Hausbesetzer 2.0 - wenn Studenten protestieren
6. November 2012Für Außenstehende wirkt das seit neun Jahren besetzte Institut ziemlich heruntergekommen. Die Wände sind von oben bis unten mit Graffitis oder mit Plakaten zugeklebt, die Farbe an Wänden und Möbeln ist abgeblättert. Ohne die Hausbesetzer wäre das Gebäude, das einst zur Frankfurter Goethe Uni gehörte, jedoch total verfallen, sagen die Hausbesetzer.
Das Gebäude ist das letzte besetzte Universitätsinstitut in der Bankenstadt Frankfurt am Main - in genau jener Straße, in der in den 80er Jahren die Häuserkämpfe tobten. Damals besetzten Studenten leer stehende Gründerzeithäuser, wohnten darin, ohne Miete zu zahlen und retteten sie damit vor der Abrissbirne. Heute ist nur noch das "Institut für vergleichende Irrelevanz" im schicken Villenviertel besetzt, von Freunden und Anhängern liebevoll IvI genannt.
Praxis, Theorie und Party
Das Haus mit dem witzig-ironischen Namen wurde im Rahmen eines Studierendenstreiks besetzt. Sarah Schneider, die ihren echten Namen nicht verraten will, kennt die Geschichte des IvI von Anfang an. "Wir haben uns damals gegen die Einführung von Studiengebühren und auch schon gegen die Einführung von Bachelor und Master gewehrt", erzählt sie.
Das war im Wintersemester 2003/2004, vor neun Jahren also. Damals besetzten Studenten das leer stehende Haus im Kettenhofweg 130 - das ehemalige Institut für Anglistik und Amerikanistik der Goethe Uni. Seitdem nutzen vor allen Dingen Studierende das Gebäude für politische Veranstaltungen, feministische Lesekreise und Partys.
Utopien nicht erwünscht
Die Aktivisten verstehen sich als Gegengewicht zu einem Uni-Betrieb, der immer verschulter wird. Im IvI geht es nicht um Leistungsnachweise. Vielmehr haben die Aktivisten ein Interesse daran, zu erforschen, wie die Gesellschaft funktioniert und sich verändert. Damit stellen sie sich bewusst in die alte Tradition der berühmten "Frankfurter Schule", deren Zentrum das Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main war.
"Es geht uns auch darum, zu erörtern, wie man gegen bestimmte Entwicklungen Widerstand leisten kann und wie Utopien aussehen könnten", betont Sarah Schneider. Doch heute sieht der Widerstand etwas anders aus. Im IVI gibt es Cola zu trinken, die Studenten tippen an ihren Apple-Computern, das ganze IVI mailt, chattet, twittert und postet bei Facebook.
Doch auch im Medienzeitalter halten Immobilenfirmen wie der neue Besitzer des alten Gebäudes nichts von Utopien. Die Franconofurt AG ist ein Unternehmen, das nach eigenen Angaben "ständig auf der Suche nach rentablen Immobilienobjekten" ist. Und so wollen die Investoren, die das ehemalige Institut in attraktiver Villenlage im März gekauft haben, die Studenten möglichst schnell raus haben.
Keine Angst vor gerichtlichen Beschlüssen
Das erste Mal habe die Immobiliengesellschaft auf sich aufmerksam gemacht, indem sie Strom und Wasser abgestellt und die Tür ausgebaut habe, erinnert sich Sarah Schneider. "Die haben gehofft, wenn sie widrige Umstände schaffen, dann würden wir von alleine abhauen", erzählt die Studenten, um bestimmt hinzuzufügen: "Da haben sie sich aber geirrt." Die Besetzer verstehen sich als politische Aktivisten, die sich von solchen Aktionen nicht abschrecken lassen. "Wir haben einfach eine neue Tür eingebaut", erzählt Sarah Schneider.
Auch von einem gerichtlich verfügten Veranstaltungsverbot und einer Geldstrafe bis zu einer Viertel Million Euro lassen sich die Hausbesetzer nicht abschrecken. Bei ihren Treffen besprechen sie die weitere Vorgehensweise. Erst einmal soll der Betrieb im IvI einfach weiter gehen. Trotz Verbots. Mit Flyern, Emails und Plakaten bewerben sie die Veranstaltungen. Denn die Studentin Sapho Weingold glaubt, dass das IvI trotz des neuen Besitzers ein Recht darauf hat, fortzubestehen.
"Ich finde, eine Universität, die ein Gebäude so lang hat leer stehen lässt, muss sich nicht wundern, wenn sich Menschen hier einnisten und diesen Raum nutzen", meint sie selbstbewusst.