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Heiße Zukunft für Städte - ist Abkühlung möglich?

Tim Schauenberg
2. August 2019

Das Leben in Städten wird weltweit immer heißer. 2050 könnte es in London so warm sein wie heute in Barcelona, sagen Wissenschaftler. Was also tun gegen Hitze in den Städten?

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Freiwillige streichen ein Schuldach mit einer sonnenreflektierenden Farbe
Bild: AFP/Getty Images/E. Dunand

Weinhänge in Kopenhagen und Wüstenhitze in Rom: das könnte 2050 bereits Realität sein. Wissenschaftler der ETH Zürich simulierten die Hitzeentwicklung in 520 Städten weltweit. Dabei legten sie ein Szenario mit einem mäßigen Anstieg der weltweiten Temperaturen aus dem Weltklimabericht zugrunde.

„Wir haben festgestellt, dass 77% der Städte in Zukunft sehr wahrscheinlich ein Klima haben werden, das einer Stadt in einer anderen Klimazone ähnlicher ist als ihrem aktuellen Klima", schreiben die Wissenschaftler.

Das heißt: 2050 wird es im eher kühlen Seattle im Nordwesten der USA so warm sein wie derzeit im über tausend Kilometer weiter südlich gelegenen San Francisco. In Deutschlands Hauptstadt Berlin könnten die Temperaturen in den warmen Sommermonaten so weit hochklettern, wie sie momentan im australischen Canberra üblich sind: das wäre ein Anstieg von mehr als 6 Grad Celsius. 

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In Karlsruhe sieht man diesem Trend mit Sorge entgegen. Die Stadt im Südwesten Deutschlands ist schon jetzt eine der wärmsten des Landes. Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass sich die Anzahl der extrem heißen Tage mit über 30 Grad Celsius bis 2050 auf mindestens 60 Tage pro Jahr verdoppeln wird.

Singapur Park Royal Hotel
In Singapur, dem Vorreiter für Fassadenbegrünung, sind schon Hauswände von 100 Hektar Fläche bewachsenBild: picture-alliance/blickwinkel/E. Teister

Sterberaten werden steigen

„Es wird mehr tropische Nächte geben, in denen die Temperatur um 25 Grad liegt", sagt Norbert Hacker vom Amt für Umwelt- und Arbeitsschutz in Karlsruhe. Sein Amt beschäftigt sich mit der Anpassung und den Folgen durch den Klimawandel in der Stadt.

„Heiße Nächte, das ist eigentlich fast noch schlimmer als die Hitze am Tag, weil sich der Körper nicht mehr erholen kann. (…) es gibt ja auch klare Zusammenhänge zwischen Hitzeentwicklung und Sterberaten."

Setzt sich der Klimawandel ungebremst fort, rechnet die Weltgesundheitsorganisation WHO damit, dass die Hitze bedingte Sterberate älterer Menschen weltweit bis zum Jahr 2050 zehn mal höher liegt als 1990. 

Im extrem heißen Sommer 2018 starben allein in Berlin 490 Menschen durch Hitzeeinwirkungen, genaue Zahlen für ganz Europa sind noch nicht bekannt.

Infrastruktur der Städte muss sich ändern

An warmen Tagen heizen sich Städte um einige Grad mehr auf als das Umland. Das liegt am Urban-Heat-Island-Effekt. Er entsteht dadurch, dass Gebäudefassaden und Asphalt die Sonnenenergie und damit die Hitze speichern, außerdem leiten Klimaanlagen warme Luft auf die Straßen, wo der Verkehr noch zusätzlich Hitze erzeugt.

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Die Hälfte der Menschen auf der Erde lebt schon jetzt in Städten, die bisher kaum auf steigende Temperaturen vorbereitet sind. „Städte wurden in der Regel für ganz bestimmte klimatische Bedingungen gebaut. Kleinste Veränderungen wie Niederschlag oder Temperatur können großen Einfluss auf die Menschen haben", schreibt Emily Clark, Co-Autorin der ETH Studie per Mail an DW. „Die Infrastruktur in den Städten wird bestimmen, wie stark sich diese Veränderungen auswirken."

In Karlsruhe macht sich die Verwaltung in Zusammenarbeit mit Experten bereits Gedanken, wie man die Stadt abkühlen und auf die Hitze vorbereiten kann.

Freiwillige streichen ein Schuldach mit einer sonnenreflektierenden Farbe
Freiwillige streichen ein Schuldach mit einer sonnenreflektierenden Farbe in New YorkBild: AFP/Getty Images/E. Dunand

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Wasser und Grüne Wände

Für die Hitze im Alltag sollen vermehrt Brunnen und Wasserspender aufgebaut werden. 200 Brunnen gibt es bereits in Karlsruhe, viele davon werden mit Trinkwasser gespeist. Jedes Flachdach der Stadt muss heute schon mit Pflanzen begrünt werden. Im Wohnviertel Südstadt-Ost "sind nun die Dächer von 5.000 Bürgern begrünt worden”, sagt Klaus Weindl vom Gartenbauamt. Das sei ein wichtiger Schritt „weil es einerseits Niederschläge zurückhält, das bringt Verdunstung und ist für das Stadtklima förderlich". Außerdem soll die Begrünung von Hauswänden ausgeweitet werden. Die Pflanzen sorgen für frische Luft, Schatten und Kühlung, denn die Gebäude heizen sich weniger auf. Mit Singapur, dem Vorreiter für Fassadenbegrünung, wird man allerdings nicht mithalten können. Die jetzt 100 Hektar Fläche bewachsener Hauswände will man in derostasiatischen Metropole bis 2030 verdoppeln

„(Es ist unser) langfristiges Ziel durch Baumpflanzungen – die haben die klimatisch größte ausgleichende Wirkung - hier mehr Kühle in die Stadt zu bringen", sagt Norbert Hacker von der Stadt Karlsruhe.

