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Benedikt XVI. in den USA

Nils Naumann14. April 2008

Hat die Religion in den USA überhaupt einen Einfluss auf die US-Politik? Prof. Manfred Brocker von der Universität Eichstätt-Ingolstadt hat sich damit beschäftigt und das Buch "God bless America" veröffentlicht.

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Zwei Kreuze als Symbol des Christentums (10.11.2004, Quelle:dpa)
Bild: dpa

DW-WORL.DE: Ein Präsident, der von der göttlichen Mission der USA spricht. Christliche Fundamentalisten, die die Evolutionstheorie leugnen und sie aus den Schulbüchern tilgen wollen. Wie groß ist eigentlich der Einfluss der Religion auf die amerikanische Politik?

Manfred Brocker: Religion ist bedeutend. Man kann sich heute nicht vorstellen, dass ein Präsidentschaftsbewerber nicht religiös ist. Wobei es keine sehr große Rolle spielt, welcher Religion er angehört. Die christliche Rechte, also evangelikale Gruppen, haben in den letzten Jahren unter der Präsidentschaft von George Bush schon Einfluss bekommen. Das kann man sagen. Religion ist bedeutend, religiös motivierte Wähler sind wahlentscheidend in den USA. Man kann aber nicht sagen, dass eine bestimmte Gruppe maßgeblich Einfluss nimmt. Dafür ist das Land in dieser Hinsicht viel zu disparat.

Wie hat sich denn der Einfluss der Religion unter der Präsidentschaft von George W. Bush geäußert?

Bush hat von Anfang sehr gezielt religiös konservative Wähler an sich binden wollen, weil er davon überzeugt war, dass er Wahlen nur mit Unterstützung dieser Klientel gewinnen kann. Dazu gehören evangelikal-fundamentalistische, also protestantische Wähler, aber auch konservative Katholiken. Beide Gruppierungen haben ihn in den beiden Präsidentschaftswahlen massiv unterstützt, also 2000 und 2004. Und haben natürlich auch Gegenleistungen erwartet, als der Präsident dann ins Amt gelangt ist. Er hat in einigen Fällen diese Gegenleistung erbracht. Er hat z.B. ein Gesetz gegen Spätabtreibung unterschrieben. Er hat einen sehr konservativen Protestanten zum Justizminister gemacht. Es gab also in einigen Fällen Gegenleistungen, man darf es aber nicht zu hoch veranschlagen. Man kann weiterhin sagen, dass die zufriedensten Wähler in den USA die Wirtschaftsorientierten sind, denn die haben am meisten von Bush bekommen. Und nicht die religiös Orientierten.

Wie weit hat sich George W. Bush in seiner Außenpolitik von religiösen Erwägungen leiten lassen? Seine Gegner haben ihn ja immer wieder als "Kreuzzügler" diffamiert.

Auch das halte ich für eine europäische oder deutsche Fehlperzeption vor allen Dingen im Zusammenhang mit dem Irakkrieg. Religiöse Motive haben hier bestimmt keine Rolle gespielt. Eher geopolitische, sicherheitspolitische, vielleicht auch ökonomische Gründe. Es gibt aber Forderungen von religiös sehr konservativen Wählern in den USA, z.B. nach einem härteren Vorgehen gegen Christenverfolgungen etwa im Sudan und in China. Und hier hat die Administration zumindest ansatzweise den Versuch unternommen etwas zu tun.

Wie erklärt sich denn eigentlich der doch relativ starke Einfluss der Religion auf die Politik in den USA?

Nun das Land ist gegründet worden - nicht ausschließlich, aber vorwiegend - von puritanischen Siedlern. Also von verfolgten Minderheiten der evangelischen Religion in Europa. Während man in Europa stark verfolgt wurde, fand man in Amerika sozusagen ein Land vor, wo man sich frei organisieren konnte, wo man seine Religion frei ausleben konnte. Und deshalb spielte und spielt Religion seit der Gründung, seit der Kolonialisierung eigentlich eine so große Rolle. Dazu kommt: die Menschen ziehen oft um, auch in ganz andere Gegenden des Landes. Und um sich dort verwurzeln zu können, ist der erste Weg immer in die jeweilige Kirche. Wo man eben sofort ein Netzwerk hat, wo man sofort Hilfe bekommt, wo es sofort Menschen gibt, die man sonntags regelmäßig treffen und ansprechen kann. Also die Kirche und die Nachbarschaft sind zwei ganz wichtige soziale Netzwerke in den USA. Auch das seit der Gründung. Denn es ist ein Land, das ja von Siedlern begründet wurde, die immer fremd waren, die immer Hilfe brauchten, die immer soziale Netzwerke brauchten. Und die Kirchen, die Religionsgemeinschaften stellten immer genau das zur Verfügung.