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Immer mehr Aufstocker

4. Dezember 2008

Auch unter Berufstätigen in Deutschland steigt die Zahl der Hartz-IV-Empfänger. Der Trend begann schon zu Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs.

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Wartende bei der Bundesagentur für Arbeit (Quelle: AP Photo/Michael Probst)
Immer mehr Berufstätigen treten den Gang zur Bundesagentur für Arbeit anBild: AP

Der Satz, "Wer arbeiten geht, kann auch davon leben", gilt in Deutschland längst nicht mehr für jeden Berufstätigen. Die Zahl der Arbeitnehmer, die trotz Vollbeschäftigung auf staatliche Zuschüsse angewiesen sind, erhöhte sich im Laufe des Jahres spürbar. Allein von Januar bis Juli 2008 waren 1,35 Millionen Menschen auf ergänzende Zahlungen zusätzlich zu ihrem Gehalt angewiesen. Neben den etwa 628.000 so genannten Aufstockern mit Vollzeit- oder Teilzeitjob fallen darunter auch rund 724.000 Hartz-IV-Empfänger, die ihr monatliches Einkommen als geringfügig Beschäftigte aufbessern.

Nach einer am Donnerstag (04.12.2008) veröffentlichten Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) stieg die Zahl der Aufstocker, deren Einkommen bei mindestens 800 Euro brutto im Monat liegt, in den ersten sieben Monaten dieses Jahres, um 15.000 auf knapp 385.000 Menschen. Auch die Zahl der Bezieher staatlicher Hilfen mit einem Bruttoverdienst zwischen 400 und 800 Euro habe sich in dieser Zeit um fast 12.000 auf 243.550 vergrößert.

Weniger Hartz-IV-Empfänger, dafür mehr "Aufstocker"

Auf diese Weise werde Lohndumping praktisch vom Staat gefördert, sagte Arbeitsmarktexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Wilhelm Adamy, der "Süddeutschen Zeitung". Obwohl die Zahl der arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger um etwa ein Fünftel gesunken sei, habe sich die Zahl der Aufstocker auch auf lange Sicht auffallend vergrößert. BA-Sprecherin Ilona Mirtschin betonte, dass die Zahlen nicht einfach zu interpretieren seien. Eine Zunahme der Bezieher müsse auch nicht im Widerspruch zum Aufschwung stehen. Vielmehr sei es den Arbeitsagenturen in letzter Zeit sogar öfter gelungen, besonders schwierige Fälle wie gering Qualifizierte oder Langzeitarbeitslose wieder in Lohn und Brot zu bringen. Doch reiche der Verdienst aus diesen Härtefälle-Jobs häufig nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, was wiederum zusätzlich Leistungen aus den Töpfen von Hartz IV erfordere.

Weihnachtlich geschmücktes Kaufhaus in Leipzig (Quelle: Waltraud Grubitzsch, dpa)
Die Konsumfreude der Bürger soll angekurbelt werdenBild: picture-alliance/ dpa

Generell befürchtet jeder zweite Deutsche wegen des wirtschaftlichen Abschwungs, den Gürtel im kommenden Jahr enger schnallen zu müssen. Eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage der Dresdner Bank unter 1300 Bürgern ergab, dass für 2009 rund 47,6 Prozent mit einem geringeren Einkommen rechnen. 41,5 Prozent erwarten eine unveränderte finanzielle Lage während lediglich 9,6 Prozent an einen steigenden Verdienst glauben. Hauptgrund für die weit verbreitete Skepsis ist den Angaben zufolge die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Fast jeder fünfte Deutsche hält seine berufliche Position für gefährdet. An einen sicheren Job glauben nur noch 72,1 Prozent der Berufstätigen, im vergangenen Jahr waren es noch 2,2 Prozent mehr. Sparen wollen die Bundesbürger beispielsweise beim Autokauf oder anderen größeren Anschaffungen sowie an der Urlaubsreise.

Große Koalition gegen Konsum-Gutscheine

Die Idee von SPD-Vizechefin Andrea Nahles und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, die Binnenkonjunktur mit der Ausgabe von Konsum-Gutscheinen im Wert von 500 Euro zu beleben, stieß hingegen bei der Großen Koalition auf wenig Begeisterung. Arbeitsminister Olaf Scholz äußerte sich skeptisch. Stattdessen stellt er den Rentnern für das kommende Jahr eine deutlichere Erhöhung der Bezüge in Aussicht, als es 2008 der Fall war. Zudem will der Minister die Zahl der Vermittler bei der Bundesagentur für Arbeit um 1000 aufstocken, bei den Arbeitsgemeinschaften sollen in den kommenden Jahren 7000 Arbeitsvermittler hinzukommen.

Bundesregierung sagt "Ja" zum Konjunkturpaket

Mi der Mehrheit der Großen Koalition hat der Deutsche Bundestag am Donnerstag das Konjunkturpaket der Bundesregierung beschlossen. Zu den Maßnahmen gehören unter anderem die Aussetzung der Kfz-Steuer beim Neuwagenkauf sowie verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in der Debatte das Paket gegen Kritik aus den Reihen der Opposition verteidigt. Deutschland sei damit international gut aufgestellt. Steuersenkungen lehnte die Kanzlerin erneut ab. Mit dem Konjunkturpaket sollen Investitionen von bis zu 50 Milliarden Euro angeschoben und eine Million Jobs erhalten werden. FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Linkspartei stimmten geschlossen gegen die Vorlage. (SJ)