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Waffenhandel boomt

18. Dezember 2006

Die Bundesregierung hatte angekündigt, eine restriktivere Rüstungspolitik zu machen. Der jährliche Rüstungsexportbericht der Kirchen zieht aber ein anderes Fazit. "Expansiv" seien die Exporte aus Deutschland.

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Deutscher Spürpanzer Fuchs, Foto: dpa
Spürpanzer "Fuchs": Nur einer von vielen ExportschlagernBild: AP

Wegen einer Zunahme von Waffenlieferungen in die Krisenregionen der Welt haben Kirchen europaweit verbindliche Rüstungsexport-Standards gefordert. Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) aus Protestanten und Katholiken appellierte an die Bundesregierung, die kommende Ratspräsidentschaft zu diesem Zweck zu nutzen. Am Montag (18.12.) präsentierte die GKKE in Berlin ihren jährlichen Rüstungsexportbericht. Die Bundesregierung hatte ihren Rüstungsexportbericht Ende September verabschiedet.

Alleine Deutschland exportierte im Jahr 2005 Kriegswaffen im Wert von 1,65 Milliarden Euro. Das sind 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Rüstungsexporte insgesamt stiegen von 3,8 Milliarden auf 4,2 Milliarden Euro. Im Jahr 2005 erhielten Entwicklungsländer, die zugleich Empfänger öffentlicher Entwicklungshilfe sind, Rüstungsgüter im Wert von rund 1,6 Milliarden Euro. Die Rüstungsexporte seien "expansiv", sagte der evangelische Vorsitzende der GKKE, Stephan Reimers. Nach GKKE-Angaben sind neben Deutschland Frankreich und England große Exporteure.

EU-Kodex nicht ausreichend

GKKE-Mitglied Bernhard Moltmann erklärte, dass der bislang geltende EU-Kodex lediglich eine Selbstverpflichtung sei. Diese Selbstverpflichtung müsste in einen gemeinsamen Standpunkt des Rates umgearbeitet werden, an den sich die Regierungen der EU-Länder dann auch halten und ihn in Landesrecht umsetzen.

Bislang hatten sich die EU-Mitglieder lediglich darauf verständigt, neben der wirtschaftlichen auch die demokratische Situation in potenziellen Empfängerländern zu prüfen. Der Kodex fordert unter anderem, dass Kriterien wie die Achtung der Menschenrechte durch die belieferte Regierung oder die Abwesenheit interner Gewaltkonflikte erfüllt sind. Da er aber nicht verbindlich ist, darf seine Wirkung bezweifelt werden.

Denn: Dem offiziellen Rüstungsexportbericht 2005 zufolge habe die Bundesregierung in 46 Fällen Ausfuhrgenehmigungen erteilt, die den Kriterien des Kodex nicht in vollem Umfang entsprächen. Es handelt sich um Waren im Wert von insgesamt 921 Millionen Euro.

Waffenexporte nach Israel "besondes heikel"

Logo der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE)
GKKE: "Deutschland muss Ratspräsidentschaft nutzen"

Doch der Bericht geht noch weiter. Rüstungsexporte nach Israel sind nach Auffassung Moltmanns besonders heikel – vor allem nach den jüngsten Aussagen des israelischen Ministerpräsidenten Olmert über die atomare Bewaffnung seines Landes. Lieferungen gewännen deswegen an Brisanz, weil beispielsweise aus Deutschland gelieferte U-Boote atomar bestückt werden könnten, sagte Olmert.

Noch 2005 hatte die frühere Bundesregierung einen Vertrag mit Israel abgeschlossen, der die Lieferung von zwei weiteren "Dolphin"-U-Booten" vorsah. Der dazugehörige Industrievertrag wurde am 6. Juli 2006 in Berlin unterzeichnet. Die mit außenluftunabhängigen Brennstoffzellenantrieb ausgestatteten U-Boote erlauben es, länger zu tauchen und weiter zu fahren.

Auch die Exporte nach Südafrika im Wert von 614 Millionen Euro bewertet der Bericht als problematisch. Denn es sei zweifelhaft, ob sich ein solches Land unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten solch "horrende Investitionen" leisten könne, heißt es. Ins Krisengebiet Irak seien im Jahr 2005 Rüstungsexporte in Höhe von über 25 Millionen Euro von der Bundesregierung genehmigt worden.

Versprechen gebrochen?

Laut Auffassung des katholischen Vorsitzenden der GKKE, Prälat Karl Jüsten, widersprechen die Zahlen der Ankündigung der Bundesregierung, eine restriktivere Rüstungsexport-Politik zu machen. Besonders kritisierte Jüsten die gestiegene Genehmigungsquote für Kleinwaffen als "völlig inakzeptabel", da sie allen politischen Bemühungen zur Eindämmung des Kleinwaffenhandels zuwider liefe.

Nach Einschätzung der GKKE untergräbt der Bund mit Waffenlieferungen in den Nahen Osten und den Irak seine Aussage, dass deutsche Rüstungsgüter nicht zur Verschärfung von Krisen beitragen sollten. Die Bundesregierung konterte: Man setze sich für eine restriktive Rüstungsexportpolitik bei den Entwicklungsländern ein. Besonders die ärmsten Entwicklungsländer bräuchten ihre knappen Mittel dringend für Bildung und Gesundheit, erklärte der Sprecher des Entwicklungsministeriums, Stephan Bethe. (maj)