacher Wald
Weiter entschlossen für den Klimaschutz: Hubert Perschke, Kathin Henneberger und Britta Kox im Hambacher Wald Bild: DW/Gero Rueter

Auch Hubert Perschke ist in den Hambacher Wald gekommen und zeigt Fotos des Dorfs Manheim, nur einige Kilometer vom Waldrand entfernt. "Ich war gerade da und jetzt wurden die Fenster aus der Kirche demontiert”, erzählt der 72- Jährige. Er kommt von der Bürgerinitative im Nachbarort Buir, der von den Baggern verschont wird.    

Neue Chancen für den Hambacher Forst

Die Orte Manheim und Morschenich am Rande des Tagebaus Hambach dagegen wurden bereits fast komplett dem Erdboden gleichgemacht - obwohl hier noch einige Menschen, darunter drei Landwirte und ihre Familien wohnen. RWE hat bereits Fakten geschaffen, dabei wird hier sehr wahrscheinlich gar keine Kohle mehr gefördert. "Fatal" nennt das Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gegenüber der DW : "Es wäre zynisch, wenn dieses Zerstörungswerk fortgesetzt würde, nur, um an dieser Stelle überflüssige Gewerbeflächen zu bauen."

Umweltaktivisten stehen im Freien vor einer Karte des Hambacher Waldes
Umweltschützer Jansen (Mitte) erklärt Mitgliedern der Kohlekommission die Lage vor Ort (Archivbild) Bild: DW/G. Rueter

Hoffnung hat Jansen indes für den Hambacher Forst, auch wenn nur rund 550 Hektar des früher mehr als 4000 Hektar umfassenden Altwalds der Rodung entgangen sind: "Jeder Quadratmeter ist es wert, erhalten zu werden, denn der Wald ist ein von der EU ausdrücklich geschützter Typ."

Der Hambacher Wald könne nach 150 Jahren massiven Eingriffs durch den Bergbau nun zum Ausgangspunkt für eine grüne Entwicklung des Rheinischen Braunkohlereviers werden. "Das Grundwasser wurde abgepumpt für die Kohlegewinnung. Die Wurzeln sind trocken. Doch die Böden bestehen aus Parabraunerden und Pseudogleye mit einem hohen Wasserhaltungsvermögen, so dass der Wald das Niederschlagswasser speichern kann."

Jansen sorgt sich besonders um die dem Tagebau Hambach zugewandte Seite des Forstes. Die Bagger sind dort auf wenige hundert Meter herangerückt und, die Grube ist rund 400 Meter tief und Windverhältnisse, Hitze und Trockenheit sind extrem. "Man sieht schon, dass der Waldsaum Richtung Tagebau stark bedroht wird. Dem gilt es jetzt, entgegenzuwirken und schnellstmöglich den Tagebau Hambach zu beenden", so der BUND-Sprecher. Den Zustand des Waldes beleuchtet auch eine Studie des Potsdam Instituts für Klimaforschung der Uni Eberswalde.

Es dürfe künftig nicht mehr nur um die wirtschaftliche Entwicklung der Region gehen, sondern auch um den Naturschutz und eine ökologische In-wertsetzung, so Dirk Jansen. Die Region biete Potentiale zum Ausbau erneuerbarer Energien und zur nachhaltigen, ökologischen landwirtschaftlichen Nutzung. Um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, zu denen sich die Bundesregierung verpflichtet hat, müsste laut BUND der Kohleausstieg spätestens 2030 abgeschlossen sein. Die Arbeitsplätze könnten über einige Jahre noch sozialverträglich erhalten werden. 

"Die RWE-Kraftwerke sind aus den 1960er Jahren, somit veraltet und längst wirtschaftlich abgeschrieben", wettert Oliver Krischer, energiepolitischer Sprecher bei Bündnis 90/ Die Grünen. RWE verdiene mit erneuerbaren Energien längst dreimal soviel als mit der Verstromung von Gas und Kohle.

RWE-Vorstandschef Rolf Martin Schmitz
Nicht erfreut über den Kohleausstieg: RWE-Vorstandschef Rolf Martin Schmitz Bild: picture alliance/dpa/R. Vennenbernd

RWE sieht sich als Verlierer

Doch der Energiekonzern sieht die Entscheidung der Bundesregierung kritisch. Das Ergebnis führe zu einer weiteren Zäsur im Konzern, die Konsequenzen für Beschäftigte und Unternehmen seien gravierend, konstatierte hingegen der RWE-Vorstandsvorsitzende Rolf Martin Schmitz in Essen. "Wir haben die Genehmigung zur Gewinnung von gut 2,1 Milliarden Tonnen Kohle gehabt. Über 1,1 Milliarden Tonnen der für den Abbau genehmigten Vorräte bleiben nun in der Erde." 

RWE trage die Hauptlast der nun gefundenen Lösung zur Befriedung des gesellschaftlichen und politischen Konfliktes und zur Erreichung der Klimaschutzziele. "Wir alle wollen die Ziele erreichen", hob Schmitz hervor. Dass der Hambacher Forst erhalten bleibt, kommentierte Rolf Schmitz in Richtung Waldbesetzer: "Aus Protestgründen gibt es keine Notwendigkeit mehr, in den Bäumen zu sitzen, außer als Hobby."   

Rueter Gero Kommentarbild App
Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion