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Havannas amerikanischer Traum

Bernd Wulffen14. August 2015

Guantánamo, Handelsembargo, Menschenrechte: Nach der Wiedereröffnung der US-Botschaft in Havanna beginnt der schwierige diplomatische Alltag. Ein Gastbeitrag von Deutschlands ehemaligem Kuba-Botschafter Bernd Wulffen.

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Tourismus in Kuba (Foto: ADALBERTO ROQUE/ AFP/ Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/A. Roque

Das Hissen der US-Flagge an der neu eröffneten US-Botschaft in Havanna ruft Erinnerungen wach. Schon einmal hatten die USA ihre Flagge in Havanna aufgezogen. Es war das Jahr 1898 nach dem Sieg der aufständischen Mambises mit tatkräftiger Unterstützung durch die USA gegen die spanische Kolonialmacht.

Damals hatten die USA ihre Flagge gehisst und damit zu erkennen gegeben, dass sie Kuba unter ihren Schutz stellten. Fortan war Kuba ein Protektorat der USA, ein Zustand, den erst der siegreiche Einmarsch der Revolutionäre unter Führung Fidel Castros in Havanna im Januar 1959 beendete.

Die Zeit der Unterordnung Kubas unter den Schutz der USA ist lange vorbei. Stolz und selbstbewusst präsentiert sich heute ein Land, dessen Führer seine Souveränität und Würde in mehrjährigem Kampf zurückerobert hatten. Raúl Castro, der 2008 zum Nachfolger seines Bruders Fidel und zum Staatsoberhaupt bestimmt worden war, tritt seither für einen Neuanfang in den Beziehungen mit den USA ein.

Handschlag in Pretoria

Es war daher keineswegs ein Versehen, als sich Raúl Castro und Barack Obama vor eineinhalb Jahren beim Staatsakt für den verstorbenen Nelson Mandela in Pretoria die Hand gaben. Der kubanische Präsident hatte bereits bei Antritt seiner offiziellen Präsidentschaft, im Februar 2008, seine Bereitschaft zu Gesprächen mit den USA erklärt.

Mandela Trauerfeier Johannesburg 10.12.2013 Obama und Castro. Rechts Brasiliens Präsidentin Rousseff (Foto: REUTERS/ Kai Pfaffenbach)
Bei der Trauerfeier von Nelson Mandela im Februar 2013 begegneten sich Castro und Obama zum ersten MalBild: Reuters

Raúl Castro weiß, dass seine Tage an der Spitze des Staates gezählt sind. Er hatte bereits im Februar 2013 angekündigt, dass er 2018 den Staatsratsvorsitz niederlegen werde. 2018 würde Raúl Castro 86 Jahre alt. Es wäre unklug und auch nicht opportun, den Nachfolgern das komplexe Thema der Normalisierung des Verhältnisses zum mächtigen Nachbarn als "Erbe" zu hinterlassen.

Raúl Castro ist sich auch der Tatsache bewusst, dass Präsident Obama ebenso für den Dialog eintritt und zu einer Lösung der Probleme im Verhältnis zu Kuba bereit ist. Es ist ungewiss, ob nach seinem Ausscheiden aus dem Amt in weniger als zwei Jahren der Nachfolger oder die Nachfolgerin eine ähnlich positive Einstellung haben.

Ein weiterer Grund für die Annäherung zu den USA liegt in der prekären wirtschaftlichen Lage der Insel. Das dem Sowjetsystem entlehnte Modell der Kolchoswirtschaft ist gescheitert. Kuba muss heute zirka 80 Prozent seiner Nahrungsmittel einführen.

Öl aus Venezuela

Die USA sind zu einem der wichtigsten Lieferanten von Nahrungsmitteln für Kuba geworden. Darüber hinaus steht für Havanna zu befürchten, dass der bisher wichtigste Wirtschaftspartner Venezuela demnächst ausfällt. Dann würde die Energiebasis des Inselstaats weitgehend zusammenbrechen, denn Kuba erhält von Venezuela täglich über 100.000 Barrel Erdöl zu Vorzugspreisen.

Präsident Obama ist überzeugt davon, dass die Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen und der damit einhergehende Dialog mehr bringen können als Sanktionen und Abschottung. Waren nicht auch dem Fall des kommunistischen Ostblocks ein Ende der Konfrontation und der Beginn eines Dialogprozesses vorausgegangen?

