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Hartes Durchgreifen gefordert

9. Januar 2011

Zwei Wochen nach ersten Gift-Funden in Tierfutter rückt der politische Streit um Kontrollen und Konsequenzen ins Zentrum des Dioxin-Skandals. Die Herstellerfirma Harles und Jentsch steht nun auch unter Betrugsverdacht.

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Der Schriftzug 'Power to the Bauer' auf der Wand eines Silos der Firma Harles und Jentzsch (Foto: dapd)
Neue Vorwürfe gegen die Futterfettfirma Harles und JentzschBild: dapd

Im Zuge der Debatte um Dioxin-Skandal und Verbraucherschutz gerät nun auch die Verantwortung der Bundesregierung in den Blick. Die Verbraucherorganisation Foodwatch hält der Regierung schwere Versäumnisse und die einseitige Bedienung der Interessen der Futtermittelindustrie vor. Um den Export deutscher Fleischprodukte nicht zu gefährden, habe die Regierung kein Interesse, die Futtermittelindustrie stärker zu belasten, sagte Foodwach-Chef Thilo Bode der Nachrichtenagentur dpa.

Thilo Bode (Foto: DW-TV)
Beklagt zu wenig staatliche Kontrollen: Thilo BodeBild: foodwatch

Es gebe viel zu wenig staatliche Kontrollen der 1700 Futtermittelbetriebe in Deutschland, beklagt Bode. Er verlangt, dass jeder Hersteller jede Charge einer Futtermittelzutat verpflichtend auf Dioxin testet, dokumentiert und bei Überschreitungen verpflichtend die Behörden informiert. "Nur das würde weiterhelfen, damit die schleichende Dioxinvergiftung durch Futtermittel aufhört."

"Kriminelle Energie gepaart mit Skrupellosigkeit"

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner will die Probleme eher mit einem härteren Durchgreifen der Justiz gegen kriminelle Futterhersteller in den Griff kriegen. "Sieht man jetzt die ersten Hintergründe, wird man den Verdacht nicht los, dass sich hier kriminelle Energie mit erschreckender Skrupellosigkeit paart", sagte die CSU-Politikerin der "Bild am Sonntag". Der Strafrahmen müsse ausgeschöpft werden, so Aigner. Möglich sind in schweren Fällen bis zu fünf Jahre Haft. Die Ministerin kündigte an, Gesetzesverschärfungen zu prüfen.

Tausende Hühner in einem Stall eines Geflügelmastbetriebes (Foto: dpa)
Die Zahl der gesperrten Höfe sank von 4700 auf rund 4000Bild: Picture-Alliance/dpa

Erstmals seit Entdeckung giftiger Futtermittel wurde am Wochenende (09.01.2011) die Sperrung von Milchhöfen aufgehoben. Bundesweit waren rund 4700 Betriebe gesperrt worden, weil möglicherweise dioxinverseuchtes Futter verfüttert worden war - 4500 davon allein in Niedersachsen. Dort gab das Agrarministerium aber die ersten 500 Bauernhöfe wieder frei. Auch in Nordrhein-Westfalen wurden zwölf Betriebssperren aufgehoben. Dort sind nun noch knapp 170 Höfe gesperrt.

Betrugsverdacht gegen Futterfetthersteller

Gleichzeitig wurden abermals extrem hohe Dioxinwerte in Futterfetten veröffentlicht. Dabei ging es erneut um Proben des Futterfetthersteller Harles und Jentzsch, der im Zentrum des Skandals steht. Waren am Freitag bereits teils 77-fache Überschreitungen der Dioxin-Grenzwerte festgestellt worden, so meldete das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium am Samstag weitere Extremwerte von bis zu 54,67 Nanogramm Dioxin - bei einem zulässigen Grenzwert von nur 0,75 Nanogramm.

Die Firma Harles und Jentzsch steht nun auch unter Betrugsverdacht. Zudem bestehe der Verdacht der Steuerhinterziehung, sagte der Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. Er ergänzte gegenüber dem "Westfalen-Blatt", vieles spreche dafür, dass Harles und Jentzsch seinen Kunden teures Futterfett verkauft hätte, das von minderwertiger technischer Mischfettsäure stammt. Für eine Tonne Industriefett hätte die Firma demnach lediglich 500 Euro erlösen können, für eine Tonne Futterfett hätten die Kunden aber 1000 Euro bezahlen müssen.

Kein extra Geld für betroffene Bauern

Bundesagrarministerin Ilse Aigner spricht im Deutschen Bundestag (Foto: dpa)
Macht den Bauern wenig Hoffnung auf finanzielle Hilfe: Agrarministerin AignerBild: picture alliance / dpa

Die betroffenen Bauern können vorerst wohl nicht auf staatliche Finanzhilfen setzen. Agrarministerin Aigner reagierte zurückhaltend auf Forderungen etwa des Deutschen Bauernverbandes nach einem Ausgleich finanzieller Einbußen. Am Montag will sich Aigner mit Futtermittelherstellern und landwirtschaftlichen Verbänden treffen, um über Konsequenzen aus dem Skandal zu beraten. Auf EU-Ebene soll es am gleichen Tag ein Krisentreffen zwischen europäischen Futterfett-Herstellern und der EU-Kommission geben.

Autorin: Pia Gram (dpa, dapd, afp, rtr)
Redaktion: Hajo Felten