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Straßburger Gipfel-Nachlese

Christoph Hasselbach3. Juli 2012

Verhärtete Fronten in Straßburg: Die einen jubeln über das Ende von Merkozy, andere reden von Erpressung durch die Südländer. Und manchen Abgeordneten kann ein Ende des Euro gar nicht schnell genug kommen.

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Van Rompuy am Rednerpult (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Es wurde eine selten hitzige Debatte. Und deutlich spürbar war das Gefühl, dass sich das Schicksal des Euro in diesen Monaten entscheiden könnte. Der immer ruhige, sachliche EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy gab zu, der Gipfel sei "manchmal schwieg", am Ende aber fruchtbar gewesen. "Es war ein weiterer Schritt auf dem langen Weg zur Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise und zur Behebung der Strukturmängel der Währungsunion." Er hob vor allem den Wachstumspakt hervor, der für Beschäftigung sorgen soll, und die Tatsache, dass die Rettungsfonds EFSF und ESM künftig auch Banken unterstützen und Staaten leichter Geld leihen sollen.

Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sieht die EU nach den Beschlüssen auf einem guten Weg: "Nach diesem Europäischen Rat und vorausgesetzt, dass sich alle Mitgliedsstaaten an die Verpflichtungen halten, werden wir besser gerüstet sein, um die schweren Herausforderungen zu meistern." Schnelle Lösungen werde es aber nicht geben.

Hat Monti Merkel erpresst?

In der Aussprache ging es dann mächtig zur Sache. Der Österreicher Hannes Swoboda, Fraktionsvorsitzender der Sozialisten, freut sich über den "Abschied von Merkozy, wo zwei - ich muss mich korrigieren - EINE geglaubt hat, bestimmen zu können, was in Europa geht und was nicht geht." Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte beim Gipfel wichtige Zugeständnisse gemacht. Swoboda dankte ausdrücklich dem französischen Präsidenten Fançois Hollande und den Ministerpräsidenten Italiens und Spaniens, Mario Monti und Mariano Rajoy, dass sie einen Kurswechsel erzwungen hätten.

Merkel spricht mit Monti (Foto: Reuters)
Sieger und Besiegte? Merkel und Monti beim Gipfel.Bild: Reuters

Für den Sozialisten Swoboda hat die bisherige Konsolidierungspolitik versagt, weil sie zu viel Wert aufs Sparen und zu wenig auf Wachstum gelegt habe. Der belgische Konservative Derk Jan Eppink sieht dagegen Monti als Erpresser: "Herr Monti hat sich zum Anführer eines Mobs aufgeschwungen, um leicht an Geld zu kommen." Doch Monti habe einen fatalen Fehler gemacht: Im Norden Europas fühlten sich die Menschen inzwischen "über den Tisch gezogen, ausgeraubt, und sie werden sich wehren." Am Mittelmeer dagegen werde der Reformdruck nachlassen. "Es gibt nur eine Lösung, und die besteht darin, wieder wettbewerbsfähig zu werden."

Das Plenum des Europäischen Parlaments (Foto: Francois Lafite/Wostok Press/Maxppp)
Es geht um die Zukunft der Europäischen Union, aber die Abgeordneten sind schon im UrlaubBild: picture alliance / dpa

Die Dämonen der Geschichte

Doch Rebecca Harms, die Mitvorsitzende der Grünenfraktion, lehnt das Reden über Sieger und Besiegte und erst recht über Erpresser kategorisch ab: "Solange darüber diskutiert wird, ob Frau Merkel umgefallen ist, ob Hollande oder Monti gewonnen haben, ob der Süden gegen den Norden marschiert oder umgekehrt, glaube ich nicht, dass wir auf einem guten Weg sind aus der europäischen Krise heraus." Barroso griff dieses Thema am Schluss der Debatte noch einmal ungewöhnlich leidenschaftlich auf: "Die Atmosphäre nach dem Gipfel gefiel mir überhaupt nicht, als manche sich als Sieger über andere hinstellten." Das europäische Projekt solle gerade "diese Dämonen der Vergangenheit" bannen.

"Nur wenige Wochen Zeit"

Eine Reihe von Abgeordneten meinte, auch mit den jüngsten Entscheidungen habe sich die EU nur ein weiteres Mal Zeit gekauft. Liberalen-Fraktionschef Guy Verhofstadt sprach von einem "Fenster der Gelegenheit von nur wenigen Wochen. Und wenn die Finnen so weitermachen, dann wird es binnen Stunden zerstört sein." Gemeint ist der Widerstand der finnischen und jetzt auch der niederländischen Regierung gegen den Plan, dass der Rettungsfonds ESM in Zukunft auch Staatsanleihen von Krisenländern kaufen kann. Joseph Daul, Fraktionsvorsitzender der Volkspartei, beklagte, dass viele Staaten weiterhin auf nationaler Eigenständigkeit in Wirtschaftsfragen beharren. "Europa wird nicht bis 2022 überleben ohne Integration in der Haushalts-, Finanz- und Sozialpolitik. Was muss noch alles passieren, dass die 27 einer geteilten Souveränität zustimmen?"

Farage mit heftiger Armbewegung (Foto AP/dapd)
Euro-Kritiker Farage: Im August sehen wir uns wieder.Bild: dapd

Kurzurlaub empfohlen

Doch geteilte Souveränität, das ist das Gegenteil dessen, was die Euroskeptiker wollen. Nigel Farage, der Vorsitzende der UK Independence Party und einer der schärfsten Kritiker jeder europäischen Integration, sieht sich in seiner Ansicht bestätigt, dass die Währungsunion scheitern muss. An Barroso gewandt, sagte Farage: "Ich gebe Ihnen einen nützlichen Rat: Machen Sie diesen Sommer keinen ausgedehnten Urlaub, weil die Märkte dafür sorgen werden, dass wir alle im August wieder hier sein werden." Doch bereits während der Debatte waren die Reihen bereits so leer, als sei die Urlaubszeit schon angebrochen. Übrig blieben vor allem die besonders radikalen Kritiker. Und ein Redner vermisste besonders die deutschen CDU- und CSU-Abgeordneten, also die Parteifreunde von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Europaparlament.