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Hat die Lebensmittelkontrolle versagt?

7. Juni 2011

Die bislang ergebnislose Suche nach dem Ursprung des EHEC-Keims hat den Ruf nach einer besseren Lebensmittelkontrolle laut werden lassen. Die föderale Struktur der Kontrollen ist ebenfalls umstritten.

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Elektronenmikroskopische Aufnahme von EHEC-Bakterien, einer gefährlichen Variante des harmlosen Darmbewohners Escherichia coli. (Foto:dpa)
Elektromikroskopische Aufnahme von EHEC-BakterienBild: picture-alliance/dpa

Lebensmittelkontrollen werden von Behörden der Bundesländer durchgeführt. Sie arbeiten eigenverantwortlich, sind aber einem bundesweiten Überwachungsplan unterworfen. Seit 2006 arbeiten die Landesbehörden nach diesem mit dem Bund festgelegten Plan, mit dem die Einhaltung von lebensmittelrechtlichen Bestimmungen kontrolliert wird. So werden etwa Lebensmittel auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, Schwermetallen oder anderen Umweltschadstoffen untersucht.

Behörden-Wirrwarr

Die von den Landesbehörden ermittelten Daten werden an das Robert-Koch-Institut weitergeleitet, das dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt ist. Weitere Unterstützung erfahren die Landeskontrolleure vom Bundesinstitut für Risikobewertung, das im Bundeslandwirtschaftsministerium für Lebensmittel- und Produktsicherheit zuständig ist. Aber damit sind immer noch nicht alle Behörden, die in die Suche nach dem EHEC-Keim involviert sind, vorgestellt. Seit einigen Tagen gibt es eine "Task Force" zur EHEC-Krise. Sie soll die Arbeit der Bundes- und Landesbehörden koordinieren. Die "Task Force" ist beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Verbrauchersicherheit angesiedelt.

Regionale Kontrollen sinnvoll?

Portrait von Stefan Etgeton, Verbraucherzentrale Bundesverband, Leiter Fachbereich Gesundheit und Ernährung, im September 2010 in Berlin. (Foto:K.H.Schindler)
Stefan Etgeton vom Bundesverband der VerbraucherzentralenBild: picture alliance/ZB

Diese schwer zu durchschauende Kompetenzverteilung und die Kontrollen unter Aufsicht der Länder rufen Kritik hervor. Vor allem die unterschiedliche Kontrolldichte in den Ländern ist den Kritikern ein Dorn im Auge. Dennoch gibt es auch Argumente, die für eine regionale Kontrolle sprechen. Stefan Etgeton vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) plädiert für Kontrollen durch Experten, die sich mit den lokalen oder regionalen Besonderheiten auskennen: "Die Kontrolleure kennen ihre Pappenheimer und wissen, worauf sie zu achten haben." Damit keine Kumpanei zwischen Kontrollierendem und Kontrolliertem entsteht, fordert Etgeton eine Rotation der Kontrolleure.

Der Lebensmittelkontrolleur Michael Bielak vom Amt fuer Verbraucherschutz misst im November 2005 eine Probe Fleisch im Kuehlhaus einer Metzgerei in Duesseldorf. (Foto:AP)
Lebensmittelkontrolleur bei der Arbeit in einer MetzgereiBild: AP

Während Kleinbetriebe von regionalen Kontrollinstanzen ausreichend überwacht werden können, sieht Etgeton bei Lebensmittelgroßbetrieben Probleme. Hier gilt es nicht so sehr die Hygiene etwa in Schlachträumen zu überwachen, sondern das Qualitätsmanagement-System, das in Großbetrieben zum Einsatz kommt. Hier wird technisch und Computer gestützt kontrolliert, wozu "Kenntnisse und Möglichkeiten vorhanden sein müssen." Stefan Etgeton weiter: "Das sollte man zentral und bundeseinheitlich machen."

