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Todesursache: Freon-Gas

9. November 2008

Erneut sind bei einem Unfall auf einem russischen Atom-U-Boot mehrere Menschen gestorben. Erinnerungen werden wach an die "Kursk"-Katastrophe. Während damals die Matrosen starben, machte Präsident Putin Urlaub.

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(AP Photo/Franck Prevel, File)
Im NATO-Jargon heißen sie 'Akula': auf einem U-Boot diesen Typs geschah das UnglückBild: AP

Nach einer Havarie mit 20 Toten an Bord hat das atomar betriebene russische U-Boot "Nerpa" am Sonntag (09.11.2008) an seinem Stützpunkt in Primorje im äußersten Südosten des Landes festgemacht. Das teilte der Sprecher der russischen Marine, Igor Dygalo, nach Angaben der Agentur Interfax mit. Der Reaktor arbeite weiter normal, es gebe keine erhöhten Strahlenwerte, sagte Dygalo. Unabhängige Quellen für diese Information gibt es bisher nicht.

U-Boot in Testphase

Nach ersten Ermittlungen war in einer Feuerlöschanlage die Chemikalie Freon ausgeströmt, die zum Tod der 20 Menschen führte, wie die Staatsanwaltschaft in Moskau mitteilte. Bei Freon handelt es sich um einen Kunstnamen für Difluordichlormethan, eine Kohlenwasserstoff-Verbindung, die unter anderem auch als Kältemittel in Kühlschränken verwendet wird.

Nach Berichten der Nachrichtenagentur Ria Nowosti ereignete sich der Unfall am späten Samstagabend im russischen Teil des Japanischen Meers. Unter den Toten sind sechs Marineangehörige und 14 Zivilisten. Etwa 20 Menschen seien verletzt. Das Atom-U-Boot war laut Marine noch in der Testphase und sollte Ende des Jahres in Dienst genommen werden. Insgesamt waren 208 Menschen an Bord, darunter 81 Marineangehörige.

Gefährlicher Brandschutz

Laut einem Militärexperten wurde das Löschsystem durch "technische Fehler" ausgelöst - möglicherweise durch Programmier- oder Betriebsfehler der Konstrukteure, die an Bord Tests vorgenommen hätten. Aktiv wurde das System demnach in höchstens zwei Kammern des U-Boots.

Der Brandschutz bei U-Booten ist sehr kompliziert und aufwändig. Bricht ein Feuer aus, wird der betroffenen Kammer Sauerstoff entzogen oder der Brand mit Hilfe eines Gases erstickt - für die Menschen, die sich in der Kammer aufhalten, wird es lebensgefährlich.

Vage Angaben der Verantwortlichen

Laut Marinesprecher Dygalo wurde das U-Boot von einem Zerstörer und einem Rettungsschiff begleitet. Die Verletzten seien zur ersten Behandlung auf den Zerstörer gebracht worden. Zu ihrem Zustand äußerte sich Dygalo nur vage. Offen ließ der Sprecher auch, um welchen U-Boot-Typ es sich handelte. Er versicherte aber, das Boot und sein Atomreaktor seien nicht beschädigt, an Bord sei keine erhöhte Radioaktivität gemessen worden.

Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow habe Präsident Dmitri Medwedew informiert. Dieser habe umfassende Aufklärung des Vorfalls sowie "größtmögliche Unterstützung" für die Hinterbliebenen der Opfer gefordert. Militärstaatsanwälte der Pazifik-Flotte nahmen inzwischen Ermittlungen auf.

Nach Angaben von Ria Nowosti handelt es sich bei dem Unglücksboot um ein Jagd-U-Boot des Typs "Nerpa" (NATO-Bezeichnung Akula). Ein Vertreter der Werft in Komsomolsk am Amur, wo es gebaut wurde, berichtete, es habe erst Anfang November seinen ersten Tauchgang absolviert.

"Kursk"-Tragödie

Das Boot war im August 2000 in der Barentssee gesunken. Dabei starben 118 Seeleute. Nach einem Unglück eines russischen Klein-U-Bootes am 04.08.2005 sind sieben Matrosen eingeschlossen. Die russische Marine gibt sich selbst vier Tage Zeit, um die Soldaten zu retten. So lange reiche der Luftvorrat. Das Unglück ereignete sich vor der sibirischen Halbinsel Kamtschatka. Das 13,5 Meter lange Tauchboot hat sich bei einer ‹bung in 190 Meter Tiefe am Meeresboden verfangen. Es kˆnnte sich in einem Schleppnetz oder Unterwasserkabel verfangen haben. +++(c) dpa - Bildfunk+++
Das russische Atom-U-Boot Kursk in seinem Heimathafen Widjajewo (undatiertes Archivfoto).Bild: dpa

Der Unfall ruft Erinnerungen an die Katastrophe der "Kursk" am 12. August 2000 wach: Nach der Explosion eines Torpedos war das Atom-U-Boot in der Barentssee gesunken, alle 118 Seeleute an Bord starben. Lange wurde die Öffentlichkeit über das Ausmaß der Katastrophe im Dunkeln gelassen. Präsident Wladimir Putin setzte zunächst seine Ferien fort, zu spät ließen die russische Behörden Hilfe aus dem Ausland zu. Das Verhalten der Behörden sorgte damals in Russland und im Ausland für scharfe Kritik. Bei einem erneuten Unglück fünf Jahre später konnte die Besatzung eines in einem Fischernetz verhedderten russischen Tauchboots dank rascher britischer Hilfe gerettet werden. (mas)