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"Zukunftsbäume” gegen Baumsterben am Straßenrand

städtische Baumschule in Karlsruhe, Deutschland
Etwa ein Drittel der rund 1.000 jährlich neu gepflanzten Bäume in Karlsruhe sind solche ZukunftsbäumeBild: Andreas Ehmer

Doch gerade das könnte schwierig werden. Durch die höheren Temperaturen und die anhaltende Dürre in der Stadt leiden Bäume häufiger an Wassermangel und sind anfälliger für Krankheiten und Pilze. „Die Zahl der gefällten Bäume in Karlsruhe nimmt zu", sagt Mario Köhler vom Forschungsprojekt Green Lungs, „schätzungsweise 20 – 30% müssen wegen der Folgen der hohen Temperaturen gefällt werden."

Die Stadt pflanzt deshalb immer mehr sogenannte "Zukunftsbäume”, die mit der Hitze besser zurechtkommen. Dazu gehören etwa der Zürgelbaum und die amerikanische Esche. "Bäume, die am Straßenrand gepflanzt sind, sind durch die Abstrahlung durch den Asphalt an heißen Tagen dauerhaft bis zu 50 Grad Celsius ausgesetzt. Da machen einige schlapp”, sagt Andreas Ehmer von der stadteigenen Baumschule. Etwa ein Drittel der rund 1.000 jährlich neu gepflanzten Bäume in Karlsruhe sind solche Zukunftsbäume.

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Mehr Grün könnte auch anderswo helfen. Besonders die vielen alten Gebäude aus der Gründerzeit mit ihren versiegelten Innenhöfen heizen sich an heißen Tagen stark auf. "Wir wollen die Hauseigentümer mit Informationskampagnen und Beratung dazu bewegen, diese Flächen zu entsiegeln und zu begrünen”, sagt Hacker von der Stadt Karlsruhe. "Das ist manchmal aber ein dickes Brett.” Die Menschen dazu zwingen, ihre Immobilien dem Klima anzupassen, kann die Stadt nicht.

"Insgesamt geht es auch um Verhaltensänderungen im Alltag”, sagt Petra Mahrenholz vom "Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung” des deutschen Umweltbundesamts. Dazu könnte gehören: tagsüber die Fenster zu schließen und die Jalousien herunter zu lassen, so bleibt die Hitze draußen - in Spanien gängige Praxis. Erst nachts wird durchgelüftet.

Infografik, wie man eine Stadt abkühlt

Weniger Hitze durch weiße Wände

In Karlsruhe sollen außerdem öffentliche Plätze und Gebäude nur noch in hellen Farben gestaltet und Hauswände -wenn möglich- weiß verputzt werden. Weiß heizt sich weniger auf als dunkle Farben. Der Temperaturunterschied auf einem weißen Dach im Vergleich zu einem schwarzen kann bis zu 23 Grad Celsius betragen, schreibt die NASA in einem Bericht. In New York hat die Initiative Cool Roofs bereits mehrere hunderttausend Quadratmeter Dächer weiß gestrichen - so werden jährlich 2.282 Tonnen CO2 eingespart, weil die Gebäude weniger gekühlt werden müssen.

Obwohl der Klimawandel auch in immer mehr deutschen Städten spürbar sein wird, ergreifen bisher nur „unter fünf Prozent" der Kommunen in Deutschland tatsächlich konkrete Maßnahmen, schätzt Petra Mahrenholz vom Umweltbundesamt. „Aber die Sensibilisierung ist bei vielen mittlerweile da."

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Ob das reichen wird? In Karlsruhe jedenfalls gibt es bisher „kein spezielles Budget zur Klimaanpassung", sagt Hacker, dafür sehe er im Plan der Stadt auch noch gar keinen Ansatz. Und große Vorhaben, etwa neue Frischluftschneisen oder die Umwandlung von Straßen und Parkplätze in Schatten spendende Grünflächen, das ist in Karlsruhe bisher nicht geplant.

Doch Hacker und seine Kollegen arbeiten schon an einem Aktionsplan für den Hitze-Notfall. Den Bau städtischer Kühlräume, um Menschen vor der Hitze zu schützen, das kann sich Hacker durchaus vorstellen. „Aber das ist im Augenblick auch noch nicht Stand der Dinge. Das kann vielleicht noch kommen, wenn die Temperaturen weiter ansteigen". Laut der Züricher Wissenschaftler werden sie das.