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Haushaltskrisen sind keine Währungskrisen

24. November 2010

Was Politiker jüngst über den Euro sagen, macht Angst. Die Lage der Währung sei außerordentlich ernst, meint die Bundeskanzlerin. Der Euro stehe auf dem Spiel, so ihr Finanzminister. Wirklich? Nein, sagt Rolf Wenkel.

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"Scheitert der Euro, dann scheitert Europa" - in diesen Satz hat sich die Bundeskanzlerin geradezu verliebt, denn sie hat ihn bei mindestens drei Gelegenheiten geäußert. Doch eine solche Behauptung wird nicht dadurch wahrer, dass sie ständig wiederholt wird. Fakt ist: Eine Währung kann nicht scheitern, solange sie noch irgendjemand als Zahlungsmittel akzeptiert. Und das tut die ganze Welt - und sie wird es auch in Zukunft tun. Fakt ist auch: Wir haben keine Währungskrise, wir haben eine Krise der Staatsfinanzen in einigen Ländern des Euroclubs. Und trotz der desolaten Verfassung einiger öffentlicher Haushalte ist der Euro recht stabil. Im Frühjahr bekam man 1,20 Dollar für einen Euro, heute 1,36 Dollar. Nur zur Erinnerung: Es gab auch schon Zeiten, in denen man weniger als einen Dollar für einen Euro bekam. Auch das hat der Euro verkraftet - und damals hat niemand vom Scheitern des Euro gesprochen.

Rolf Wenkel, Wirtschaftsredaktion (Foto: DW)
Rolf Wenkel, WirtschaftsredaktionBild: DW

Beruhigungspille für den Steuerzahler

Warum also jetzt diese düsteren Untergangsszenarien, diese theatralischen Drohungen? Eigentlich liegt nur eine Erklärung nahe: Sie dienen der Vorbeugung, um den europäischen Steuerzahler zu besänftigen, ihm vorzugaukeln, er sei Teil einer Schicksalsgemeinschaft und müsse sich deshalb an der Rettung des Euros beteiligen. Als im Frühjahr die Europäische Union, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds den gigantischen Rettungsschirm von 750 Milliarden Euro aufspannten, da wurden nicht nur in Deutschland die entsprechenden Gesetzgebungsverfahren damit begründet, das Geld werde niemals in Anspruch genommen werden. Allein die Existenz eines solchen Schirms werde ausreichen, um die Märkte zu beruhigen.

Nun wird er in Anspruch genommen, und die Politiker geraten in Erklärungsnot, weshalb der Steuerzahler die Risiken übernehmen soll, während die Banken an den Zinsen für Staatsanleihen kräftig verdienen. Allein deutsche Banken haben nach Auskunft der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel rund 300 Milliarden Euro an Griechenland, Spanien, Portugal und Irland verliehen - und verdienen prächtig angesichts hoher Risikoaufschläge. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist das schon lange ein Dorn im Auge. Sie fordert deshalb zu recht, bei künftigen Zahlungsproblemen einzelner Euro-Staaten auch die privaten Gläubiger an den Kosten zu beteiligen.

Eine Insolvenzordnung fürs Euroland

Gegner werfen Merkel vor, damit Öl ins Feuer gegossen zu haben. Denn sobald private Gläubigerbanken auch nur riechen, dass sie bei einer Umschuldung auf Forderungen verzichten müssen, verlangen sie noch höhere Risikoaufschläge, verschlimmern also die Haushaltsprobleme diverser Staaten. So gesehen, mag der Zeitpunkt für Angela Merkels Forderung schlecht gewählt sein. Aber das ändert nichts daran, dass die Währungsunion eine Insolvenzordnung für Staaten braucht. Sie wird schmerzhaft für die Gläubiger sein, aber sie wird maroden Staaten einen Neuanfang ermöglichen.

Die Untergangsprophezeiungen für den Euro sind also durch nichts gerechtfertigt. Er wird auch in Zukunft ein weltweit geachtetes und begehrtes Zahlungsmittel sein. Niemand erwartet, dass die Europäer in eine Tauschwirtschaft zurückfallen, nur weil einige Länder massive Haushaltsprobleme haben.

Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Jutta Wasserrab