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Heiko Maas: "Kapitol ist Herzkammer der Demokratie!"

14. Januar 2021

Die neue US-Regierung unterstützen, für Rechtsstaat und Demokratie auf der ganzen Welt kämpfen: Der Bundestag debattiert leidenschaftlich über den Angriff auf das Kapitol vergangene Woche.

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Porträt  Heiko Maas. Der Außenminister von Deutschland spricht mit Medienvertretern bei seiner Ankunft zu einem Treffen der EU-Außenminister im Gebäude des Europäischen Rates.
Maas: "Checks and Balances haben Stand gehalten!"Bild: John Thys/dpa/AFP Pool/AP/picture alliance

Was bedeutet es für Deutschland, wenn wie am 6. Januar geschehen, eine aufgebrachte Menge das US-Kapitol in Washington stürmt, aufgeputscht vom amtierenden Präsidenten Donald Trump? Lange Zeit waren die Lügen und Eskapaden des US-Präsidenten und seiner Gefolgsleute in Deutschland mit einer Mischung aus Verachtung und Distanz wahrgenommen worden. Immer öfter berichteten Regierungsvertreter, wie schwierig es sei, mit der US-Regierung überhaupt noch vernünftige Gespräche zu führen. Und dennoch: Amerika ist für Deutschland immer noch ein wichtiger Verbündeter; was in Washington geschieht, kann deutsche Politiker egal welcher Farbe nicht kalt lassen.

Washington rüstet sich

Tiefe Sorge bei der deutschen Regierung

Deshalb spricht aus dem Titel, den die Koalitionsfraktionen von CDU, CSU und SPD der von ihnen beantragten Debatte am Donnerstag im Bundestag gaben, auch tiefe Sorge. Über das, was die verstörenden Bilder aus der US-Hauptstadt in der vergangenen Woche auch für Deutschland bedeuten können. Der Titel lautet: "Nach dem Sturm auf das US-Kapitol - Strategien zur Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland und der Welt."

Maas: "Checks and Balances haben Stand gehalten!"

Dass es genau darum geht, um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, und um die Gefahr, der beide ausgesetzt sind, machen viele Redner deutlich. Außenminister Heiko Maas (SPD) nennt das Kapitol, den Sitz der beiden amerikanischen Parlamentskammern, die "Herzkammer der Demokratie". Deutschland habe den Amerikanern die Demokratie nach 1945 zu verdanken; auch jetzt habe in den USA am Ende die Vernunft gesiegt: "Die amerikanische Demokratie, ihre berühmten Checks and Balances, haben den Angriffen standgehalten." Selbstgerechte Urteile über die USA aus Deutschland seien deshalb fehl am Platz.

AfD: Bilder aus den USA sollen Kritiker einschüchtern

Die Rechtspopulisten von der "Alternative für Deutschland" (AfD) waren in den vier Jahren der Trump-Präsidentschaft die einzige Fraktion im Bundestag, die Gefallen an dem Mann im Weißen Haus finden konnte. Aber jetzt verurteilt sogar Gottfried Curio, einer ihrer schärfsten Redner, die Gewalt vor und im Kapitol. Allerdings spricht er verharmlosend von einer "eskalierenden Demonstration", um dann gleich die Brücke zu schlagen zur seiner Ansicht nach rechtswidrigen Verfolgung der AfD in Deutschland: "Man zieht einen schamlos falschen Sachvergleich, um mit Schreckensbildern aus den USA die deutsche Bevölkerung aufzuwiegeln gegen Kritiker der Regierungspolitik."

Gottfried Curio (AfD) spricht 2018 im Deutschen Bundestag während der Debatte um Vollverschleierung im öffentlichen Raum.
Gottfried Curio, AfD: "Bilder aus den USA sollen in Deutschland Kritiker einschüchtern."Bild: picture-alliance/dpa/W. Krumm

Lambsdorff: "Wie Trump bewundert die AfD die Autokraten."

Wutentbrannt wird ihm wenig später Alexander Graf Lambsdorff von der FDP entgegenhalten, Ende August hätten rechte Populisten auch in Deutschland versucht, gewaltsam in das Reichstagsgebäude einzudringen, was glücklicherweise gescheitert sei. Auch AfD-Politiker seien dabei gewesen. Keine Partei  in Deutschland sei den rechten US-Verschwörungs-Anhängern so nahe wie die AfD. Lambsdorff weiter: "Paradoxerweise ist zugleich keine Partei so antiamerikanisch wie unsere Rechtsextremen hier. Und bewundert, wie Donald Trump auch, die Autokraten der Welt."

Da weht dann ein kleines bisschen Kulturkampf durch den Bundestag, nicht ganz so hasserfüllt wie in den USA, aber dennoch spürbar. Auch Lambsdorff, der lange in den USA gelebt hat, glaubt fest an Amerikas Demokratie. Dass bei der Senatorenwahl im Südstaat Georgia ein Schwarzer und ein Jude gesiegt hätten, "das hätte ich lange nicht für möglich gehalten."

Berlin | Demonstration gegen Corona Maßnahmen am Reichstagsgebäude Ende August 2020
Demonstranten bedrängen das Reichstagsgebäude, dringen aber nicht nach innen: Berlin Ende August des vergangenen Jahres. Bild: Reuters/C. Mang

"Zusammenarbeit der Wissenschaftler funktioniert"

Für Johann Wadepfuhl von der CDU ist jetzt der Blick nach vorne wichtig. Die deutsche Freundschaft zu den USA verlange jetzt eine intensive Unterstützung der neuen Regierung unter Joe Biden. Was auch in den Trump-Jahren möglich gewesen sein, trotz der Sprachlosigkeit zwischen Berlin und Washington, zeige die Zusammenarbeit der deutschen Firma BioNTech und des US-Konzerns Pfizer bei der Entwicklung des ersten weltweiten Corona-Impfstoffes. Die Kontakte von Wissenschaftlern seien also  immer noch gut. Das werde auch so bleiben, wenn sich Biden jetzt vorrangig um die Innenpolitik kümmern müsse: "Trump hat ja nicht nur den demokratischen Rechtsstaat in große Gefahr in Amerika gebracht, sondern auch das gesamte Staatsgefüge durch eine Vernachlässigung  der Corona-Pandemie."

Verunsicherung und Zuversicht

Allen Rednern mit Ausnahme der AfD-Vertreter ist anzumerken, wie erleichtert sie sind, dass die Trump-Ära erst einmal vorbei ist und der Sturm auf das Kapitol nicht erfolgreich war. Zugleich ist da auch eine tiefe Verunsicherung zu spüren. So war das auch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel, die direkt nach den Ausschreitungen in Washington sagte: "Mich haben diese Bilder wütend und auch traurig gemacht." Aber auch die Kanzlerin schaut mit Hoffnung auf die kommende Amtszeit von Joe Biden: "Diese Demokratie wird sich als viel stärker erweisen, als die Angreifer und Randalierer", so Merkel.

US-Vizepräsident Joe Biden unterhält sich am 03.11.2009 in Washington mit Kanzlerin Angela Merkel.
Man kennt sich, man schätzt sich: Kanzlerin Merkel und der künftige US-Präsident Joe Biden 2009 in WashingtonBild: Reynolds/dpa/picture alliance