Der Amerika-Gipfel im April 2015 in Panama bot das perfekte Szenario für den erneuten Handschlag zwischen Obama und Raúl Castro und die gemeinsame Verkündung der Wiederherstellung der Beziehungen ihrer Länder. Damit wurde ein wichtiges Hindernis für die Verbesserung der Beziehungen zu einer Reihe von Staaten des Subkontinents weggeräumt. Venezuela, Argentinien, Bolivien und Nikaragua werden es künftig schwerer haben, die USA wegen Kuba zu kritisieren.

Nach der feierlichen Eröffnung der Botschaften kehrt der diplomatische Alltag ein. Schwierige Gespräche kündigen sich an. Offenbar ist das Verhandlungspaket umfangreicher als zunächst erwartet. Freiheits- und Menschenrechte, wohl das schwierigste Thema bei Verhandlungen mit Kuba, sollen eine zentrale Rolle spielen.

Symbolbild Guantanamo (Foto: dpa)
Wie lange noch? Die Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo gehörte zu den Wahlversprechen ObamasBild: picture-alliance/dpa/AFP

Guantánamo und kein Ende

Kuba definiert diese Rechte anders als die westlichen Demokratien. Es hält soziale Rechte für entscheidende Elemente und glaubt, hier weiter zu sein als der Westen. Auch wirft Kuba seinen demokratischen Gesprächspartnern vor, sie mäßen mit zweierlei Maß. Bei China, Vietnam oder Indonesien würden nicht die gleichen strengen Maßstäbe angelegt wie bei Kuba.

Schließlich wirft Kuba den USA selbst massive Verletzung der Menschenrechte vor, so zum Beispiel in Afghanistan oder im Irak. Auch die Behandlung von Gefangenen auf seinem eigenen Territorium, auf dem US-Stützpunkt Guantánamo, könnte Gegenstand der Diskussionen sein.

Die Rückgabe des Stützpunkts Guantánamo wird von Kuba seit langem gefordert. Die Karibikinsel sieht ihn als ein Überbleibsel des Kolonialismus, aus einer Zeit, als Kuba ein Protektorat der USA war. Seit 1903 ist das Gebiet durch einen Vertrag zwischen den Präsidenten Roosevelt und Estrada Palma im Besitz der USA. Der Status von Guantánamo kann nur in gegenseitigem Einvernehmen geändert werden. Die USA überweisen Kuba jährlich eine Pachtsumme, die wegen der kubanischen Weigerung, das Geld in Empfang zu nehmen, auf ein Sperrkonto fließt.

Bernd Wulffen (Bild: dpa)
Kubakenner Bernd Wulffen war von 2001 bis 2005 Botschafter in HavannaBild: picture-alliance/ZB/K. Schindler

Wann fällt das Embargo?

Ein weiterer zentraler Punkt sind die von den USA seit 1961 verhängten Sanktionen gegenüber Kuba. Sie sind teilweise per Gesetz erfolgt. Wird der mehrheitlich republikanisch geführte Kongress die Gesetze aufheben? Wird Kuba auf einer Entschädigung für die durch die US-Sanktionen eingetretenen Nachteile beharren? Lassen sie sich überhaupt beziffern? Werden die USA Ausgleich für die Enteignungen von Exilkubanern, die in den USA leben und teilweise US-Staatsbürger geworden sind, geltend machen?

Es bleibt auch abzuwarten, wie sich die Verbesserung der Beziehungen zu den USA auf die kubanische Innenpolitik auswirkt. Für den Repressionsapparat wird es schwerer werden, Oppositionelle zu bedrohen und zu drangsalieren. Die kubanische Wirtschaft, die noch am Anfang eines Erholungsprozesses steht, wird amerikanische Zulieferungen und – möglicherweise – Finanzierungsmöglichkeiten begrüßen. Schließlich dürfte der Tourismussektor stark von US-Besuchern profitieren, die darauf brennen, das "Museum" vor ihrer Haustür kennen zu lernen.

Bis es dahin kommt, wird noch ein weiter Weg zurückzulegen sein. Die gegenseitigen Forderungen und Erwartungen sind groß. Das Thema USA-Kuba dürfte daher, auch nach den augenblicklichen beachtlichen Fortschritten, weiterhin spannend bleiben.

Bernd Wulffen hat zwei Bücher über Kuba und seine Zeit dort geschrieben. Er lebt abwechselnd in Argentinien und Deutschland.