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Krug: "Es wird Diskussionen geben"

Jan-Hendrik Raffler7. Juni 2016

Hellmut Krug, Schiedsrichter-Manager der DFL, spricht im DW-Interview über die Regeländerungen bei der Europameisterschaft. Mit der Modifizierung der umstrittenen Dreifachbestrafung ist er nicht ganz zufrieden.

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Schiedsrichterexperte Hellmut Krug breitet die Arme aus und steht vor einem Fernseher. Foto DPA
Bild: picture-alliance/dpa/A. Gebert

DW: Bei der Endrunde der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich vertraut die UEFA erstmals auf die "Hawk Eye"-Torlinientechnologie. Was halten Sie von der Einführung?

Hellmut Krug: Wir halten aus Schiedsrichter-Sicht sehr viel davon. Vorher war das Schiedsrichter-Team auf sich allein gestellt, musste beurteilen, ob der Ball hinter der Linie war, auch wenn dies nur Sekundenbruchteile und zudem sehr knapp der Fall war. Mit menschlichem Auge ist diese Aufgabe kaum noch zu lösen und oft genug sehr vom Glück abhängig. Deshalb sind wir sehr froh, dass diese Diskussionen, die im Nachhinein meistens auf dem Rücken der Schiedsrichter ausgetragen worden sind, jetzt entfallen. Auch besteht jetzt nicht mehr die Gefahr, dass der Schiedsrichter eine solch umstrittene Entscheidung während des Spiels mit sich herumschleppt. Das nimmt den Unparteiischen ein wenig Druck.

Durch die Torlinientechnik sollen bei der Europameisterschaft auch die Schiedsrichter-Assistenten entlastet werden, die hinter dem Tor stehen. Warum sind diese Torrichter dennoch unverzichtbar?

Die Aufgaben der Torrichter, die es in der Bundesliga ja nicht gibt, sind weitreichender. Sie sind vor allem auch für die Überwachung der Strafräume zuständig. Wenn dort ein strafwürdiges Foul stattfindet, sollen sie das dem Schiedsrichter unverzüglich per Headset mitteilen. Dies sollen sie in Fällen tun, die in der Sache eigentlich klar sind, die dem Schiedsrichter jedoch aus seinem Blickwinkel, aus seiner Position auf dem Spielfeld entgangen sind. Die Präsenz der Torrichter soll sich auch präventiv auswirken und dafür sorgen, dass die Spieler im Strafraum weniger zerren und halten. Man geht davon aus, dass dadurch in dieser neuralgischen Zone generell weniger Fouls stattfinden. Empirisch bewiesen ist diese Annahme allerdings nicht.

Symbolbild Torlinientechnik. Foto: dpa-pa
Bild: picture-alliance/dpa

Neben der Torlinientechnik sollen die Unparteiischen bei der Fußball-EM zusätzlich durch professionelle Spielanalysten unterstützt werden. Die Schiedsrichter sollen im Vorfeld alles über die beiden Teams erfahren. Informieren sich Schiedsrichter nicht sowieso schon vor jedem Spiel?

Wenn Schiedsrichter sich professionell vorbereiten, werden sie das mit Sicherheit tun. Aber es ist schon etwas anderes, wenn ich in der Bundesliga ein Spiel leite, wo es für mich zum Tagesgeschäft gehört, Spieler und Mannschaften zu kennen. Bei so einem großen, internationalen Turnier wie die Fußball-Europameisterschaft ist die Vorbereitung in dieser Hinsicht schwieriger. Dort sind sehr viele Spieler dabei, die dem Schiedsrichter vielleicht nicht so bekannt sind. Da hilft es natürlich, wenn ein Analyst Fakten herausfiltert, die den Schiedsrichter in seiner Spielleitung unterstützen.

Die höchst umstrittene Dreifachbestrafung wurde modifiziert. Nur beim Verhindern einer klaren Torchance folgt noch eine Rote Karte. Der Strafstoß bleibt unangetastet. Viele sagen, das wurde höchste Zeit - was sagen sie?

Dem können wir nur zustimmen, das wurde höchste Zeit! Allerdings hätten wir uns auch gewünscht, dass die FIFA noch einen Schritt weiter geht. So wie es jetzt geregelt ist, dürfte es weiterhin zu Diskussionen kommen. Denn auch in Zukunft muss der Schiedsrichter neben dem Strafstoß entscheiden, ob Rot fällig oder Gelb noch ausreichend ist. Gelb würde ausreichen, wenn das Foul im Kampf um den Ball stattfand, Rot ist zwingend, wenn der Verteidiger ausschließlich den Gegner um die Torchance bringen wollte, der Ball keine Rolle mehr spielte. Diese Trennung dürfte in manchem Fall schwer fallen, und es wird sicher weiterhin zu Grenzfällen kommen. Ich denke, das hätte man sich einfacher machen können. Sofern kein grobes Foulspiel stattfindet, hätte man es bei Fouls im Strafraum grundsätzlich bei Gelb belassen können, da die Mannschaft durch den Strafstoß die 100-prozentige Torchance in jedem Fall zurückerhält. So gut die neue Regelung einerseits auch ist, für alle Beteiligten wäre es dann noch ein wenig leichter geworden.

Schiedsrichter zeigt Torwart rot. Foto: dpa-pa
Bild: picture-alliance/Eibner-Pressefoto

Hellmut Krug war bis 2007 Leiter der Fußballschiedsrichter-Abteilung beim Deutschen Fußball-Bund. Seither ist er Schiedsrichter-Manager der Deutschen Fußball Liga und berät die DFL in Fragen des Schiedsrichterwesens. In seiner aktiven Zeit als Schiedsrichter wurde er bei der Fußball-WM 1994 und der Fußball-EM 1996 eingesetzt. International leitete er zudem 40 Europapokalspiele. Höhepunkte waren dabei das Champions-League-Endspiel 1998 und das Weltpokal-Finale 1999. Insgesamt wurde Krug vier Mal zum Schiedsrichter des Jahres gewählt.

Das Interview führte Jan-Hendrik Raffler