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Hamid Karsai

2. Dezember 2002

2.12.2002: Ich bin wohlbehalten zurück in Köln. Aber auf dem Rückflug ist etwas passiert, das mich fast schon zum Schreiben zwingt.

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Ein unerwarteter InterviewpartnerBild: AP

Erst mit der Transall in der Seitwärtshängematte zurück nach Termes in Usbekistan. Alles normal. Ein ruhiger Flug. Alle Spuktüten unbenutzt. Dann vier Stunden warten. Und dann umsteigen in den Airbus der Bundesluftwaffe. Erst die heimkehrenden Soldaten und ich ... und dann? Fast die komplette afghanische Delegation, die zur zweiten internationalen Afghanistan-Konferenz auf den Bonner Petersberg reist, inklusive Präsident Hamid Karsai in seinem farbenfrohen traditionellen Umhang.

Insgeheim hatte ich darauf gehofft und mir im Kopf auch schon einen Plan zurechtgelegt, aber hundertprozentig gewusst habe ich es bis zum Schluss nicht. Jetzt waren die Würfel also gefallen und ich hatte nur noch ein Ziel: Ich möchte Präsident Karsai ein paar Fragen stellen.

Ich schreibe einen kurzen Brief an seinen Wiederaufbauminister Amin Farhang, mit dem ich schon in Kabul ein langes Gespräch führen konnte. Minister Farhang schläft, als ich ihm meinen Zettel in die Hand drücken will. Aber sein Essenstisch ist heruntergeklappt, also schiebe ich das zusammengefaltete Papier vorsichtig in seine Nähe.

Eine halbe Stunde später steht er lächelnd neben mir und verspricht, mit dem Präsidenten über mein Anliegen zu sprechen. Aber der Präsident müsse noch an seiner Rede arbeiten, und schlafen müsse er auch noch. Kein Problem, ICH habe alle Zeit der Welt.

Ich bedanke mich herzlich und lehne mich entspannt in meinem Sessel zurück. Ein Soldat, der zwei Sitze weiter rechts von mir sitzt, will von mir wissen, ob ich jemanden in der afghanischen Delegation kenne, der gut deutsch spricht.

Ich deute mit dem Finger auf Minister Farhang, der noch ziemlich nah bei uns im Gang steht. Der Soldat nickt mir zu und geht direkt auf den Minister zu. Die beiden reden eine Weile, dann lacht der Minister und der Soldat geht zurück auf seinen Platz. Keine Ahnung, was die beiden miteinander zu bereden hatten. Ich nicke ein.

Wir sind schon lange unterwegs. Nur noch knapp zwei Stunden bis zur Landung. Der deutsche Botschafter in Kabul, der auch mit in der Maschine sitzt, gibt mir ein Zeichen, dass ich nach vorne zu Minister Farhang gehen soll. Und der Soldat zwei Sitze weiter rechts solle auch mitkommen. Der zieht noch schnell eine große Kartographie von Kabul aus seinem Rucksack und los geht’s.

Minister Farhang winkt uns dann gleich durch zum Präsidenten. Er hat Wort gehalten. Der Soldat bittet Hamid Karsai um ein Autogramm für seine Truppe, aber bitte mit Datum von heute. Karzai lächelt, aber versteht nicht wirklich, was er schreiben soll.

Der Soldat fragt, ob ich übersetzen kann. "Your signature, Your Excillency, signed with today’s date." "All right, now I have got it!" Der Präsident lacht, unterschreibt, schüttelt dem Soldaten die Hand, bedankt sich herzlich für den Einsatz in Afghanistan und wünscht ihm alles Gute. Dann bin ich dran.

Der Präsident steht wieder auf, schüttelt mir die Hand, ich stelle mich vor und frage ihn, ob ich ihm ein paar Fragen stellen darf. "Sure, no problem. Where is your seat? I will send someone in five minute’s time. I first have to talk to someone else." "Sure. Thank you very much, Mr. President."

Und so war es dann auch. Sein Sprecher kam exakt fünf Minuten später, und wir einigten uns darauf, dass ich drei Fragen stellen kann. Präsident Karsai hat eine sehr sonore, einprägsame Stimme, und er gibt mir nie das Gefühl, dass ich mich beeilen muss. Aber trotzdem. Nur drei Fragen und aus. Ich will nicht wortbrüchig werden.

Ich bedanke mich und schlendere zu meinem Platz zurück. Der Soldat von zwei Sitze weiter rechts fragt, ob alles geklappt hat. Hat es. "Der ist ja total nett, finden Sie nicht? Ich habe noch nie so einen netten Präsidenten gesehen," sagt der Soldat und schaut glücklich auf sein Autogramm.

Und ich habe noch nie einen Präsidenten gesehen, der aussieht wie der eineiige Zwilling von Oscar-Preisträger Ben Kinglsey.