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Handwerk: Mit Tradition, doch ohne Nachwuchs

3. März 2010

"Am Anfang waren Himmel und Erde. Den ganzen Rest haben wir gemacht": das Plakat einer Imagekampagne des deutschen Handwerks zeigen das Selbstverständnis der Branche. Eigenwerbung hat man allerdings auch dringend nötig.

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Werbeplakat des Handwerks mit dem Slogan 'Am Anfang waren Himmel und Erde. Den ganzen Rest haben wir gemacht' (Foto: ZDH)
Mit Plakaten und Fernsehspots wirbt das Handwerk um NachwuchsBild: ZDH

Der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) schlägt Alarm: Zehntausend Lehrstellen in der Branche werden 2010 unbesetzt bleiben. Die Gründe, warum dem Handwerk der Nachwuchs fehlt, sind vielschichtig. Schuld ist nicht nur die krisenbedingt absinkende Binnenkonjunktur, unter der auch das Handwerk leidet.

Dass junge Leute in andere Berufe streben, daran sind vor allem die deutschen Schulen schuld - findet Professor Friedbert Esser, Leiter der Abteilung Berufsbildung beim Zentralverband des deutschen Handwerks. "Junge Leute wissen zu wenig über das Handwerk", klagt Esser, "gerade Gymnasiasten wissen heute kaum noch etwas über die wirtschaftlichen Realitäten. Die kennen die Möglichkeiten gar nicht, die eine selbstständige Existenz in Handwerksberufen ihnen bietet".

Die Branche hat ein handfestes Imageproblem - so das Ergebnis einer Studie, die der Zentralverband 2007 in Auftrag gegeben hat. "Dass das Handwerk für junge Leute nicht mehr so attraktiv ist, liegt mit Sicherheit auch an uns selbst", räumt Esser ein, "deshalb haben wir jetzt auch die Imagekampagne gestartet, damit der Nachwuchs Interesse an handwerklichen Berufen findet". Mit Plakaten und Fernsehspots, die die gesellschaftliche Bedeutung des Handwerks betonen, buhlt das Handwerk seit Anfang des Jahres in Deutschland um Aufmerksamkeit.

Sinkende Chancen und niedrige Löhne

Dachdecker decken das Dach eines Hauses (Foto: Bilderbox)
Dachdecker verdienen oft weniger als ungelernte BandarbeiterBild: Bilderbox

Dass die Imagekampagne ausreicht, um die darbende Branche langfristig aus dem Tief zu holen, bezweifelt Thomas Kurze von der Gewerkschaft IG Bau. "Die Kampagne ist zwar wichtig, allerdings macht sie nur auf das Handwerk aufmerksam, ohne dessen Probleme zu lösen. Was zählt, sind doch die Chancen und das Einkommen, die ein Beruf bietet." Dass darin genau das Problem des Handwerks liegt, macht Kurze mit einem Beispiel deutlich: "Wenn ein Dachdecker weniger verdient als ein ungelernter Bandarbeiter in der Automobilindustrie, dann trägt das nicht unbedingt zur Attraktivität des Berufs bei".

Deutschlands Schulen dagegen nimmt Kurze in Schutz. Die Ausbildungsreife der Schüler sei nicht der Grund, wenn Lehrstellen unbesetzt blieben. Vielmehr sei es die Ausbildung selber, bei der in der Vergangenheit Fehler gemacht worden seien. "Das Problem sind meiner Ansicht nach die Rahmenbedingungen. Der Auszubildende wird heute immer mehr in die ganz normalen Abläufe des Betriebes eingebunden. Und nach der Ausbildung besteht nur noch selten die Chance, im Betrieb übernommen zu werden."

Eine Branche mit eigener Ethik

Zimmermänner in traditioneller Kluft bei einer Demonstration (Foto: AP)
Ein Handwerk mit Geschichte: Zimmermänner in traditioneller KluftBild: AP

Schlechtes Image, schlechte Löhne - mit dem Handwerk steckt eine besonders traditionsreiche deutsche Branche in Schwierigkeiten. Bereits 1810 wurde in Preußen die Gewerbefreiheit eingeführt, die es jedem Bürger gestattete, sich zum Gesellen oder Meister ausbilden zu lassen, sowie einen eigenen Betrieb zu gründen. Für Friedbert Esser nimmt genau deshalb die Handwerksbranche eine besondere Stellung ein. "Das Handwerk hat im Laufe der Jahrhunderte seine eigene Ethik entwickelt. Ein Meister arbeitet sehr eigenverantwortlich. Wer ausbildet, tut das nicht unbedingt aus ökonomischen Gründen, sondern deshalb, weil es traditionell zum Handwerk gehört."

Seit einigen Jahren schon bemüht sich der Zentralverband um den Eintrag des Handwerks auf die UNESCO Liste für immaterielles Kulturerbe. Das würde der Branche neben einer gehörigen Portion Anerkennung auch den Zugang zu großen Fördertöpfen einbringen – und wäre seinerseits sicherlich auch keine schlechte Imagekampagne.

Autor: Friedel Taube

Redaktion: Kay-Alexander Scholz