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Die Menschenrechte aus Wien

Helle Jeppesen14. Juni 2013

Menschenrechte sind universell und unteilbar. Vor 20 Jahren bekräftigte das die Wiener Weltmenschenrechtskonferenz. Ein Meilenstein, meint Wolfgang Heinz vom Deutschen Institut für Menschenrechte.

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Wolfgang S. Heinz vom Deutschen Institut für Menschenrechte (Foto: DIM)
Wolfgang S. Heinz Deutsches Institut für MenschenrechteBild: Deutsches Institut für Menschenrechte

DW: Herr Heinz, wie schätzen Sie heute den Einfluss der Wiener Konferenz ein?

Wolfgang Heinz: Ich denke, die Wiener Konferenz war aus mehreren Gründen ein herausragendes Ereignis. In der Geschichte der Menschenrechte gab es seit 1945 überhaupt nur zwei Weltkonferenzen: Eine in Teheran, Iran, 1968, und die Wiener Konferenz. Damals war das eine ganz besondere Situation: Immerhin geschah das vier Jahre nach der großen Wende, dem Zusammenbruch des europäischen Kommunismus. Damit schienen enorme Chancen zu bestehen, die Weltpolitik neu zu ordne: mit einem viel klareren Profil in Richtung Entwicklung, Demokratie und Menschenrechte. Und sie war nicht nur eine rein staatliche Veranstaltung, deshalb war das eine ganz besondere Situation.

Die starke zivilgesellschaftliche Beteiligung war auch neu, oder?

Ja! Normal sind natürlich diplomatische Konferenzen, wo Staaten verhandeln - von den Medien begleitet. Aber hier tauchten nun viele Vertreter von Nichtregierungsorganisationen auf. Sie waren gut vorbereitet, stellten Forderungen an die Konferenz.

Vor der Konferenz hatte man (die Vereinten Nationen, Anmerkung der Redaktion) wie üblich schon eine Erklärung vorbereitet. Und es gab es viele eckige Klammern, was bei den Vereinten Nationen bedeutet, dass es keine Übereinstimmung bei bestimmten Absätzen gab. Deshalb machte man sich Sorgen. Man merkte jetzt auf einmal, dass zwar der Ost-West-Konflikt kaum noch Bedeutung hatte, jedenfalls in der traditionellen Form in Europa. Stattdessen zeigte sich deutlich ein Nord-Süd-Konflikt.

Sie waren damals dabei - wie war die Stimmung vor der Konferenz, wie waren die Erwartungen?

Die Stimmung vor der Konferenz zeichnete sich durch Nervosität ab - bei uns in der Zivilgesellschaft, aber auch bei einer Reihe von Regierungen. Es war deutlich geworden, dass es erhebliche Meinungsunterschiede in der Interpretation des Gewichts und der Auslegung der Menschenrechte geben würden. Das war bereits bei Vorkonferenzen in Afrika und Asien sichtbar geworden. Und es war klar, dass es eine Diskussion über traditionelle Werte geben würde: Man wusste eben, dass nationale Kulturen und traditionelle Werte herangezogen werden könnten, um die universellen Menschenrechte in Frage zu stellen und zu relativieren.

Wenn Sie jetzt heute zurückblicken, gibt es denn immer noch Punkte in der Wiener Erklärung, wo Sie bis heute keine Umsetzung sehen?

Es gibt einige sehr zentrale Themen, die in der Schlusserklärung ausführlich behandelt wurden. Wir dürfen nicht vergessen, es gab ja damals den Krieg im ehemaligen Jugoslawien. Daher waren prominente Themen in der Schlusserklärung Menschenrechte von Frauen, besonders auch Gewalt gegen Frauen, Themen wie Folter und auch das Verschwinden-lassen von Personen. Wenig erwähnt wurden in der Erklärung wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Was allerdings positiv war: Man forderte die Einrichtung eines Hochkommissariats für Menschenrechte, was vorher zwischen den Staaten sehr umstritten war.

Frauen in Herat zu sehen, die zur Ratifizierung des Gesetzes zur Verhinderung der Gewalt gegen Frauen aufrufen. (Foto: DW/Hooshang Hashemi)
Die Menschenrechte von Frauen gehörten zu den zentralen Themen in WienBild: DW/H. Hashemi

Wenn Sie mich fragen, wo es heute Reformbedarf gibt, kann man klar sagen: bei der Architektur des Menschenrechtsschutzes. Die institutionelle Seite muss überarbeitet werden, damit sie wirksamer wird. Das UN-System braucht mehr Ressourcen. Vielfach sind Staaten jedoch wenig bereit mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen, und das ist ein großes Problem.

Das Gespräch führte Helle Jeppesen

Wolfgang S. Heinz ist am Deutschen Institut für Menschenrechte für Internationale Sicherheitspolitik und Vereinte Nationen zuständig. Zudem lehrt er an der Freien Universität Berlin. Er ist Mitglied des Europarat-Ausschusses zur Verhütung von Folter und des Beratenden Ausschusses des UN-Menschenrechtsrates. Er nahm 1993 an der UN-Menschenrechtskonferenz in Wien als Berater für die kirchliche Hilfsaktion "Brot für die Welt" teil.