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Wenn Konzerne Kinder kriegen

Mischa Ehrhardt
15. März 2018

Großkonzerne wie Siemens, Bayer oder Daimler treiben ihre eigene Zerschlagung voran, weil die Aktionäre das so wollen. Denn kleinere Geschäftseinheiten versprechen höhere Gewinne. Doch ist das wirklich so?

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Baselitz-Skulptur Schwesterngruppe
Baselitz-Skulptur "Schwesterngruppe" im Atrium des Firmensitzes von Siemens in München.Bild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Mit dem Wohl und Wehe von Abspaltungen hat ein Unternehmen besondere Erfahrung: Infineon. Der Chiphersteller aus München eignet sich als gutes Beispiel: Der Dax-Konzern ist selbst eine Abspaltung von Siemens - und hat offenbar eine Erfolgsgeschichte hinter sich.

Kurz nach der Jahrtausendwende setzte Infineon zum Sprung aufs Parkett an. Das war vor ziemlich exakt 18 Jahren, im März 2000. Es war nach der Telekom der zweitgrößte Börsengang in Deutschland überhaupt. Heute befindet sich das Unternehmen neben seiner einstigen Mutter Siemens unter den 30 wichtigsten Börsenkonzernen Deutschlands. Dass dies keineswegs ein Einzelfall ist, zeigen auch andere erfolgreiche Konzernabspaltungen.

Wenn der Rahmen stimmt

Seit der Jahrtausendwende gibt es grob zwei Zeiträume, in denen die Geburt neuer Unternehmen aus Konzernmüttern heraus besonders in Mode war: Zwischen 2004 und 2007 und ab 2014 bis heute. Das ist wohl kein Zufall: In beiden Zeiträumen fallen die Abspaltungen in Phasen des wirtschaftlichen Aufschwungs. "Die Logik ist klar", sagt David Kohl, Chefvolkswirt des privaten Bankhauses Julius Bär: "Die Konjunktur läuft gut. Das wirkt positiv auf die Märkte - auch Aktienmärkte. Und in einem solchen Umfeld lassen sich dann solche Börsengänge ganz gut realisieren."

2004 löste die Deutsche Post Teile der Postbank aus dem Konzern. Das Ergebnis allerdings in diesem Fall: Im besten Fall durchwachsen. Die Postbank landete nach einer kurzen Phase der Eigenständigkeit unter dem Dach der Deutschen Bank, sollte wieder verkauft werden und wird nun doch wieder in Deutschlands größtes Geldhaus integriert. 2005 buchte Bayer seinen Aktionären Aktien der Spezialchemiesparte Lanxess ins Depot. Das Unternehmen schaffte den Aufstieg in den Dax, zumindest für eine gewisse Zeit. Auch die Praktiker-Baumarktkette entstand in jenen Jahren, herausgelöst aus dem Metro-Konzern. Der wiederum hat im vergangenen Jahr die Elektronikmärkte Saturn und Media Markt abgespalten und in die eigenständige Holding Ceconomy verfrachtet. Praktiker-Baumärkte sucht man heute in Deutschland vergeblich, die Kette ging 2013 in die Insolvenz.

Die Erfolgsgeschichten …

Das Argument der Befürworter kleinerer Unternehmenseinheiten: Sie sind übersichtlicher, in ihnen können sich Mitarbeiter und Management besser auf ihre Kernaufgaben fokussieren und schnell auf veränderte Marktbedingungen reagieren. Und: "Sind sie erst einmal abgespalten, können die Unternehmen selbst entscheiden, wo sie ihr Geld investieren wollen; sie sind so nicht mehr vom Wohl und Weh des Mutterkonzerns und dessen Entscheidungen abhängig", sagt der Börsenexperte und Autor Dirk Müller.

Diese Logik steckt wohl auch hinter der jüngsten Welle von größeren Konzernspaltungen - angefangen mit Osram im Jahr 2014. Der Leuchtenhersteller ist ein Gewächs aus dem Hause Siemens. Seit dem Börsengang hat sich der Wert der Osram-Aktien in etwa verdoppelt. Noch besser lief es für Covestro. Aus Sicht der Börse ist die ehemalige Kunststoff-Sparte von Bayer eine absolute Erfolgsgeschichte, die in diesen Tagen eine Krönung der besonderen Art feiern wird: Anfang kommender Woche wird Covestro in den Dax aufsteigen. Mit unter 30 Euro gestartet hat sich der Wert der Aktien verdreifacht. "Wenn man an die Börse geht, braucht man gutes Timing und Glück. Bei Covestro kam beides zusammen - denn das Unternehmen hat an der Börse seit dem Börsengang eine unglaubliche Hausse am Aktienmarkt miterleben dürfen", sagt Aktienhändler Oliver Roth von Oddo Seydler. Allerdings, so fügt er mit Blick auf die gute Bilanz für 2017 hinzu, sei in diesem Fall das Glück auch mit den Tüchtigen gewesen.

… und die Risiken

Die meisten dieser Börsengänge und Abspaltungen sind so genannte Spin-Offs. Dabei bucht der Mutterkonzern seinen Aktionären zum Börsengang für eine bestimmte Anzahl eigener Aktien eine Aktie des neuen Unternehmens ins Depot. Bei Lanxess ist man so vorgegangen, bei Osram war dies der Fall und auch die Uniper-Abspaltung des Energiekonzerns Eon vor rund eineinhalb Jahren war ein solches Spin-Off. Dabei stellte sich der Erfolg der neuen Aktien meist nicht sofort ein.

Denn gerade beim Start des neuen Unternehmens können einige Investoren mit dem unverhofften Neuzugang im Depot nichts anfangen. Fondsgesellschaften beispielsweise, die Indizes wie den Dax abbilden, können mit den Aktien nichts anfangen. Sie stoßen sie ab - deswegen kann es passieren, das es mit dem Börsenkurs erst einmal bergab geht.

Auch die Deutsche Bank wird ihre Vermögensverwaltung DWS abspalten und an die Börse bringen. Schon in der kommenden Woche soll es soweit sein. Bei anderen Unternehmen gibt es Überlegungen in diese Richtung, bei Daimler zum Beispiel. Zumindest halten einige Investoren eine Abspaltung der Lastwagensparte für sinnvoll. Die Logik hinter solchen Überlegungen ist einfach: Die Summe der einzelnen Teile großer Gemischtwarenläden soll größer sein als das Ganze.

Mag sein, denken andere. Nur ist es auch eine Wahrheit, dass das Ganze auch schlagkräftiger sein kann als die Summe seiner Teile. So kann ein Großkonzern Verluste in einem Bereich durch Gewinne in einem anderen Bereich ausgleichen, ohne gleich die Existenzfrage stellen zu müssen.

Auch dafür liefert Infineon ein gutes Beispiel. Denn auch Infineon hat einmal einen Teil seiner Selbst in die Unabhängigkeit entlassen: Qimonda. Das Experiment allerdings währte nicht lange - das Unternehmen musste Insolvenz anmelden. Abspaltungen sind also keine Garantie für Erfolg.