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Heilungsprozess für Opfer und Gesellschaft

Helle Jeppesen26. Juni 2006

Der 26. Juni ist ein UN-Tag, der den weltweiten Folteropfern gewidmet ist. Ein Tag unter vielen, kann man einwenden, doch richtig genutzt kann der Tag auch dazu dienen, dass unangenehme Wahrheiten ausgesprochen werden.

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Gemeinsam gegen Folter, so lautet das Motto des Rehabilitationsrates

Einen Heilungsprozess nicht nur für die Opfer, sondern oft auch für die Gesellschaft erhofft sich die Schwedin Brita Sydhoff, Generalsekretärin des Internationalen Rehabilitationsrats für Folteropfer (IRCT): "Es ist wichtig, den Opfern zu helfen, damit nicht nur sie, sondern auch ihre Familien und die Gesellschaft zu einem Leben zurückfinden können, das so normal ist wie möglich. Und es ist wichtig zu zeigen, dass die Täter nicht gewinnen, sondern dass Heilung sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft möglich ist." Sie sieht einen ganz klaren Zusammenhang zwischen die Rehabilitation einzelner Opfer und der Rehabilitation der Gesellschaft und die Ächtung von Folter.

Neue Folterfotos aus Abu Graib
Die Bilder von den Folterungen im Gefängnis Abu Ghoraib gingen um die WeltBild: AP

Mit nur 27 Mitarbeitern in Kopenhagen und zwei in Brüssel unterstützt das Zentrum den Aufbau von Behandlungszentren weltweit - mit Rat und Tat und, wenn durch Spenden möglich, auch mit finanzieller Hilfe, obwohl die Mitteln oft knapp sind. Die Regierungen der meisten Industrieländer unterstützen zwar die nationalen Rehabilitationszentren für Folteropfer direkt, doch in den Ländern, wo es am nötigsten wäre, gibt es kein Geld dafür. Die Gesundheitssysteme können keine speziellen Behandlungszentren für Folteropfer anbieten und oft genug zählen die Regierungen selbst zu den Tätern. Oft sind es dann Krankenhausärzte, die sich freiwillig und ehrenamtlich, zusätzlich zu ihrem normalen Job, speziell um die Folteropfer kümmern.

Informationen aus der ganzen Welt

Um die Arbeit überhaupt anfangen zu können, brauchen sie Unterstützung, und die wiederum kostet Geld: "Die beiden größten Sponsoren, die die weltweiten Behandlungszentren finanzieren, sind die Europäische Union und der Freiwilligen Fonds für Folteropfer der Vereinten Nationen", sagt Brita Sydhoff. "Die beiden Organisationen sind immens wichtig, weil wir in vielen der Länder, wo auch heute noch gefoltert wird, keine Möglichkeit haben, die Kollegen zu unterstützen, die mit der Rehabilitation von Folteropfern arbeiten." Es ist schlicht und ergreifend das Geld, das fehlt.

Der IRCT kann vor allem mit Rat und Tat die Arbeit vor Ort unterstützen. Im Zentrum in Kopenhagen laufen Erfahrungen und Informationen aus der ganzen Welt zusammen. Behandlungsmethoden und Erfahrungen werden dokumentiert und ausgewertet. Die neuesten Erkenntnisse aus den über Jahre aufgebauten Erfahrungen für eine erfolgreiche Behandlung von Folteropfern werden dann an die weltweiten Zentren weitergegeben. Auch die Dokumentation von Folter wird in Kopenhagen koordiniert - ein wichtiger Teil der Arbeit, wenn es darum geht, Täter zur Verantwortung zu ziehen.

Mangelnden Beweise

Auf die Frage, ob das Zentrum auch im Prozess gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein mit Dokumentation für die Anklage geholfen hat, antwortet IRCT-Generalsekretärin Brita Sydhoff eher ausweichend: "Ich möchte die Frage nicht direkt beantworten aber ja, wir versuchen selbstverständlich sowohl im Irak als auch anderswo in der Welt Folter so genau wie möglich zu dokumentieren." Oft jedoch sind mangelnde Beweise ausschlaggebend dafür, dass Täter nicht verhaftet und vor Gericht gestellt werden. Und Brita Sydhoff weiß, dass ihre medizinischen Kollegen in den weltweiten Rehabilitationszentren so gut wie es ihnen überhaupt möglich ist, versuchen, die Gräueltaten zu dokumentieren, damit die Täter nicht unbestraft davonkommen.

Prozess Saddam Hussein in Bagdad Irak
Die Frage, ob die IRCT auch im Prozess gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein geholfen hat, beantwortet Brita Sydhoff ausweichendBild: AP

Statt nachher zu dokumentieren, wäre es allerdings noch besser, Möglichkeiten für eine direkte Intervention zu schaffen, wenn in einem Land gefoltert wird. Am Donnerstag (22.6.2006) trat das Zusatzprotokoll zur UN-Anti-Folter-Konvention in Kraft. Das Zusatzprotokoll, das schon 2002 von der UN-Vollversammlung verabschiedet wurde, sieht unter anderem unangemeldete Kontrollbesuche in Gefängnissen, Polizeiwachen und Abschiebezentren durch nationale und internationale Ausschüsse vor.

Mehr als 30 interne Konflikte oder Bürgerkriege

Nachdem Honduras und Bolivien das Zusatzprotokoll am 23. Mai ratifiziert hatten, kamen die insgesamt 20 Länder zusammen, die für ein Inkrafttreten 30 Tage später nötig sind. Die Bundesrepublik hat das Zusatzprotokoll nicht ratifiziert, was auch von Organisationen wie Amnesty International bedauert wird. Doch auch mit dem neuen Zusatzprotokoll ist es schwer, Folter beizukommen. Eines der Probleme, die auch der IRCT dokumentiert hat, sind die Schwierigkeiten bei landesinternen Konflikten.

Rehabilitationszenter für Folterofter in Pakistan
Die IRCT unterstützt beispielsweise ein Rehabilitationszentrum für Folteropfer in PakistanBild: IRCT

Seit der Auflösung der ehemaligen Sowjetunion und des Ostblocks gibt es zunehmend bewaffnete Konflikte, die nicht zwischen Nationen, sondern zwischen ethnischen, religiösen oder politischen Gruppierungen ausgefochten werden. "Wir wissen, dass es zurzeit mehr als 30 interne Konflikte oder Bürgerkriege gibt, und wir sehen auch, dass die Opfer dieser Konflikte aus der Zivilbevölkerung kommen", sagt Brita Sydhoff. In der Zivilbevölkerung seien es wiederum Frauen und Kinder, die in erster Linie entführt, verhaftet oder angegriffen werden, entweder von militärischen oder paramilitärischen Gruppen oder von Kriminellen. "So sehen wir, dass sich zu einem gewissen Grad auch das Muster von Folter geändert hat."