Den Grünen geht das nicht weit genug. Sie fordern einen nationalen Kontrollplan mit Checklisten über mögliche Übertragungswege. Die Fraktionsvorsitzende Renate Künast will den Weg vom "Bauern über die Verarbeitung bis zum Restaurant" nachvollziehbar machen.

Lebensmittel – Monitoring

Einer besonderen Kontrolle unterliegen jene Lebensmittel, die besonders gefährdet sind oder bei denen ein erhöhtes Risiko auf Verunreinigung besteht - dazu gehören beispielsweise sämtliche importierten und in Deutschland gefangenen Fischsorten. Bei diesen und anderen Kontrollen war der EHEC-Keim immer schon im Fokus der Lebensmittelkontrolleure. Der jetzt aufgetauchte Keim konnte deshalb nicht gefunden werden, weil sein spezieller Stamm in Europa bisher unbekannt war. Harry Sauer, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure: "Seit wir wissen, um welchen Stamm des EHEC-Keims es geht, wird nach ihm bei den Kontrollen natürlich gesucht."

Verkaufstheke mit frischem Obst und Gemüse (Foto:Sonne07)
Viele Verbraucher sind beim Obst- und Gemüsekauf verunsichertBild: fotolia/sonne07

Ein besonderes Problem bei der Überwachung der Lebensmittelqualität ist die Kontrolle von Importwaren. Zwar sind die ausländischen Produzenten verpflichtet, EU-Standards sowohl bei Fütterung und Haltung von Tieren als auch beim Anbau von Obst und Gemüse einzuhalten. Eine Kontrolle, ob dies auch tatsächlich geschieht, ist aber schwierig und scheitert oft an nationalen Hoheitsrechten. Spricht die EU im Zweifelsfall ein Importverbot aus, errichtet sie Handelshemmnisse, die sie selbst nicht wünscht.

Kritik

Sämtliche Lebensmittel, die nach Deutschland importiert werden, werden an Flughäfen, Landesgrenzen oder Nordseehäfen von den jeweiligen Landesbehörden kontrolliert. Auch wenn die Betriebe außerhalb der EU zur Einhaltung der in Europa geltenden Hygienevorschriften verpflichtet sind, unterliegen ihre Waren einer strengen Kontrolle, wenn sie nach Deutschland gebracht werden. Für Stefan Etgeton vom Bundesverband der Verbraucherzentralen ist hier eine Schwachstelle auszumachen: "Die Kontrolle an Flughäfen oder Häfen darf nicht länger in Händen von regionalen Kontrolleuren liegen. Hier brauchen wir zentrale Kontrollen."

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), am 1.Juni 2011 in Berlin bei einem Pressestatement vor der Sondersitzung des Ausschusses fuer Ernaehrung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Marie-Elisabeth-Lueders-Haus. (Foto:dapd)
Bundesverbraucherministerin Ilse AignerBild: dapd

Nach dem letzten Lebensmittelskandal mit dioxinverseuchten Eiern hatte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner genau das angekündigt. Sie wollte mehr Kompetenzen für den Bund bei der Kontrolle von Lebensmitteln. Aber bisher ist es beim Wunsch geblieben. Harry Sauer vom Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure unterstützt die Ministerin: "Je mehr Institutionen und Behörden mit der Kontrolle befasst sind, desto schwieriger wird die Kommunikation." In der aktuellen Situation zeige sich das deutlich: "Wir brauchen eine stärkere Rahmenkompetenz in einer Hand – am besten auf Bundesebene."

Grenzen

Aber bei aller berechtigten und manchmal auch überzogenen Kritik, funktioniert die Lebensmittelkontrolle in Deutschland. Je besser und je dichter ihre Kontrollen werden, desto häufiger werden auch verunreinigte Lebensmittel gefunden. Den tödlichen EHEC-Keim konnten die Kontrolleure nicht finden - weil sie nicht nach etwas suchen konnten, das sie nicht kannten.

Autor: Matthias von Hellfeld (dpa, reuters, afp)

Redakteur: Dеnnis Stutе